Gottesdienst  am 4. Sonntag nach Epiphanias, 30. Januar 2011, Rhodos

 

Lieder:

 

Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude...66, 1.4.5

Kommt her, des Königs Aufgebot...259

Jesu meine Freude...396, 1.2.6

Kreuz und Elende, das nimmt ein Ende...449,12

 

Psalm 69 (Nr. 731)

 

Sündenbekenntnis:

 

Vater im Himmel,  ja, wie oft haben wir Angst, nachts , wenn kein  Schlaf kommt: Angst um unsere Zukunft, Angst vor Aufgaben, die uns  fordern, Angst um die Kinder, die Enkel, Angst vor Katastrophen,die kommen könnten...Wie klein ist oft unser Vertrauen. Unsere Zweifel, unser Mißtrauen beherrschen und lähmen uns. Und doch: So oft hast du uns schon beschämt und wir mussten sagen: Ja,ich war kleingläubig. Ihr habe dir zu wenig vertraut. Und  ich war viel zu mißtrauisch gegenüber einem Menschen. So bitten wir dich nun um Vergebung dafür und darum, dass du unser Vertrauen stärken mögest. Herre Gott, erbarme dich!

 

Gnadenzusage:  

 

Gott sagt dir zu:

Ich bin der Herr,dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir! (Jes. 41, 13)

 

Kollektengebet:

 

Welch eine Freude, lieber Gott, welch ein Wunder, dass du kein  schweigendes Schicksal bist, keine grauenerregende Macht, sondern  unser lieber Vater im Himmel! Welch eine Freude, dass du zu uns sprichst! Dass wir dich verstehen können! Und was für gute Worte du uns sagst: Ich habe dich lieb! Ich will dir helfen! Auf mich kannst du dich verlassen! So sprich nun  auch jetzt zu uns und gib uns Mut und Frohsinn, der du mit dem Sohn  und  dem heiligen Geist lebst und regierst ohne Anfang und  Ende. Amen.  

 

Lesung: 2. Kor. 1, 8-11

 

Predigt   zu Matth. 14, 22-33

 

Vorangegangen ist die Speisung der 5000. Und dann heisst es:

 

Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in  das Boot zu steigen und  vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen liesse.

Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein.

Und das Boot war schon  weit vom Land entfernt

und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.

Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und  ging auf dem See.

Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und  riefen: Es ist

ein Gespenst! und schrien vor Furcht.

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Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und  sprach: Seid getrost! Ich bin's; fürchtet euch nicht!

Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.

Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser

und kam auf Jesus zu.

Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und  schrie: Herr, hilf mir!

Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Und sie traten in das Boot, und  der Wind legte sich.

Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

 

Liebe Gemeinde,

 

Ein Mensch denkt logisch Schritt für Schritt,

jedoch, er kommt nicht weit damit.

Ein andrer Mensch ist besser dran,

er fängt ganz schlicht zu glauben an.

Im Staube bleibt Verstand oft liegen;

der Glaube aber kann auch fliegen.

 

So der Dichter Eugen Roth. Er sagt: Der Verstand bleibt oft stecken; fährt sich fest im  Schlamassel. Der Glaube dagegen beflügelt, kann fliegen. Ja, und nicht nur das -  er

kann auch über Wasser gehen, wie der heutige Predigttext zeigt.

 

Am Anfang sehen wir die Jünger ohne Jesus im Boot, ungern übrigens. Er muss sie geradezu ins Boot treiben. . Sie hätten ihn gern bei sich gehabt. Aber sie müssen offenbar mal die Erfahrung machen, wie das ist – ohne ihn.

 

Es ist ja schön, einen bei sich zu haben, der stark ist, der weiss und sagt, wo es lang geht.  Eine von Euch sagte es mir noch kürzlich: In der  Gemeinde braucht man immer  einen, der klare Orientierung und  Wegweisung gibt. Allerdings:  Unselbständig sollen wir ja auch nicht sein. Keine geistlichen Nesthocker und Muttersöhnchen. Anders gesagt: Unser Glaubenspflänzchen darf nicht immer schützend hinter Glas, sozusagen auf der Fensterbank,  gehalten  werden; sondern muss in der frischen Luft gekräftigt werden – er will und darf nicht nur im stillen Kämmerlein gelebt werden, sondern muss in  die Stürme der Welt, in Wind und Wetter hinein, den Fragen, Zweifeln und Sorgen ausgesetzt werden – darüber wird er kräftig; standfest, hält Widrigkeiten aus.

 

Solche Stürme und Widrigkeiten gibt’s ja oft im Leben. Manch einer hat das erfahren, was die Psalmen oft beschreiben: Das Wasser steht  mir bis zum Hals, oder: Ich habe das Gefühl, jeden festen Boden unter den Füssen verloren zu haben...

 

Unsere Geschichte sagt: Auch in solchen Situationen, wo du dich ganz verlassen fühlst, bist du nicht allein. Während die Jünger im Boot auf dem  Meer treiben, ist Jesus auf einem Berg und betet.

