(Pfarrer Martin Quaas)
Lieder: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken...91, 1 – 5
Herr, erbarme dich...178.10 mehrfach (Klage- und Bittgebet angesichts des Krieges im Kosovo und in Serbien)
Du schöner Lebensbaum des Paradieses...96
Ich will dich lieben, meine Stärke,...400, 1.2.5
Ich grüße dich am Kreuzesstamm...90, 1
Schriftlesung: Phil. 2, 5 - 11
Predigttext: Markus 14, 3 - 9
Liebe Schwestern und Brüder,
Der heutige Predigttext ist überschrieben: Die Salbung in Bethanien. Er erzählt von einer Begebenheit unmittelbar vor dem Verrat an Jesus und seiner Gefangennahme. Bethanien ist ein kleiner Ort hoch oben am Ölberg, von dem aus Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog.
Und als er in Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tische, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goß es auf sein Haupt.
Da wurden einige unwillig
und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
Man hätte dieses Öl für mehr
als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.
Und sie fuhren sie an.
Jesus
aber sprach: Laßt sie. Was macht ihr ihr Beschwer? Sie hat ein gutes Werk an
mir getan.
Denn Arme habt ihr allezeit
bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr
nicht allezeit.
Sie hat getan, was sie
konnte; sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis.
Wahrlich, ich sage euch: Wo
das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu
ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.
Und das, liebe Gemeinde, das tun ja auch wir jetzt hier. Und das Gleiche geschieht in so vielen anderen Gottesdiensten in Deutschland und anderswo. Und wenn wir an die fast 2000 Jahre Kirchengeschichte zurückdenken: Wie unendlich oft ist über diese schöne Tat dieser Frau gepredigt worden – welch ungeheuren Einfluß also hat das Verhalten dieser Frau gehabt, diese liebevolle Geste, dieses Geschehen von wenigen Sekunden Dauer. Kurz vorher übrigens hat Markus von einem in manchem ähnlichen Geschehen erzählt. Da ist Jesus auf dem Tempelplatz, und dann sieht er eine Witwe, die ihr Scherflein, ihre ganze derzeitige Habe, opfert. Und welch große Bedeutung mag auch ihr Tun für unendlich viele Menschen, die das seither in der Bibel lasen oder hörten, gehabt haben. An Beidem sehen wir: Ein scheinbar geringfügiges Tun, wenn es von Herzen, aus Liebe geschieht: Es kann eine große, große Wirkung haben für das Wachstum des Reiches Gottes. So sollen wir zum Beispiel auch von unseren Gebeten denken, und darum – wenn das Bomben bis dahin nicht aufhört - werde ich
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kommenden Freitag, dem Karfreitag, um 18 Uhr wieder in der Kapelle sein, um das Friedensgebet, das wir seit dem sog. Golfkrieg freitags in der Kapelle hielten und im letzten Jahr leider mangels Beteiligung beenden mußten, wieder aufzunehmen.
Aber nun, sehen wir näher zu: Was ist denn eigentlich in Jesu Augen so bedeutungsvoll, so erzählenswert am Verhalten dieser Frau?
1.
Ein handfester Skandal
Zuerst müssen wir sehen: Ihr
Verhalten war äußerst unkonventionell, war in doppelter Hinsicht geradezu
skandalös!
Schockierend war zum einen,
daß sie überhaupt in diese Männergesellschaft hineinplatzt. Es war damals so –
wie übrigens noch heute in den meisten Ländern der Welt, auch in Kamerun etwa,
wo meine Frau und ich ja kürzlich waren – daß die Männer beim Festmahl unter
sich blieben. Die Frauen durften den Tisch decken, die Speisen zubereiten, und
allenfalls unterwürfig servieren. Aber
an einem Gastmahl teilzunehmen, das war ihnen außerhalb der eigenen Familie
strengstens untersagt.
Und nun kommt also diese
Frau in die Männerrunde - erster
Skandal – und – zweiter Skandal – nimmt dieses Glas feinsten und teuersten
indischen Parfums (es war, wie man ausgerechnet hat, so viel wert wie der
Jahresverdienst eines Arbeiters), zerbricht es und salbt Jesu Haupt damit!
Die Männer reißen die Augen
auf – und dann geht’s aber los: Sie geben lautstark ihrer Empörung Ausdruck,
giften die Frau an und sagen das, was ich vermutlich auch sofort gedacht oder
gesagt hätte: Wieviel Gutes, Nützliches hätte man mit dem Erlös tun
können! Und ich stelle mir vor: Ein
bißchen lauernd warten sie auf Jesu
Reaktion. Daß er unkonventionell im Blick auf das Verhalten von Frauen war, das
mögen sie gewußt haben, aber was würde er – dessen sozusagen „soziale Ader“ ja
doch auch bekannt war – nun zu dieser
Vergeudung sagen?
2. Eine schöne Tat
Ja, wörtlich übersetzt steht
hier: Sie hat ein schönes Werk an mir
getan (für die Griechisch – Kenner: Kalos). Man kann also offensichtlich Gutes
tun, und Jesus sagt ja hier ausdrücklich, das sollen wir Christen allezeit tun,
denn arme, hilfsbedürftige Menschen wird es immer geben – man kann aber auch Schönes
tun! Überlegen wir kurz: was wäre solch eine schöne Tat bei uns? Ich finde, es
wäre etwas im wörtlichen Sinne „Überflüssiges, Überströmendes,
Überschwengliches“, etwas, was aus Liebe getan wird , also etwas, was anderes
und mehr ist als ein sog. „guter Zweck“. Blumen schenken, einen Kuß geben, eine
schöne Musik zu Ehren Gottes aufführen, einem Menschen strahlend
zulächeln...was aus Liebe zu Gott und
Menschen geschieht: das ist ein schönes Tun.
