Frühgottesdienst am Toten- und Ewigkeitssonntag, 25. November 2001

(Pfarrer Martin Quaas)

 

Lieder:  Morgenglanz der Ewigkeit...450

               Ermuntert euch, ihr Frommen...151, 1-3

               Wachet auf, ruft uns die Stimme...147

               Jerusalem, du hochgebaute Stadt...450, 6+7

Psalm   126

Lesung:Matthäus 25, 1-13 

 

Predigt über Mk 13, 31-38:

 

Jesus sagt:

 

Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.

Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

Seht euch vor, wachet! Denn ihr wißt nicht, wann die Zeit da ist.

Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen:

so wacht nun; denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen,

damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt.

Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!

 

 

Wachet!

 

Das, liebe Gemeinde, ist das Hauptwort in diesen Versen, die Grundmelodie in diesen Worten Jesu.

 

Wachet! Seid wachsam!

 

Aber: Kann man das denn überhaupt so befehlen -  wach zu sein? Ich denke an manche Menschen, die schwermütig sind, in Traurigkeit versinkend: Die wollen nichts als ruhen, schlafen, liegen...

 

Weiß Jesus das nicht? Fragt er nichts danach, wie schwer Menschen es haben, wie tieftraurig sie sein können – gerade an einem Tag wie heute, dem Totensonntag?

 

Doch, sagt Jesus. Ich weiß. Es scheint dunkel zu sein in dem Haus, von dem ich euch erzähle.

 

I

 

Er erzählt ja mitten in diesen Versen ein Gleichnis. Ein Gleichnis vom Haus unseres Lebens. Ein Gleichnis vom Leben im Hause der Welt.

 

Jesus sagt: Dieses Haus gehört nicht uns selbst. Wir sind nicht die Eigentümer. Aber: Wir dürfen gratis darin wohnen, als Knechte und Mägde des Hausherrn.

 

 

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Nur: Wo ist er – der Hausherr? Jesus sagt: Er ist in die Ferne gezogen, außer Landes. Aber er wird einmal zurückkommen. Und bis dahin sollen die Knechte und

Mägde das Haus des Lebens in Ordnung halten, sollen alles darin so gestalten, daß es bereit ist für ihn, wenn er kommt. Er soll sich darüber freuen können, wie schön es darin aussieht, wie liebevoll alles für sein Kommen vorbereitet ist.  Die Knechte und Mägde sollen also bereit sein für ihn.

 

Jesus sagt uns ganz realistisch: Gott ist nicht da, er ist in unserer Welt und in unserem Leben nicht so da, daß man ihn sehen und in vertrauter Nähe mit ihm leben könnte – so wie die Bibel uns das vom Leben im Paradies erzählt.

 

Nun ziehen Viele daraus die Folgerung: Es gibt ihn also gar nicht. Oder jedenfalls: Ich lebe, als ob es ihn nicht gäbe. Ich bin mein eigener Herr. Ich gestalte mein Leben nach meinen Wünschen, meinen Bedürfnissen, meinen Interessen.

 

Und: Leben wir nicht alle irgendwo so? Leben wir nicht so, als seien wir selbst Herren über unsere Tage, unsere Gaben, über die Zeit unseres Lebens? Und die Politiker: Beraten und entscheiden sie in der Ehrfurcht vor Gott? Fragen sie danach, was der Wille Gottes angesichts der gegenwärtigen Krisen und Kriege ist? Und die Wirtschaft? Handelt sie im Bewußtsein, daß Gott das Recht liebt, Gerechtigkeit will? Und wir: Suchen wir in unserem Verhalten der Ehre Gottes zu dienen? Oder kreisen wir nicht stattdessen ständig um uns selbst?

 

Ehrlicherweise müssen wir sagen, wir leben so, als seien wir eben nicht Knechte und Mägde des Hausherrn, sondern selbst Herren im  Hause des Lebens, im Hause der Welt. Wir leben nicht in Ehrfurcht vor Gott, und darum erkennen wir auch nichts. Denn, wie die Bibel immer wieder sagt: Die Ehrfurcht vor Gott ist überhaupt erst der Anfang der Erkenntnis. Wir vergessen und wollen nicht wahrhaben, wer der Herr im Hause unserer Welt ist. Und daß wir das vergessen, kann man sogar verstehen: Der Hausherr ist ja, wie Jesus selber sagt,  „ferne“, er ist „außer Haus“.

 

Auch die Menschen in der Bibel, etwa die Verfasser der Psalmen, wissen, wie fern Gott sein kann. Aber: Sie reagieren darauf mit Sehnsucht nach Gott. Und mit Fragen an ihn: Wo bist du eigentlich? Warum hältst du dich anscheinend aus allem heraus? Wie lange läßt du es zu, daß ich mich so quälen muß, warum tust du überhaupt nichts?

 

Um es an persönlichen Beispielen aus unserer Gemeindearbeit zu sagen: Wie willst du das verantworten, daß diese Familie schon zum zweitenmal ein Kind unmittelbar nach der Geburt verloren hat? Wie konntest du das zulassen, daß dieser junge Mann so früh sterben mußte? Und, da ist diese alte Frau im Rollstuhl, die, wie sie sagte, seit 10 Jahren fast täglich bittet: Hol mich doch, Gott...! Und du hörst offenbar nicht! Warum...?!

 

Die Menschen in der Bibel stellen die Warum - Frage übrigens auch manchmal in einem ganz anderen Sinne: Warum geht es uns hier so gut? Und den armen Menschen z.B.  in Rußland oder Rumänien oder in Äthiopien, Somalia, im Sudan so

 

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furchtbar schlecht  - und in Afghanistan, wo sie frieren und auf der Flucht sind und nichts zu essen haben...

