Gottesdienst am Pfingstmontag, 1. Juni 2009,

in Essen-Kupferdreh


Lieder:


Jauchz, Erd, und Himmel, juble hell...127, 1 + 4

Zu Ostern in Jerusalem...569

Schmückt das Fest mit Maien...135, 1 - 4

Zieh ein zu deinen Toren...133, 5 – 7 / 11 + 13


Psalm 138


Alttestamentliche Lesung: 1. Mose 11, 1 - 9

Neutestamentlkiche Lesung: Apostelgeschichte 2, 1 - 4


Predigt zu Matthäus 16, 13 – 19.


Liebe Gemeinde!


Pfingsten: Wir feiern den Geburtstag - besser gesagt: den Tauftag - der Kirche. Lukas erzählt in der Apostelgeschichte: Die Jünger werden mit dem Heiligen Geist getauft. Stürmisch und feurig kommt der Geist Gottes über sie. Aus verängstigten kleingläubigen Leuten werden Christen, die begeistert von Jesus reden.


Wie geschieht das jetzt bei uns, dass aus „Predigthörern“ und „Gottesdienstbesuchern“ Menschen werden, die der heilige Geist erfüllt, die sich freuen darüber, dass sie Christen sind und deren Freude am christlichen Glauben überströmt auf Andere? Der für heute vorgeschlagene Predigttext kann uns dazu helfen. In Matthäus 16 heisst es in d en Versen 13 – 19:


Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?

Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.

Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?

Da antwortete Simon Petrus und sprach : Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater in den Himmeln.

Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.


Liebe Gemeinde!


Jesus – das war ein guter Mensch. Ein Vorbild. Aber dass er Gottes Sohn war, das kann ich nicht glauben“. Öfters habe ich das in meinem Pfarrerdasein gehört. Und ähnlich geben hier die Jünger menschliche Meinungen über Jesus wieder. Jesus fragt sie, für wen die Menschen ihn halten und sie antworten: Für einen Propheten halten sie dich, für

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einen der Großen neben anderen Glaubensgrößen.


Man hat so seine Meinungen über Jesus. Jahr für Jahr erscheinen auf unserm Globus hunderte neuer Jesusbücher. Und immer wird er den eigenen Meinungen und Interessen angepasst. Als ich studierte, war er vorwiegend ein politischer Revolutionär, ein sozialer, mitmenschlicher Jesus, dann eher ein religiöser Superstar, zur Zeit ist er eher ein esoterischer Jesus.


Mir persönlich ist am wichtigsten ein Sätzchen über ihn , das sich in Lukas 4 findet: Die Menschen in seiner Heimatstadt nehmen Anstoß an ihm, wollen ihn wortwörtlich in den Griff kriegen - aber, so schreibt Lukas: Er ging mitten durch sie hinweg“. Das tut er bis heute: Keine Gruppe, keine Kirche, keine Kultur, kein Volk, welcher Hautfarbe auch immer – kann ihn für sich vereinnahmen.Er geht mitten durch sie hinweg, ist nicht zu fassen, passt sich nicht an, bleibt unabhängig, ein Fremder. „Du sollst dir kein Bild von mir machen“. Dieses Gebot gilt auch für ihn. Wir sollen auf ihn hören.


Und: Was er uns bedeutet, das sollen wir dann schon auch sagen und bekennen.


Wer bin ich für euch? fragt er seine Jünger. Und Petrus, als Sprecher des Jüngerkreises, antwortet: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.


Was für uns eher formelhaft klingen mag , das war in Wahrheit ein lebendiges, ein im

Grunde radikales und ganz unerwartetes Bekenntnis: Du bist es! sagt Petrus. Du bist der seit Jahrhunderten in unserem Volk so herbeigesehnte, der von Gott her kommende Retter, Befreier und Erlöser: Du bist der, in dem wir Gottes Willen und Wesen, Gottes Antlitz erkennen, du bist der, in dem wir das Leben finden und alles, was für uns Menschen notwendig ist, damit wir eine Familie der Völker werden, eine Völkergemeinschaft also, in der es wenigstens einigermassen gerecht zugeht und in der man sich wenigstens einigermassen friedlich miteinander verträgt. Du bist der, in dem Gott uns Menschen alles sagt, zeigt und schenkt, was er nur zu unserem Heil und unserem Wohl sagen, zeigen und schenken kann.