Die Frau huldigt Jesus, ehrt
ihn, zeigt ihm ihre überströmende Liebe, indem sie sein Haupt mit Öl salbt, wie
man es bei der Krönung eines Königs tat
– und Jesus deutet ihre Salbung – und wie schockierend muß das nun erneut auf
die Männerrunde gewirkt haben – als im voraus geschehende Totensalbung an ihm!
Ja! Dieses Geschehen steht wie ein
positives Vorzeichen vor allem, was dann folgt: Der, der verraten und
verleugnet wird, angespuckt, gefoltert,
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verspottet, ans Kreuz geschlagen und dort angegafft von
der Menge: Das ist der wahre König der Juden, König der Menschheit, König der
Welt, sein Kreuz ist sein Königsthron und man kann ihm nur auf eine Art
huldigen und ihn ehren: Indem man ihn von Herzen liebhat.
Denn das eben ist das, um
dessentwillen das Tun dieser Frau für alle Zeiten im Gedächtnis der Menschen bleiben
soll und wird: Ihre
3. Liebe zu Jesus
Liebe zu Jesus, das finde
ich, ist das Wichtigste an unserem Glauben. Glanz klar, wir brauchen auch
Wissen, Information über den Glauben, zum Beispiel sollten wir sagen können,
was das unaufgebbar Schöne am evangelischen Glauben ist oder auch – nicht mal
das kann man ja noch unbedingt voraussetzen -
worin christlicher Glaube sich vom muslimischen Glauben unterscheidet
(und wir arbeiten übrigens derzeit daran, auch hier, im Blick auf Glaubenswissen und Erwachsenenbildung, gemeindliche
Angebote zu machen). Wissen, Information ist also wichtig, aber diese Frau
zeigt uns Wichtigeres, nämlich das Wesentliche des Glaubens: Glaube ist
Hingabe, Liebe zu Jesus, spürbare, sichtbare, wirkungsvolle, tatkräftige Liebe
zu ihm – die dann durchaus auch einmal befremdend, ja skandalös sich auswirken
kann.
Können Sie das ehrlich von sich sagen: Ich habe
Jesus lieb?
Geweckt wird diese Liebe zu
ihm, indem er in all dem, was von ihm in den Evangelien erzählt wird,
Wirksamkeit, Einfluß auf mich gewinnt,
indem ich – gerade jetzt in der Passionszeit –erkenne: das alles bürde auch ich
ihm auf, all das hält er auch um meinetwillen aus, all das erlitt er, um auch
mir in meinen Leiden oder Bedrängnissen nahe zu sein – und in alledem, was er
erlitt, wendet sich mir eine Liebe zu, in der mir Gottes Liebe, Gottes Geduld, Gottes Vergebung vermittelt und
geschenkt wird – und zwar hier und jetzt in diesem Gottesdienst und alle Tage – und auch einmal in der
Ewigkeit, wenn wir mit dem gesamten Ertrag unseres Lebens vor ihn treten
müssen.
Wer davon im Innersten
bewegt, erfreut, befreit wird, der wird sehr dankbar, der wird mit den Gaben,
die er hat, Jesus wiederlieben.
Dazu noch eine Geschichte,
die mir während der Predigtvorbereitung vor die Augen kam, die Geschichte von
dem armen einfältigen Gaukler Barnabé. Der Dichter Anatole France erzählt sie.
Barnabé konnte im Handstand
mit den Füßen sechs kupferne Kugeln in die Luft werfen und wieder auffangen
oder mit dem Nacken die Fersen berühren und in dieser Stellung mit zwölf
Messern jonglieren. Er zog von Stadt zu Stadt, wurde wegen seiner Kunststücke
überall bewundert, hatte aber kaum genug zu essen.
Der Prior eines
Klosters traf ihn und nahm ihn auf ins
Kloster. Das war für Barnabé eine überaus große Ehre. Aber er wurde dort von
Monat zu Monat trauriger und seufzte: Lieber Herr Jesus, es schmerzt mich tief,
daß ich dir nicht so dienen kann wie Pater Prior: Er verfaßt tiefe theologische
Werke. Und Bruder Alexander verziert sie mit schönen Miniaturen. Und Bruder
Marbodius meißelt die herrlichsten Kruzifixe. Und ich bin ein einfältiger
Mensch, der weder schreiben noch dichten, weder malen noch meißeln kann.
Eines Morgens nun erwachte
er voller Freude, eilte in die Kapelle und brachte von nun an viel Zeit dort
zu.
Da beobachteten ihn einmal
durch einen Türspalt der Prior und die beiden ältesten Mönche. Sie sahen, wie
Barnabé vor dem Altar auf dem Kopf stand und mit den Füßen seine sechs
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Kugeln und zwölf Messer in die Luft warf und wieder auffing. Er
machte zur Ehre des Herrn all die Kunststücke, die ihm seinerzeit soviel Lob
eingetragen hatten.
Die beiden Mönche erhoben
großes Geschrei und empörten sich über diese Gotteslästerung. Der Prior meinte,
Barnabé sei verrückt geworden.
Sie stürzten auf ihn zu, um
ihn mit Gewalt aus der Kapelle zu entfernen. Und plötzlich sahen sie, wie der
Gekreuzigte vom Kreuz herabkam, auf Barnabé zuging, ihn in die Arme nahm und ihn segnete.
Da neigte sich der Prior zu
Boden und sagte leise: Selig sind die geistlich Armen, denn sie werden Gott
schauen.
Welches sind meine und Deine
ganz persönlichen Gaben, mit denen wir unsere Liebe zu Jesus zeigen können?
Der Friede Gottes, der höher
ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, unserem Erlöser.
Amen