Gottesdienst am Sonntag Sexagesimae, 23. Februar 2003

Lieder:

Tut mir auf die schöne Pforte...166, 1 - 4

Herr, für dein Wort sei hoch gepreist...196, 1+2-5+6

Einer ist’s, an dem wir hangen...256, 1.5.3

Gib, daß wir dies Gut der Erden...512, 6


Psalm 67


Lesung: Jesaja 55, 6 - 11

Predigt über Lukas 8, 4 – 8:


Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis:

Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf.

Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.

Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s.

Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug huntertfach Frucht.

Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

I


Breitwürfig sät er aus, dieser Sämann in Jesu Gleichnis. Überallhin streut er das kostbare Saatgut. Bei uns heute ist das anders. Da geht‘s um exakte Kalkulation, computermäßig errechnete Saatmengen, höchsten Effekt, maximalen Ertrag und manche Agraringenieure powern einiges an Kunstdünger dazu.

Aber der Sämann in Jesu Gleichnis, der greift in den Bausch seines Gewandes und streut einfach aus, so wie das zur Zeit Jesu üblich war... Er streut zum Beispiel auch auf den Weg, den die Leute getreten hatten, auch auf die Stellen, wo Dornengestrüpp zu wachsen begann, auch auf die dünne Erdschicht, die den felsigen Boden darunter nur geradeso mal überdeckte. Nach der Aussat erst wurde dann gepflügt.

Aber ehe man mit dem Pflug kam, konnte so einiges passieren: Es konnte sein, daß Menschen das Saatgut zertraten. Oder eine ganze Vogelschar hatte den Sämann beobachtet, kaum verschwindet er, flattern sie herbei und picken die Saatkörner weg. Und so manches Samenkorn war auch dorthin gefallen, wo der Boden zu verhärtet, zu versteinert war, als daß Leben hätte aufgehen können. Auch bei dem Saatgut, das zwischen Dornen fiel, war es so, wie es im Leben oft so ist: Die Disteln und Dornen schießen schneller empor, sind robuster, machen sich rücksichtslos breit, nehmen dem zarten Saatgut Licht und Luft weg und ersticken das Leben.

Wie vielfältig, wie stark, wie anscheinend übermächtig sind also all die Widrigkeiten und Widerstände...Aber Jesus, der das absolut realistisch sieht und beschreibt – der



2

sagt: Trotzdem! Es wird doch manches aufgehen, wird wachsen und reichen Ertrag bringen!



II

Manche Bibelforscher meinen, Jesus habe dieses Gleichnis kurz vor seinem Leiden und Sterben erzählt. Kurz bevor man gleichsam mit Füßen zertrat, was er verkündigt hatte, kurz bevor er von Menschen mit steinernen Herzen verspottet, verurteilt, mit Dornen ausgepeitscht und gekrönt wurde.

Und doch: Gerade dadurch, gerade durch seinen Tod, den Gott in Leben verwandelte, begann er erst recht zum Sämann zu werden, der seither aussät, überallhin – trotz aller Widerstände, Wachstumshemmnisse, und der uns hier zusagt: Das wird auf jeden Fall geschehen, daß die Verkündigung vom Reiche Gottes, daß die Verkündigung des Evangeliums auch auf gutes Land fällt und vielfältige Frucht bringt.

Und ich muß sagen: Ich finde dieses Gleichnis Jesu überaus tröstlich und ermutigend. Denn die Hemmnisse, Widrigkeiten und Widerstände gegen ihn und sein Wort sind ja nur zu offensichtlich. Auch bei jedem von uns!

Zunächst mal: In unser aller Leben gibt es Zeiten, da sind auch wir wenig oder garnicht bereit für Gottes Wort. Auch bei jedem von uns kann das vorkommen, daß unser Herz ganz versteinert und verhärtet ist, oder böse Gedanken wuchern hoch und ersticken das Vertrauen zu Christus, oder wir haben Phasen im Leben, da interessiert uns alles mögliche, aber nicht der christliche Glaube.

Hinzu kommt: Bei den Predigten – aber auch sonst – hören wir ja oft nur das, was wir gern hören wollen oder was uns bestätigt. Und weiter: Auch wenn wir die Ohren spitzen und Gottes Wort aufmerksam hören - wie schwer hat es Jesus, uns dann auch zu einer Veränderung unseres Verhaltens, also zum Tun seines Wortes zu bewegen.

Manches von dem, was Jesus sagt, geht eben auch so sehr gegen unsere Natur, daß wir es entweder ganz überhören oder aber uns zurechtbiegen und anpassen, z.B. wenn er sagt: Tut Gutes denen, die euch beleidigen, behandelt die liebenswürdig, die euch im Beruf mobben oder irgendwie sogar fertigmachen wollen...Oder wenn er sagt: Ihr könnt entweder dem Geld dienen oder Gott – Beides zusammen geht nicht, hier gibt’s nur ein Entweder - Oder. Oder wenn er sagt: Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Wer zur Gewalt greift, auf den schlägt sie zurück. Wer anderen Tod und Verderben bringen will, der stürzt letzten Endes sich selbst und das eigene Volk ins Verderben.