Und Jesus grautuliert ihm zu dieser Erkenntnis und fügt hinzu : Dass du dies erkennst, das konnte kein Mensch in dir bewirken, das konnte nur Gott, der himmlische Vater, selbst tun!


Liebe Gemeinde! Vom heiligen Geist ist in unserem Text garnicht direkt die Rede, wohl aber von dem, was der heilige Geist tut! Er ist die Kraft Gottes, die in uns Glauben weckt, Glauben an Jesus als unseren persönlichen Heiland und dem Herrn unseres Lebens, dem Herrn auch über alle Völker und die ganze Schöpfung, das gesamte Weltall.


Wir Menschen haben solchen Glauben an Jesus nicht und können ihn auch nicht bewirken. Die mitreissendsten Predigerinnen und Prediger schaffen das nicht. Sondern Gott selber tut hier alles Wesentliche.


Dass das so ist, das finde ich wohltuend und heilsam. Nicht wahr, wir Menschen wollen ja im Grunde alles in den Griff kriegen: Die Natur, andere Menschen, selbst noch den Partner in der Ehe – manche sogar die verborgene Welt der Geister und auch Gott den Schöpfer – auch von ihm haben wir unsere verfestigten Bilder. Aber beim heiligen Geist geht das nicht. Und darum kann die Werbung - anders als bei Weihnachten, und auch bei Ostern

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- wo man immerhin auf den Hasen gekommen ist – darum kann die Werbung mit Pfingsten auch nichts anfangen. Der Heilige Geist entzieht sich souverän jedem Zugriff, er kommt und wirkt, wann und wo und wie Er will.


Er allerdings ist die Hoffnung für die Welt und für die Kirche. Bei uns ist es doch immer noch so, wie wir es eben in der Geschichte vom Turmbau zu Babel hörten: Wir Menschen und Völker wollen hoch hinaus, hemmungslos immer weiter, immer schneller, immer höher: Dda sind die „Twin Towers“ in New York schrecklich zerstört worden - und was tut man? Man baut dort an die gleiche Stelle noch höhere Türme! Wir Menschen wollen immer mehr, immer höher hinaus - bis Gott wieder einmal da hineinfahren muss und Grenzen setzen, ehe wir uns selbst ganz zerstören.


Denn - es ist im Grunde eine ganz simple Wahrheit: Was immer weiter wächst, implodiert schliesslich. Was sich immer mehr aufbläht, platzt am Ende. Die Symptome des zerplatzenden Kapitalismus sind ja nur zu offensichtlich, da hilft kein Löcherstopfen mehr.


Aber auch in unserer Kirche: Ich habe das über Jahre miterlebt, anfangs selbst mitgemacht: Ein immer mehr an „Aktivitäten“. Und auch heute: Wir übertünchen unsere Hilfsbedürftigkeit, unsere Erbarmungswürdigkeit als Kirche durch Betriebsamkeit: Vieł Getöse, ein gewaltiger Ausstoß an Papieren – aber das alles erscheint mir manchmal wie das überdrehte Rotieren eines Motors im Leerlauf: Viel Lärm um nichts, heisse Luft. Es läuft zwar viel, aber bewirkt es auch Leben? Buße, Umkehr? Bewirkt es hocherfreuten Glauben? Liebe zu Jesus? Stille oder auch laut jubelnde Freude? Unbändige Hoffnung?


Darum sind wir als Kirche gut beraten, wenn wir nicht sagen: Seht her: Unsere Diakonie! Unser Beitrag zur Kultur! Unsere Werte! Unsere Nützlichkeit! Sondern stattdessen sagen: Wir sind ganz und gar auf die Hilfe, den Beistand, die Kraft Gottes angewiesen.


Wir wären gut beraten und ganz bei unserer Sache, wenn wir vor uns und aller Welt eingestehen würden, wie erbarmungswürdig und hilfebedürftig wir dran sind, wirklich nichts als Bettler, also Menschen ohne eigenen Besitz, mit leeren Händen dastehend und sie dann hoffentlich auch faltend und zu Gott ausstreckend in der Bitte: Komm, heiliger Geist. Erwecke deine Kirche – und fange bei mir an. Und lass deinen Geist – deinen sanften, aber auch revolutionären, aufrührerischen Geist - machtvoll wirken in der Völkerwelt. Denn, wie Kurt Marti einprägsam gesagt hat: Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde, vielmehr vergleicht die Schrift ihn mit dem Winde. Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde! Er wirkt und will wirken nicht im gemütlich-geschützten Kämmerlein, sondern im Toben und Treiben der Welt.


