Frühgd 1. Advent 3.12.2000

 

 

Macht hoch...1, 1+2

Ps 24  Nr 711

dazu Lied 614

Lesung: Sach. 9, 9f

dazu Tochter Zion...13, 1+2

Credo

Wie soll ich...

11, 1+2

Pred

9, 1+2

Fürb-VU

9,4+5

Segen

 

Predigt über Matthäus 21, 1-11 (1. Advent 2000)

 

 

Jesus ist in Jericho, das tief unten, fast 4oo m unter dem Meeresspiegel liegt. Von dort wandert er mit seinen Jüngern auf einem Wüstenweg 28 km hinauf nach Jerusalem, das fast 9oo m über dem Meeresspiegel liegt. Und dann heißt es im  heutigen Predigttext: Mt 21, 1-11...

 

Wie schlicht und einfach ist das Evangelium. Es handelt ja auch von einem, der selber schlicht und einfach war. „Sanftmütig“ wird er hier genannt – und damit ist  ganz und  gar nichts Weichliches oder gar Süßliches gemeint – unmittelbar nach unserem Predigttext treibt er zB voller Zorn  die Geschäftemacher aus dem Tempel – sondern das, was er einmal von sich selbst sagt - und worin das ganze Evangelium für uns enthalten  ist: Kommt her zu mir alle, die ihr müde seid und ermattet von übermäßiger Last, bei  mir sollt ihr Ruhe finden  für eure Seelen – denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Sanftmütig, das ist der, dessen Seele Ruhe gefunden hat, der mit sich selber in Frieden und Einklang ist, und der eben solchen Frieden schenken kann.

 

So zieht er nun ein in die Stadt Jerusalem, die Stadt des schalom,die Stadt des Friedens – in der doch bis heute kaum Friede ist. Sondern jeder pocht auf sein Wohn- und Heimatrecht, nicht  nur Juden und Palästinenser, sondern auch die verschiedenen christlichen Konfessionen. Und es huldigt ihm eine sehr große Menge,wie Matthäus schreibt. Es waren ja zur Zeit des Passafestes damals oft über 100.000 Juden von überall her in der Stadt.

 

Das Passafest: eines der Hauptfeste, eine der Hauptquellen jüdischen Glaubens – Fest der Erinnerung und Hoffnung zugleich. Man erinnerte sich der großen Befreiungstat Jahwes, als er sein Volk durch Mose aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt hatte. Und man  hoffte, daß doch erneut solche Befreiuung geschehen möge: Befreiung diesmal vom harten Joch der Römer, Befreiung zu einem Leben in Gerechtigkeit und Frieden.

 

 

2

 

Der neue Mose, der neue Befreier, der Messias: Er war seit Jahrhunderten angekündigt worden, auch von Sacharja, wie wir in der Lesung hörten. Das Volk kannte sich aus in den Heiligen Schriften – und bis heute wird ja in den Synagogengottesdiensten die ganze Torah  - dh. die 5 Bücher Mose und ein Teil der Prophetenbücher – ganz vorgelesen und das alljährlich neu! – und so werden die Leute erkannt haben: Hier, in diesem Einzug Jesu in die Hauptstadt, hier verwirklicht sich, was Sacharja 5oo Jahre vorher angekündigt hatte, hier kommt er, der Messias! Sie huldigen  ihm, Kleider breiten sie vor ihm aus, Palmzweige streuen sie auf seinen Weg ,den Ruf aus der Tiefe stimmen sie an: Hoschia na! Hilf uns doch – ein  Wort übrigens, in dem der Name Jesu zu dt. der Helfer anklingt. Und Worte aus dem Lobpsalm 118 stimmen sie an,der dann zum Osterpsalm der Kirche geworden ist. Das Kyrie und das Gloria zugleich stimmen sie an. Merkwürdig nur, daß der Messias ganz still und  schweigend auf seinem Esel einzieht. Er sagt kein einziges Wort. Vielleicht ist es aber auch nicht merkwürdig . Er hat ja alles gesagt, was zu sagen ist: in den unerhörten Worten der Bergpredigt, in den Gleichnissen vom Reich Gottes...und nun wird er das, was er gesagt hat, besiegeln durch die Tat,die Leiden und Sterben bedeutet: Hingabe des Lebens für die Sünde der Welt.