 

Doch, es ist schon wichtig, sich auch, wenn man’s schwer hat oder wenn man in tiefer Trauer um einen Menschen ist, zu sagen: Aber wie gut hast du es trotz allem, wie über die Maßen gut!

 

Und doch – im Ganzen müssen wir sagen: Hier ist alles voller Rätsel, das Haus unseres Lebens ist dunkel. Hier haben wir viel mehr Fragen als Antworten.

 

II

 

Aber Jesus sagt uns in diesem Gleichnis zu: Euer Fragen wird Antwort finden. Eure Sehnsucht nach Gott wird gestillt werden. Der Hausherr wird zurückkommen. Ihr werdet ihn einmal sehen.Und dann werdet ihr alles erkennen. Werdet erkennen, daß alles seinen  Sinn hatte.

 

Liebe Gemeinde, wir werden einmal Gott sehen. Das steht wörtlich so im 1. Johannesbrief: Wir werden Ihn sehen, wie Er ist.

 

Unendlich hoch über dem Universum, in unfaßbarem Lichtglanz, umgeben von Myriaden von Engeln, wird Er erscheinen – Gott, der das Antlitz Jesu Christi trägt – und dann wird das Universum vergehen und verwandelt werden, so wie es der 1o2. Psalm in unvergleichlichen Worten sagt:

 

 

Du hast vorzeiten die Erde gegründet

Und die Himmel sind deiner Hände Werk.

Sie werden vergehen, du aber bleibst.

Sie werden alle veralten wie ein Gewand,

wie ein Kleid wirst du sie wechseln,

und sie werden verwandelt werden.

Du aber bleibst, wie du bist...

 

Das Universum: Der Sternenmantel Gottes. Wie ein alt gewordenes Kleid wird Gott es einmal wechseln und es wird verwandelt werden – das gesamte endlich-unendliche Weltall. Es wird im Hitzetod verglühen. Und die Toten werden auferstehen.

 

 

III

 

Wann wird das sein? Wann wird Gott sichtbar kommen?

 

Jesus sagt: Niemand weiß das. Auch die Engel Gottes nicht. Selbst der Sohn Gottes nicht. Nur Gott allein. Er allein weiß und bestimmt den Zeitpunkt. Und das ist gut.

 

Vielleicht haben Sie auch schon einmal überlegt: Wie wäre es, wir Menschen wüßten, wann das Weltall untergeht. Oder: Wir wüßten schon, wann der letzte Tag

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unseres Leben sein wird. Das wäre nicht gut. Es genügt zu wissen: Gott wird einmal kommen, wir werden Ihn sehen.

 

Und das Allerwichtigste: Er soll mich bereit finden. Denn, liebe Gemeinde, stellen wir uns vor: Er kommt, und er fände uns schlafend, tief schlafend, überhaupt nicht bereit für ihn. Wie sehr würden wir erschrecken, wenn er uns aufweckt!  Und so soll doch unsere Auferweckung nicht sein!

 

Wie bleiben wir wach? Wie bleiben wir erwartungsvoll für ihn? Indem wir uns an die Worte der Bibel, an die Worte Jesu halten und ihnen entsprechend zu leben versuchen.

 

„Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“, sagt er. Seine Worte bleiben durch die Jahrtausende hindurch. Und sie geben

unserem Leben einen Sinn und Wert, der ewig bleibt. Jesu Worte sind wie strahlendes Sonnenlicht in dem dunklen Haus. So ähnlich hat es Luther einmal gesagt, in einer schönen Formulierung. Er sagt einmal in den Tischreden: An Christus glauben ist keine schlechte Kunst. Es ist die Kunst, daß einer aus seinem dunklen Hause in die Sonne springe! In die Sonne springe.

 

Darum: Nehmt täglich die Bibel zur Hand, und das Losungsbüchlein, das es jetzt wieder für das Jahr 2002 neu gibt. Ein einziger Vers in der Bibel, ein Psalmwort, ein Wort Jesu kann heilende Kraft mitteilen, kann wunderbar Trost schenken, kann das Leben hell werden lassen.

 

Mehr als wir in der Bibel hören, brauchen wir nicht, um trotz der Rätsel und inmitten der Geheimnisse des Lebens sinnvoll und tapfer leben und getrost sterben zu können.

 

Übrigens: Eine Gestalt im Haus des Lebens nennt Jesus besonders – das ist der Türhüter. Der wacht. Der späht hinaus in die Nacht. Sehr konzentriert. Sehr gespannt und erwartungsvoll.

 

Er tut das, was der 130. Psalm sagt: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir...“ Und dann heißt es in diesem Psalm: „Ich harre des Herrn, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort...“. Und schließlich: „Mehr als die Wächter auf den Morgen hoffe Israel auf den Herrn!“ Israel – das ist das Volk Gottes, das sind also auch wir hier. Solche Türhüter sind wir. Das ist unser Auftrag als Volk Gottes: Wachen! Wachsam sein! Nach dem Kommen Gottes ausspähen! Wir haben ein Wächteramt! Wenn es in unserer Politik kaum noch kritische Opposition gibt, dann haben  wir Christen zunehmend diese Funktion: Wachen, daß der Staat für Recht und  Frieden  sorgt. Wachen, daß es in der Welt gerechter zugeht. Wachen, daß in der Kirche der Grundsatz gilt: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Steh zu deinem Auftrag in der Welt: Zur Verkündigung des Evangeliums. Passe dich nicht an! Und vor allem  ist dies unser Auftrag:  In der dringenden Bitte zu leben: Komm, Herr Jesus! Komm, du Hausherr, du Bräutigam, wir warten sehnlich auf dich...!

 

Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.

 

 




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