Wenn wir die Pfingstlieder mal durchsehen: Es sind so gut wie ausschliesslich dringende, drängende, demütige Bitten um das Kommen des Geistes.


Und wenn er kommt - was tut er dann? Er führt nicht in „höhere Welten“, gibt keine übersinnlichen Erkenntnisse, sondern tut immer und auf alle Weise dies Eine: Er weckt Glauben an Jesus - so wie Petrus ihn hier bekennt.


Und aufgrund dieses Bekenntnisses sagt Jesus nun zu ihm: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Nur aufgrund seines Glaubens, nur aufgrund des Heiligen Geistes, der aus ihm spricht, ist Petrus ein Fels. Von sich aus ist und bleibt er - das zeigen die Evangelien deutlich – eher ein schwankendes Rohr, mal

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himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt, mal vollmundig redend, wenn's nichts kostet – und dann, wenn's gefährlich wird, verleugnet er seinen Herrn. Auch gewalttätig kann Petrus schonmal sein.


Und wenn die Päpste sich aufgrund dieser Bibelstelle hier „Petrus“ nennen und von ihr her ihr Papsttum herleiten, na gut, dann müssen sie sich aber auch gefallen lassen, sich

von Jesus auch einmal so anfahren zu lassen, wie er es vier Verse nach unserm Text bei Petrus tut: Geh weg von mir, du Verführer, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist! Wenn sie sich so radikal von Jesus auch infragestellen lassen, wenn sie – wie Petrus dann in der Begegnung mit dem auferstandenen Christus - allein aus der verzeihenden und bergenden Liebe Jesu heraus leben wollen (Joh. 21, 15 – 17),

wenn sie zugeben, dass sie eben auch Verleugner sind und bitterlich darüber weinen können (Matth. 26, 69 – 75) - gut, einen solchen „Papa“, also Vater der weltweiten christlichen Familie kann man sich dann auch als evangelischer Christ vorstellen. Aber nicht einen, der sich allein aufgrund seines Amtes als Felsen versteht, auf den die Kirche bauen kann.


Und das gleiche gilt für alle Amtsträger, auch für uns Pastoren: Felsen sind wir nur, insoweit heiliger Geist durch uns wirkt, lebendiger Glaube an Christus uns erfüllt. Das, was Jesus hier sagt, dass keine Macht der Welt die Kirche jemals wird überwältigen können, dass eine christliche Kirche - in welcher Gestalt auch immer – bis ans Ende aller Zeiten bleiben muss und wird - das sagt er nicht aufgrund menschlicher Vorbildlichkeit und Glaubenskraft, sondern weil Er selbst in der Kraft seines Geistes bis ans Ende der Tage am Werk sein wird.


Und dementsprechend nennt er hier nur einen einzigen Auftrag für die Kirche: Für die Amtsträger wie für alle Christen (vgl. Matth.18,18) - allerdings einen überaus großen und gewaltigen Auftrag, wie ihn eben nur Christen wahrnehmen können: „Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“. Er gibt jedem von uns die Vollmacht zur Absolution, die Vollmacht, Sünden zu vergeben - aber auch, solange einer unbussfertig ist, ihm zu sagen: Dann wirst du an deine Sünde gebunden sein, bis du mit ihr einmal vor Gott trittst. Du schlägst die Gnade und Vergebung Gottes aus - und einmal wird es zu spät sein für die Befreiung, die sie bewirkt. Denn es gibt nicht nur ein zeitliches, sondern auch ein ewiges Verlorensein.


Wann immer aber Menschen die Erlösung, die wir durch Christus empfangen, annehmen und ihre herrlich lösende Kraft spüren - dann ist das einer Geburt vergleichbar. Es ist eine Neugeburt - aus dem Dunkel ans Licht, aus der Dämmerung in die Sonne, aus der Enge in die Weite, aus der Nacht in den Tag, aus der Verzagtheit in die Freude.


Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.