 

Zu Simon Petrus sagt er einmal, als der ganz verzagt ist: Ich habe für dich gebeten, dass

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dein Glaube nicht aufhöre (Lukas 22,32). An dieses Wort Jesu denke ich öfter, ich habe  es auch schon ein paar mal  zu Menschen gesagt: Es ist einer da, der sieht dich, der denkt an dich und  betet für dich, dass dein Glaube nicht aufhöre.

 

Er behält uns im Blick. Und dann kommt er zu ihnen in ihrer Angst und Not  - auf eine Art und Weise, die für den Verstand der Jünger nicht zu fassen ist. Er kann auf Wegen kommen, die zu gehen uns nicht möglich ist. Er kann durch Wind und Wetter, durch Stürme und Wellen hinweg,  zu uns kommen. Denn, in Jesus, dem Christus, ist die Schöpferkraft Gottes lebendig und wirksam; er kann tun, wozu nur Gott selbst in der Lage ist. Ihm müssen die Stürme und Wogen gehorchen.

 

Den Jüngern erscheint er zunächst wie ein Gespenst und  sie schreien vor Furcht. So wie

Menschen in der Begegnung mit dem heiligen Gott schon mal aufschreien: Weh  mir, ich vergehe! (Jesaja 6,5). So wie Gott Menschen in der Tat schon einmal geradezu wie  ein  Dämon und Teufel erscheinen kann, und  sie erfahren müssen, was der Hebräerbrief sagt: „Schrecklich ist's ,in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (10,31).

 

Aber dann wandelt sich die furchterregende Erscheinung; gewinnt menschliche Konturen, der Herr Jesus spricht zu den entsetzten, verängstigten Jüngern: „Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!“

 

Wie gut, wenn wir im Dunkel der Verlassenheit eine Stimme hören; eine Stimme, der wir vertrauen können: „Ich bin's! Du  brauchst keine Angst zu haben. Ich bin  bei dir!“

 

So spricht  Gott zu uns:  Er selbst, oder Er durch den Mund seiner Engel und Propheten:

Fürchte dich nicht! Ich las: Genau 365 x komme dieser Zuspruch Gottes in der Bibel vor: Und wir brauchen ihn ja im  Grunde auch für jeden Tag, jede Nacht des Jahres. Und wenn wir  ihm  vertrauen, können wir  getröstet und mit neuem Mut beschenkt sagen: ja, nun fürchte ich mich nicht mehr, denn du bist ja bei mir!

 

Petrus spürt das sehr stark, dass Jesus und sein Wort mächtiger ist als alles, was uns Angst machen kann. Und er will das ausprobieren, ob er nicht auch auf dem Wasser zu Jesus kommen kann. Und solange er unbeirrt auf Ihn sieht, geht das sogar – aber dann wird sein Blick doch von  Jesus weg und auf all das Furchterregende und Bedrohliche hin gelenkt, er erschrickt und fängt an zu sinken, und schreit in Todesnot das elementarste aller Gebete heraus: Herr, hilf mir.  

 

Da sehen wir  nun bei Petrus sonnenklar, was eigentlich  Glaube ist : Eben ganz und gar keine eigene Leistung oder Fähigkeit, sondern nichts als der unbeirrte Blick auf Jesus, das Zutrauen zu ihm und seiner Macht, das ganz von  sich ab- und  auf ihn hin sehen, von ihm  alles erwarten, sich ihm ganz und  gar anvertrauen. Dieses sich ganz hingeben und loslassen: Das  ist eine Erfahrung, wie sie, ganz selten, in der Liebe geschieht. Und ich denke, es ist etwas, was wohl auch im Sterben an uns geschieht – wenn ich nichts  mehr festhalten kann, wenn ich mich ganz und gar loslassen, mich fallen lassen, mich den Händen Gottes anvertrauen muss...

 

Solche Selbst-Losigkeit im wörtlichen  Sinne, solches sich ganz anvertrauen ist uns  Menschen  hier noch nicht oder kaum möglich.  Petrus sieht eben doch auf die so bedrohlichen Wasserwogen – und als er auf sie sieht und nicht mehr auf  Jesus, da

werden sie ihm  zu stark  - und die dunklen und  finsteren Einflüsse und Mächte  sind ja

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auch wirklich unendlich viel stärker als wir Menschlein mit unserer kleinen Kraft und unseren Zweifeln...Petrus sieht, wie bedrohlich sie sind, und er droht in Todesangst und -not zu versinken.

 

Und da spürt er , wie die Hand dessen, der Tod und Grauen überwunden hat, seine Hand ergreift und ihn hält. Wir dürfen das erfahren und spüren in Augenblicken der Angst, was ein alter Spruch sagt, der übrigens zum Leitspruch der Bekennenden Kirche im „Dritten Reich“ wurde: Teneo quia teneor, ich halte, weil ich gehalten werde. Und wir dürfen  das für unser Sterben erhoffen, was Matthias Claudius so sagte: Wir haben einen Herrn, der uns hält und trägt, wenn wir leben, und  der uns die Hand unter den Kopf legt, wenn wir sterben.

 

Und dann? Was geschieht dann? Dann wachen wir auf im Land der Lebendigen, wo das Meer nicht mehr ist, und kein Leid, Geschrei und  Schmerz, wo Gott alle Tränen von unseren Augen abwischen und der Tod nicht mehr sein wird. Amen