Gottesdienst am 7. Sonntag nach Trinitatis, 3. August 2003


mit Predigten über Markus 6, 30 – 44 und Markus 8, 1 – 9:


Jesus – Brot des Lebens für Israel und alle Völker


Introitus: Wir sind hier versammelt im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Dieser Vers aus dem Epheserbrief Kapitel 2 ist der Wochenspruch. Er bedeutet: Auch wir Menschen aus den Heidenvölkern werden durch Jesus Christus mit in die Zugehörigkeit zum erwählten Volk Gottes gerufen. Anders gesagt: Jesus Christus ist das Brot des Lebens für Israel - und für alle Völker! Das ist das Thema des heutigen Gottesdienstes, und wir singen davon: Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit... freue dich, Israel, seiner Gnaden... und: Wohlauf, ihr Heiden, lasset das Trauern sein, zur grünen Weiden stellet euch willig ein...Lied Nr. 502


Wir beten im Wechsel: Psalm 107, 1 – 9


Eingangsgebet: Nr. 168, 1 – 3


Liebe Gemeinde,


warum erzählt der Evangelist Markus – und ihm folgend Matthäus – zweimal die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung, und zwar einmal von der Speisung der 5000 und zwei Kapitel später von der Speisung der 4000? Das wollen wir in diesem Gottesdienst herausfinden. Wir werden dabei – anhand von Folien - auch einige der Wege kennenlernen und mitgehen, die Jesus mit seinen Jüngern in näherer und weiterer Entfernung vom See Genezareth gewandert ist und wir werden – im Jahr der Bibel – sehen, wie spannend Bibelkunde sein kann.


Zunächst hören wir die Erzählung von der Speisung der 5000:


Lesung: Markus 6, 30 – 44:


Und die Apostel kamen bei Jesus zusammen und verkündeten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.

Und er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen.

Und sie fuhren in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein.

Und man sah sie wegfahren, und viele merkten es und liefen aus allen Orten zu Fuß dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor.

Und Jesus stieg aus und sah die große Menge; und es jammerte ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er fing eine lange Predigt an.


Als nun der Tag vorüber war, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Es ist einsam hier, und der Tag ist fast vorüber;

Laß sie gehen, damit sie in die Höfe und Dörfer ringsum gehen und sich Brot kaufen.


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Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Und sie sprachen zu ihm: Sollen wir denn hingehen und für zweihundert Silbergroschen Brot kaufen und ihnen zu essen geben?

Er aber sprach zu ihnen: Wieviel Brote habt ihr? Geht hin und seht! Und als sie es erkundet hatten, sprachen sie: Fünf und zwei Fische.

Und er gebot ihnen, daß sie sich alle lagerten, tischweise, auf das grüne Gras.

Und sie setzten sich, in Gruppen zu hundert und zu fünfzig.

Und er nahm die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel, dankte und brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie unter ihnen austeilten, und die zwei Fische teilte er unter sie alle.

Und sie aßen alle und wurden satt.

Und sie sammelten die Brocken auf, zwölf Körbe voll, und von den Fischen.

Und die die Brote gegessen hatten, waren fünftausend Mann.


Am Anfang hören wir: Die Jünger kommen zu Jesus und erzählen ihm, was sie alles getan haben. Und Markus fügt hinzu: Die Jünger finden keine Ruhe. Ständig kommen Menschen, die etwas wollen, irgendein Anliegen haben, eine Hilfe suchen, einen guten Rat oder was auch immer... So hektisch und anstrengend geht es zu, daß sie nicht einmal Zeit zum Essen finden.


Menschen sehen wir hier vor Augen, die vermutlich erschöpft sind, ausgelaugt, entnervt, übermüdet, sozusagen urlaubsreif. Und Jesus sagt ihnen: Ruht euch mal richtig aus, geht irgendwohin, wo es einsam ist, wo ihr ganz für euch seid, wo euch keiner stört. Sucht die Stille.


Das ist Urlaub: Aufatmen, die Stille suchen und finden, ungestört sein...


Aber leider: Jesus und die Jünger finden kaum Ruhe. Sie fahren im Boot langsam über den See, suchen eine einsame Stelle am Seeufer, wo sie aussteigen und sich im Gras lagern können – aber eine große Menschenmenge hat sie vom Ufer aus beobachtet, ist am Seeufer entlang gegangen und – wie in der Geschichte vom Hasen und Igel – sie sind schon da, als Jesus und seine Jünger ankommen.


Und nun will ich diese Stelle zeigen. Das Foto und das, was ich gleich erkläre, verdanke ich einem Benediktinerpater namens Bargil Pixner, der seit Jahrzehnten am See Genezareth lebt und Bücher über die Wirksamkeit Jesu und seine Wanderungen am See Genezareth veröffentlicht hat (B.Pixner, Mit Jesus durch Galiläa nach dem fünften Evangelium. corazin publishing 1992). Diese Stelle am Nordostufer hat er als den Ort der Speisung der 5000 lokalisiert.


