Gottesdienst Kirche Am Heierbusch, Essen-Bredeney,

5. Sonntag nach Trinitatis, 12. Juli 2009


Lieder:


Gott ist gegenwärtig...165, 1.2.5

Die güldne Sonne...449, 1-4

In Gottes Namen fang ich an...494, 1 - 4

Herr, die Erde ist gesegnet...512, 1. 3. 6


Psalm 92 (Nr. 740, S.1169f.)


Lesung: Jesaja 6, 1 – 8



Predigt zu Lukas 5, 1 – 11:


Es geschah aber, als eine grosse Menschenmenge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth

und sah zwei Boote am Seeufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen die Netze.

Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Lande wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.

Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!

Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben uns die die ganze Nacht abgemüht und nichts bekommen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze erneut auswerfen.

Und als sie das taten, fingen sie eine gewaltige Menge von Fischen, so dass ihre Netze zu reissen begannen.

Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und ihnen beim Ziehen helfen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so dass sie fast sanken.

Als das Simon Petrus sah, warf er sich vor Jesus auf die Knie und rief: Geh weg von mir, Herr! Ich bin ein sündiger Mensch.

Denn Staunen und Schrecken hatte ihn erfasst, ihn und alle, die bei ihm waren, über diesen Fischfang, den sie miteinander erlebt hatten,

ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, mit denen Simon zusammenarbeitete.

Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du ein Menschenfischer werden.

Und sie zogen die Boote aufs Land und verliessen alles und folgten ihm

nach.


Liebe Gemeinde!


Ein geheimnisvoller, tiefsinniger Text. Lukas hat ihn in hochkultiviertem Griechisch, in geschliffener Sprache verfasst


Dabei fängt alles ganz einfach und alltäglich an, so dass garnicht viel erklärt zu werden braucht.

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I


Jesus ist am Nordostufer des Sees Genezareth. Eine große Menschenmenge umdrängt ihn. Sie wollen ihn hören. Denn er predigte ja – wie es in den Evangelien mehrfach heisst- gewaltig, mit Vollmacht, nicht so wie die Schriftgelehrten.


Jesus sieht am Seeufer zwei Fischerboote liegen. Die Fischer reinigen die Netze, entfernen Seetang, Zweige, verfaultes Zeug. Jesus wendet sich an einen der Fischer mit Namen Simon und bittet ihn: Fahre mich ein Stück weit auf den See hinaus.


Ich weiss nicht, wer von Euch schon mal am See Genezaret war? Dann haben Sie die Stelle vor Augen (Bild zeigen). Und Forscher wie der Benediktinerpater Prof. Bargil Pixner haben nachgewiesen, dass man am Ufer besonders gut zu hören ist, wenn man hier am Nordostufer des Sees ca. 1oo m aus der Bucht herausgefahren ist.


Worüber Jesus predigt, erwähnt Lukas nicht. Vermutlich über sein zentrales Thema: Wie das Leben sich gestaltet, wenn wir es im Reiche Gottes leben, also so, dass wir unser Leben und Miteinanderleben bewusst und ohne faule Kompromisse von Gottes Wort und Willen regieren lassen.


Aber Lukas ist an dieser Stelle nicht die Predigt Jesu wichtig. Sondern etwas Anderes: Nämlich, dass der, der den Vielen das Wort Gottes verkündigt, den einen sieht, der müde ist von vergeblicher Arbeit. Und Simon sagt's ja auch selbst:: Epistata, so redet er ihn an, ein Wort, das so viel wie Lehrer bedeutet, aber zugleich schwingt in diesem Wort auch „Aufsicht üben“, und vor allem: „aufmerksam sein“, „aufmerksam etwas bemerken“ mit: Epistata, sagt Simon voll Hochachtung, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.


Für Simon bedeutete das noch: Gott hatte seinen Segen versagt. Unser heutiger Begriff „Erfolg“, der ja solch eine gewaltige Rolle spielt im gegenwärtigen Leben – der ist einmal hergekommen von dem Begriff des Segens, hat sich dann aber davon gelöst. Zum Segen gehört noch die Dankbarkeit für die Gabe Gottes, beim Erfolg dagegen denkt man an die eigene Leistung.