III



Aber: Trotz aller Wachstumshindernisse, sagt Jesus - und darauf legt er alle Betonung - wird auf jeden Fall die Saat des Reiches Gottes aufgehen und viel Frucht bringen – und wenn nicht hier, in dieser Gemeinde, dann eben in anderen Gemeinden, wenn nicht hier in Europa, dann etwa zum Beispiel in China, wovon

3

Dr. Oblau uns manches Wunderbare zu erzählen weiß, oder in Afrika, wo in manchen Gegenden die christlichen Gemeinden rasant wachsen. Auf jeden Fall wird die Verkündigung des Reiches Gottes auch reiche Frucht bringen! Das Reich Gottes, das Reich, in dem Gottes Gerechtigkeit und Friede herrschen, das wird wachsen - allen Widerständen und vermeintlichen Mißerfolgen zum Trotz.



Und: Können wir nicht doch auch zumindest Zeichen sehen? Gibt es nicht Menschen, von denen wir sagen müssen: Doch, im Leben dieses Menschen hat die Verkündigung Frucht getragen, reiche Frucht. Oder: Wenn kürzlich Millionen Menschen für Frieden und Gerechtigkeit auf die Straße gingen – sind das nicht doch auch Zeichen für das Wachstum des Reiches Gottes?

Und, vielleicht am eindeutigsten: Gibt es nicht unter uns hier viele, die das mit voller Überzeugung und voller Dankbarkeit sagen: Die Verkündigung des Evangeliums, die hat in meinem Leben etwas bewirkt, sie hat in meinem Leben Frucht gebracht, sie hat mein Leben reich gemacht, so sehr wie nichts sonst...!“


Das ist vielleicht das Wichtigste an diesem Gleichnis Jesu: Daß wir darin hören, wie Jesus jedem von uns persönlich sagt: Du, in deinem Leben soll die Saat des Wortes Gottes aufgehen und Frucht bringen, du bist mir wichtig, um Dich geht es mir.

Bete du dieses schöne Gebet von Herzen mit, das eine Teilnehmerin unseres gerade zuendegegangenen Gemeindeseminars zu Beginn eines Abends betete: Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an. Herr, baue deine Gemeinde und fange bei mir an... Herr, bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.


IV



Aber, jetzt noch einmal: Jesus sagt hier gar nicht: Seht, hier bringt die Verkündigung Frucht und da und da..., sondern er sagt: Hört und vertraut mir!

Wer auf seine Zusage vertraut – der wird befreit davon, nach Beweisen für das Wachstum zu suchen. Wer das nämlich versucht, kann darüber ja in Deubels Küche kommen. Dann fangen wir nämlich entweder damit an, auf vermeintliche Erfolge zu pochen, Statistiken anzulegen, Zahlen zu nennen und uns mit weniger erfolgreichen Gemeinden zu vergleichen,von denen wir uns positiv abheben - oder aber wir verfallen der Versuchung, selbstquälerisch und mißmutig zu sagen: Ach, es kommen so wenig, die Zahlen werden kleiner, da ist kein Nachwuchs, früher war alles besser...

Weder das eine noch das andere ist unsere Sache. Wir haben nicht nötig, uns zu legitimieren, von unserem Nutzen in der Gesellschaft oder unseren zahlenmäßigen Erfolgen zu sprechen, sondern wir sollen ganz auf ihn und sein Wort vertrauen. Darauf vertrauen, daß das unter uns geschieht, was in kraftvoller Weise Jesaja einmal als ein Wort Gottes selbst sagt: Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und läßt wachsen, daß sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht

4



wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende (Jes. 55, 10f.).

Christus wird das gute Werk, das er angefangen hat, zum Ziel bringen. Überall in der Welt, wo sein Wort verkündigt wird, wird er ihm Wachstum und Frucht schaffen und auch bei dir und mir. Hundertfältige Frucht.



Eine der schönsten Auslegungen dieses Gleichnisses, die ich kenne, stammt garnicht von einem Theologen oder einer Predigerin, sondern von einem Maler: Vincent van Gogh. Er hat den Sämann gemalt. (zeigen). Christus, der Sämann, tut seine Arbeit, ganz hingegeben – und er tut sie im Licht der aufgehenden Sonne. Denn trotz allen Dunkels, die Wahrheit ist: Unsere Welt und unser Leben liegt im Morgenglanz der Ewigkeit, wir gehen dem Licht entgegen. Amen