Jesus sieht die große Menge, und Markus schreibt: „Sie jammerten ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“.


Wir Menschen brauchen das brotnötig: Einen Hirten. Jemanden, von dem wir wissen und spüren: Er kümmert sich um uns, er sorgt für uns, er beschützt uns, er führt uns auf guten Wegen durchs Leben. Ohne Hirten sind wir orientierungslos.



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Wie oft fällt mir dieser Satz ein, etwa angesichts des Geschiebes und Gedränges von Menschenmassen - lauter „Konsumenten“ - bei Stadtteilfesten, oder bei solchen Veranstaltungen wie einer „love parade“... : “Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie Schafe, die keinen Hirten haben“. (so die Formulierung in Matth. 9,36).


Was Luther mit „ es jammerte ihn“ übersetzt, ist im griechischen Urtext übrigens ein ganz starkes Wort, das wörtlich ein sich Zusammenkrampfen der Eingeweide bedeutet. Jesus empfindet also solch ein echtes Mit-Leiden mit den hungernden, seelisch ausgehungerten Menschen, daß sich ihm alles im Innersten zusammenkrampft.


Und Jesus stillt dann den leiblichen Hunger der Menschen. Aber nicht von ungefähr klingen in dieser Geschichte ja auch sehr deutlich die Abendmahlsworte an, die Worte, die vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern überliefert sind, und die wir bei jeder Abendmahlsfeier sprechen: „Und er nahm das Brot, dankte und brach’s...“. Markus will offenbar sagen: Jesus stillt zugleich auch den geistlichen Hunger der Menschen hier, er macht ihr Leben in jeder Weise heil und satt, er sättigt den Lebenshunger in jeder Hinsicht.


Und nun geschieht dieses Speisungswunder – das hat Bargil Pixner herausgefunden – am Westufer des Sees, in einer fruchtbaren Gegend, wo die Menschen sich auf grünem Gras lagern konnten und wo in der Umgebung Höfe und kleine Dörfer sind.


Markus erzählt, daß die Menschen sich in Gruppen zu fünfzig und zu hundert lagern. Geradeso, wie es Jahrhunderte vorher geschehen war, als Israel in der Wüste war – da wird auch erwähnt, daß das Volk sich in Gruppen zu fünfzig und hundert lagert (2. Mose 18, 25).


Fünf Brote und zwei Fische sind da: Nicht nur das Brot, auch der Fisch ist ja Symbol für Christus. Sieben ist die Zahl der Fülle. Jesus sieht zum Himmel auf und dankt, aus dem scheinbar Wenigen wird eine Überfülle: Zwölf Körbe bleiben übrig – und zwölf ist die Zahl der Stämme Israels.




Damit ist die Aussage dieser Erzählung klar: Jesus ist das Brot des Lebens für sein Volk Israel. Jesus Christus ist der, der seinem Volk Israel eine Überfülle an Leben geben kann. Er ist der, der den Lebenshunger seines Volkes Israel in jeder Hinsicht stillen kann! So sagt es der Judenchrist Markus seinen jüdischen Landsleuten damals – und heute!


Davon singen wir jetzt. Wir singen davon, daß nicht nur die Heidenvölker, sondern auch das Volk Israel durch Christus und sein Wort aufgeweckt werde. Lied Nr. 241 Strophe 6 .


Und nun – bevor Markus von der Speisung der 4000 berichtet, erzählt er von einer großen Wanderung Jesu ins Ausland, zu einer heidnischen Frau.



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Auf dieser Folie sehen wir die Wanderungen Jesu, wie Bargil Pixner sie aufgrund intensiver Forschungen in den Evangelien rekonstruiert hat.


Jesus wandert hoch hinauf in den Norden, in heidnisches Gebiet, nach Tyrus und Sidon. Und hier kommt es zur Begegnung mit einer kanaanäischen Frau, die von entscheidender Bedeutung für die gesamte Weltgeschichte geworden ist.


Markus berichtet: Jesus ging mit den Jüngern „in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen und konnte doch nicht verborgen bleiben“. (Mk.7, 24)


Eine Frau – Markus schreibt: Sie war eine Griechin aus Syrophönizien – hat von ihm gehört. Sie hat eine vom Bösen besessene Tochter. Sie kommt und bittet ihn, den bösen Geist aus ihrer Tochter auszutreiben. Jesus wehrt sie mit den Worten ab: Erst sollen die Kinder satt werden, gemeint ist: die Kinder Israel, die Kinder Gottes. Und er fügt hinzu: Es ist nicht recht, daß man den Kindern das Brot wegnehme und werfe es vor die Hunde“ – wobei „Hunde“ ein schroffer Ausdruck für „Heiden“ ist. Und die Frau antwortet: „Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde unter dem Tisch von den Brosamen der Kinder“.