Segen ist also etwas anderes, ist viel mehr und umfassender als Erfolg, ist Gabe und Geschenk Gottes. Auch – und manchmal gerade – ein erfolgloser Mensch kann ein gesegneter und segensreicher Mensch sein. Dieser Fischer Simon, der hier noch ganz verdrossen und verzagt ist, weil seine Netze leer geblieben sind: Er wird – mit all seiner Menschlichkeit und seinen Charakterschwächen, mal ist er himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt und mehrfach auch deutlich feige – er wird doch zum Segen für unendlich viele Menschen werden – bis hin zu uns hier.


II


Jesus, der den vielen predigt, sieht den einen, der müde ist von vergeblicher Arbeit. Und er macht ihm Mut: Probier's noch mal! Fahre noch mal hinaus, und zwar dorthin, wo der See tief ist, und wirf die Netze erneut aus.


Und – erstaunlich genug – Simon folgt dieser Aufforderung. Normal wäre ja gewesen, er hätte gesagt: Aber - das hat doch gar keinen Zweck. Erstens bin ich hundemüde. Und

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zweitens: Du scheinst nicht zu wissen, was jeder Fischer weiss: Am Tage sind die Fische überhaupt nicht an der Oberfläche, da sind sie tief unten, unerreichbar für die Netze.


Aber Simon hört – und folgt dem Wort Jesu. Auf dein Wort hin, sagt er, will ich die Netze

erneut auswerfen. Er stellt sein Fachwissen, seine Lebenserfahrung hintenan. Er handelt, obwohl der Erfolg völlig unwahrscheinlich ist. Er folgt den Worten Jesu und vertraut ihm gegen allen Augenschein.


Bis hierher, wie gesagt, braucht an dieser Geschichte überhaupt nicht viel erklärt oder in unsere heutige Welt übersetzt werden. Jeder und jede von uns kennt die Nacht der Erfolglosigkeit, jeder und jede hier kennt das, wenn man sich viel Mühe gegeben hat und es kam nichts dabei heraus, es war alles vergeblich. Und jeder und jede von uns weiss auch, wie gut es ist , wenn dann jemand da ist, der sich kümmert, der tröstet und Mut macht und sagt: Gib nicht auf. Versuch's noch mal. Einer, der mir etwas zutraut - und dem ich Vertrauen schenke.


III


Aber jetzt kommt etwas ganz Anderes. Jetzt kommt eine neue Dimension in das Geschehen hinein, die Dimension des Wunders, die Dimension der Begegnung mit dem lebendigen Gott.


Was Simon jetzt erfährt, das lässt sich nicht mehr so beschreiben, dass er nach dem Mißerfolg in der Nacht einen großartigen Erfolg hat. Sondern er erfährt ein Wunder, ein Wirken Gottes – und zwar in dem Bereich, in dem er sich auszukennen meint, in dem er Fachmann und Experte ist, im Bereich seiner alltäglichen beruflichen Arbeit.


Auf einmal ist da diese überbordende Fülle im Boot, aus den prall gefüllten

Netzen quillt eine Flut von zappelnden Fischen. Die Männer mühen sich nach Leibeskräften, aber sie kriegen's nicht mehr in den Griff, die Netze beginnen zu reissen, beide Boote sind so schwer beladen, dass sie zu sinken drohen. Es ist solch eine Fülle und Menge überströmenden Segens, dass Simon und seine Arbeitskollegen von Staunen und zugleich tiefem Erschrecken ergriffen werden.


In diesem Geschehen – das war in ihrer Welt gar nicht anders denkbar – sahen sie Gott am Werk. Aber nicht den Gott, den sie kannten oder zu kennen meinten, sondern einen lebendigen Gott, vor dem ihnen unheimlich wurde, der so in ihr Leben eingriff, dass ihnen alles bisher Selbstverständliche fraglich wurde, alles sicher Scheinende ins Wanken geriet, man den festen Boden unter den Füssen verlor und zu versinken schien.


Herr ! Kyrie ! Geh weg von mir!“ ruft Simon aus. „Ich bin ein sündiger Mensch“. Aber diese tief erschrockenen und abwehrenden Worte kann man nur richtig hören, wenn man zugleich die Gebärde sieht, die sie begleiten: Er sagt es anbetend, ist vor Jesus auf die Knie gefallen.


Blicken wir von hier einmal herüber zu der Geschichte von der Berufung des Jesaja, die wir eben in der Lesung hörten. Der Ort der Begegnung mit dem lebendigen Gott ist dort ein ganz Anderer: Bei Simon der Ort des beruflichen Alltags, bei Jesaja der Tempel, der Gottesdienstraum sozusagen. Aber die Reaktion ist bei Beiden die gleiche: „Weh mir, ich vergehe“, ruft Jesaja aus, „denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von

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unreinen Lippen“. Und Simon ruft: Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“


In der lebendigen und realen Begegnung mit dem Göttlichen erkennen wir also, wer wir sind: Unrein. Sünder.


Das Wort „Sünder“ ist ja nicht beliebt. Es klingt immer so als sollten wir schlecht gemacht, geduckt werden.


Und doch: Soviel weiss jeder, auch in der Spassgesellschaft: Gott ist der Heilige, wir dagegen sind alles andere als heilig.

Gott ist Licht, reines gleissendes Licht, wir dagegen haben unsere Schattenseiten und dunklen Punkte im Leben, sind oft eher Finsterlinge.


Und: Wir sind von Natur aus alles andere als barmherzig im Umgang mit andern Menschen, Gott dagegen ist – so wird sein Wesen schon im 2. Mosebuch beschrieben - barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“. Unermüdlich und immer wieder, durch die ganze Bibel hindurch, wendet sich der heilige Gott - trotz allem, was gegen uns spricht – uns Menschen freundlich zu.


IV


Und eben das erlebt Simon jetzt. Er bleibt nicht in Furcht und Schrecken gefangen. Er hört den Zuspruch, mit dem Jesus sich ihm zuwendet: Fürchte dich nicht!


Ein Zuspruch, der übrigens, wie jemand herausgefunden hat, 365 mal in der Bibel vorkommt, also sozusagen für jeden Tag des Jahres. Und wir haben das auch nötig.


Jesus, vor dessen Heiligkeit Simon zu Boden gestürzt ist , richtet ihn durch sein: Fürchte dich nicht! wieder auf. In der Geschichte von der Berufung des Jesaja steht an dieser Stelle die Berührung durch den Engel, die Wegnahme seiner Schuld.


Das ist die andere Seite dessen, was wir meinen, wenn wir „Gott“ sagen. Wenn etwa die Psalmen der Bibel das Gottsein Gottes aussagen wollen, dann stehen da immer die beiden polaren Worte, die zum Einen von Gottes Heiligkeit und Majestät und

zum Andern von seinem sich-Herabneigen, seiner Zuneigung zu uns Menschen sprechen. Nur Beides zusammen kann sagen, wer Gott ist. Und in jedem Gottesdienst, den wir feiern, geschieht doch auf irgendeine Weise immer dies Beides: der Hinweis auf den heiligen Gott, vor dem wir uns in Ehrfurcht beugen, und der Hinweis auf den barmherzigen Gott, der uns seine Güte zuwendet, der uns seine Vergebung schenkt in Jesus, seinem Sohn, so dass wir ihm vertrauen, ihm Dankbarkeit, ja Liebe schenken können.


V


Und aus Beidem erwächst dann immer ein Drittes: Die Berufung zum Jüngersein , die Sendung in die Welt, der Auftrag. Jesaja antwortet auf die Frage Gottes: Wen soll ich senden? Hier bin ich, sende mich! Und von Simon und seinen Gefährten heisst es: Sie verliessen alles und folgten Jesus nach.


Auch wir werden über jeder Begegnung mit Gott – hier in der Kirche, oder irgendwo mitten

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in unserem Alltag - von ihm berufen und als seine Boten gesandt. Und das waren ja auch die letzten Worte der römischen Messe, solange sie lateinisch zelebriert wurde und von

denen der ganze Gottesdienst seinen Namen hat: Ite, missa est. Geht, ihr seid gesendet, geht - als Gesandte Gottes. Dass Gott, dass Jesus uns begegnet ist als der Heilige und der Barmherzige, das soll man uns anmerken können im Alltag.