Darauf Jesus – vermutlich in maßloser Verwunderung -: „Um dieses Wortes willen geh hin, der böse Geist ist von deiner Tochter ausgefahren“ .


Pixner schreibt dazu dem Sinne nach: Wir müssen uns klarmachen: Jesus hat nicht nur gelehrt, er hat auch gelernt. Er hat sich von seinem Vater im Himmel in die Schule nehmen lassen, Tag für Tag, bis zum Tage seines Todes am Kreuz.


Und hier hat Jesus in der Begegnung mit der heidnischen Frau eben dies von Gott gelernt, daß er auch für die Heiden Brot habe und Brot sei, daß er vom Vater im Himmel so viel empfange, daß es für alle Völker reicht. Anders gesagt: Daß er nicht nur der Messias für Israel, sondern der Messias, der Retter, der Erlöser Gottes auch für die Heiden sei: Brot des Lebens für Israel – und für alle Völker!


Und nun hören wir die Erzählung von der Speisung der 4000 – wobei ich gleich die Zahlensymbolik erkläre: 1000 ist die unendlich große Zahl und vier sind die vier Himmelsrichtungen. Gemeint ist: Die Menschen aller Völker, aller Zeiten und Orte – alle Menschen.


Lesung: Markus 8, 1 – 9:


Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen:

Mich jammert das Volk, denn sie haben nun drei Tage bei mir ausgeharrt und haben nichts zu essen.

Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn einige sind von ferne gekommen.

Seine Jünger antworteten ihm: Wie kann sie jemand hier in der Wüste mit Brot sättigen?


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Und er fragte sie: Wieviel Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben.

Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte und brach sie und gab sie seinen Jüngern, damit sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus.

Und sie hatten auch einige Fische, und er dankte und ließ auch diese austeilen.

Sie aßen aber und wurden satt und sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll.

Und es waren etwa viertausend; und er ließ sie gehen.


Wo geschieht dieses Speisungswunder? (Folie). Hier, am Nordostufer, südlich von Bethsaida, nördlich von Kursi, in heidnischem Gebiet, wo Wüste ist.


Auch hier wieder: Jesus sagt: „Mich jammert das Volk“. Und dann sagt er: Sie haben drei Tage bei mir ausgeharrt – verborgener Hinweis darauf, daß hier der wirkt, der der nach drei Tagen Auferstandene ist. Und er sagt: Einige sind „von fern“ gekommen, von weit her, aus dem Ausland, vielleicht gar von so einem fernen Ort wie Rellinghausen...


Sieben Brote sind vorhanden, die Fülle, genug für alle! Nur, daß die Menschen, solange sie Jesus nicht haben, habgierig sind und ungerecht – so daß es eben nicht für alle reicht, sondern einige horten und andere hungern – aber Jesus nimmt die sieben Brote, „dankte und brach sie“. Und nun teilen die Jüngern davon - mitsamt den Fischen – aus, alle werden satt – sieben Körbe bleiben übrig. Und die Zahl sieben bedeutet, wie gesagt, die Fülle, die übrig bleibt, zugleich ist die Zahl ein Anklang an die sieben Heidenvölker –„größer und stärker als Israel“, von denen in 5. Mose 7 Vers 1 die Rede ist.


Jesus hat und ist Lebensbrot auch für alle Heidenvölker, auch für uns, für dich und mich: Das Brot des Lebens. Er lehrt uns, nicht auf uns selbst und das, was wir haben, zu starren: Dann erscheint es uns wenig, dann sehen wir vor allem das, was fehlt, dann sehen wir den Mangel, dann werden wir kleinmütig, vielleicht gar geizig, sagen: „Was ist das unter so viele?“ Das bißchen, das wir haben oder tun können...was ist das schon, es reicht hinten und vorn nicht...


Jesus lehrt uns, immer zuerst „zum Himmel aufzusehen“ und zu danken, er sagt uns etwa auch: Übt das tägliche Tischgebet, dann kommt Dankbarkeit in euer Leben, und er sagt: Nehmt mich selbst und meine Worte hinein in euer Leben, dann unterscheidet ihr euch von Menschen, die sich mit allem möglichen anfüllen und innerlich immer leerer werden, ja einen innerlich ausgehungerten Eindruck machen, dann werdet ihr innerlich reich und froh, da seht ihr staunend, was euch alles geschenkt und gegeben ist, dann könnt auch ihr von dem Empfangenen abgeben und es kann eine Fülle von Segen daraus erwachsen.


Dann könnte es sein, daß Jesus dich oder dich einmal fragt – wie er das bei den Jüngern kurz vor seinem Kreuzestod tat: Habt ihr in meiner Nähe jemals Mangel gehabt? Und daß du dann antwortest wie die Jünger damals:“Nein, niemals“ (Lukas 22, 35). Amen



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Wir singen: Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all...293


Fürbitten – Vaterunser


Lied: Herr, die Erde ist gesegnet...512, 1.2.6


Segen