Wir sind dazu berufen, Ehrfurcht und Vertrauen zu dem Gott, der uns in Jesus begegnet, zu wecken – und das heisst zugleich: Die Götter und Götzen der Spassgesellschaft,

denen man soviel Ehrfurcht und Vertrauen zollt, zu entlarven und zu entthronen. Vor allem den Obergötzen Mammon, aber auch all die sog. Kultfiguren, die goldenen Kälber und Opfertiere mit Namen wie Michael Jackson oder der Fussballspieler Rinaldo, der gerade für über 90 Millionen Euro an Real Madrid verkauft wurde. Denn das sehen wir ja immer wieder, wie den Idolen der Vergnügungsindustrie geradezu religiöse Ehrfurcht, religiöses Vertrauen entgegengebracht wird - eine Ehrfurcht und ein Vertrauen, das rechtmässig allein Gott dem Herrn zukommt.


Auch wir werden von Jesus zu Menschenfischern berufen.


VI


Dieses Bild nun könnte leicht missverstanden werden, als solle Simon Petrus nun

sozusagen einzelne Seelen retten. Wäre das gemeint, würde das Bild vom Angeln besser passen. Das griechische Wort, dass hier für „fangen“ steht, meint wörtlich übersetzt: lebendig gefangennehmen, sozusagen fürs Leben fangen. Gemeint ist: Menschen für das Leben im Gottesreich gewinnen, so dass sie ganz gefangen und gefesselt davon sind, ganz begeistert davon, wie gut das Leben wird, wenn es unter der Regierung Gottes, der Regierung Jesu gelebt wird.


Simon wird zur Mitarbeit an dem Netz berufen, das seit Christi Auferstehung durch alle Weiten und Tiefen der Menschheitsgeschichte zieht und Gottes Ernte einbringt. Es geschieht viel vergebliche Arbeit an diesem Netz, jedenfalls viel Arbeit, die uns vergeblich scheint. Und immer wieder brauchen wir das, dass Jesus uns sieht und sich uns zuwendet Immer wieder geschehen aber auch unfassliche Wunder bei der Arbeit an diesem Netz – auch durch uns, ohne dass wir das ahnen oder wissen.


Nicht nur die Propheten und Apostel, die alles verliessen und ihm nachfolgten, sondern jeder von uns, der in Jesus dem heiligen und gnädigen Gott begegnet ist, wird an seinem Platz gebraucht für Gottes Werk, für seine große Ernte. Amen


Gnadenzusage: So sagt uns Jesus zu: Fürchte dich nicht, glaube nur (Mk.5,36).


Fürbitten:


Heiliger und barmherziger Gott, wir danken dir für so viel unverdiente Wohltaten,die du über uns ausgeschüttet hast. So viel Reichtum und Wohlstand, soviel Segen. Und doch: Wie falsch gehen wir damit um! Wie sehr leben wir auf Kosten der Umwelt, auf Kosten der Armen, auf Kosten unserer Nachkommen. Darum bitten wir: gib, dass ein ernsthaftes Nachdenken einsetzt über eine neue und bessere Weltwirtschaftsordnung, die sich an den biblischen Leitbildern der Gerehtigkeit, der Solidarität und der Bewahrung der Schöpfung

ausrichtet. Wir danken dir, dass wir in Frieden und Freiheit leben dürfen. Gib den

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Politikern Mut, dass sie aufhören mit Verschleierungen und Flickschusterei, dass sie – auch wenn es sie Wählerstimmen kostet - unbequeme Wahrheiten sagen, gib, dass man ihnen abspürt, dass sie sich dem Recht und dem Frieden verpflichtet fühlen.


Wir bitten dich für deine Kirche in unserm Land: Schenke viele lebendige Begegnungen mit dir, so dass wir aufhören, im allgemeinen Strom mitzuschwimmen, dass wir nicht viele Künste suchen, sondern uns unter das Wort der Wahrheit stellen und in der Nachfolge Jesu leben.

Wir bitten dich, Gott Heiliger Geist: Erwecke und belebe deine Kirche, hier in dieser Gemeinde und überall in der Ökumene.


Jesus, du unser Herr und Heiland, wir bitten dich: Gib Verträglichkeit in den Familien. Mach uns großzügig und gastfreundlich. Lass uns deine Nähe in Angst und Leiden spüren. Lass uns in der kommenden Woche Zeugen deiner Wahrheit, Boten deiner Liebe sein. In der Stille sagen wir, was wir Gott ans Herz legen möchten.