 

Du ziehst als ein König ein, wirst dafür empfangen,

aber Bande warten dein,dich damit zu fangen...“

 

 

wie wir in einem unserer Passionslieder singen. Still, schweigend zieht er ein. Umso lauter ist das Volk, geradezu ein Vorweihnachtsrummel, den es veranstaltet. Matthäus schreibt: Als er einzieht, erregt sich die ganze Stadt und fragt: Wer ist der?

 

Wer ist der? Diese Frage wird nie ein Mensch ganz beantworten können. Und Jahr für Jahr erscheinen Dutzende neuer Bücher über ihn. Er ist in kein Schema zu pressen, er bleibt unfaßlich, unbegreiflich wie Gott selbst. Und wir lernen ihn überhaupt erst dann kennen,wenn wir uns ihm öffnen, uns seinen Worten aussetzen, ihm nachzufolgen suchen.

 

Fremd, anstößig ist er bis heute. Die ganze Stadt gerät in Erregung  -Matthäus gebraucht hier das griechische Wort für Erdbeben. Ein Erdbeben löst er aus. Ich möchte das so deuten: Er bringt alles, worauf w i r  unser Leben so bauen,zum  wanken,vielleicht gar zum Einsturz.

 

Allem voran die Lust an der Macht mit ihrem Prunken und Protzen. Alles Imponiergehabe läßt er, der König auf dem Esel, als überholt und im Grunde lächerlich erscheinen: Die Einzüge und Auftritte der Politiker und der Showgrößen,

aber auch allen Pomp  sog.  kirchlicher Würdenträger.

 

Und auch uns stellt er ja in Frage. „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn‘ ich dir?“ Diese Frage hat ja jeder von uns beim Singen des Liedes eben gestellt.

 

Seine Schlichtheit, seine Einfachheit ist es, die uns in diesem Text vor allem bewegen muß. Der Blick auf ihn hilft mir, auch und dieser Advents- und Weihnachtszeit eher die Stille zu suchen, den Rummel nicht mitzumachen, mit den Weihnachtsgeschenken bedacht zu sein.Der Blick auf ihn hilft mir, den schlichten

3

 

einfachen Dingen viel zuzutrauen – einem Brief, einem Besuch; auch den schlichten  einfachen Dingen,die wir in  der Gemeinde tun, ganz viel zuzutrauen, also der Sammlung von Altaluminium und Korken, der Arbeit im  Dritte Welt Laden. Und auch unseren adventlichen  und weihnachtlichen Gottesdiensten ganz viel zuzutrauen – diesen Gottesdiensten, die ja allesamt auch eher schlicht sind – und die doch unendlich viel mehr und Besseres bewirken als die teuersten Fernsehproduktionen, die protzigsten shows und die lukullischsten Galadiners.

 

Der Blick auf ihn bedeutet für mich vor allem aber auch, große Freude an ihm zu gewinnen und  tiefe Dankbarkeit für ihn,  in dem der ewige  und unfaßliche Gott so schlicht und einfach zu uns kommt, sozusagen seinen Sternenmantel ganz auszieht und stattdessen schlichte menschliche Kleidung anzieht, von Windeln angefangen bis hin zu einem Totenhemd: Der König aller Könige als „Bettelkönig“, wie Luther ihn in einer Predigt zu diesem Text nennt,  der Herr aller Herren, der unser aller Diener wird, der, der sich  zutiefst unter die Macht der Sünde und des Todes knechten läßt, und der dadurch unser aller Befreier wird. Ihm will ich mich öffnen in der Adventszeit, dankbar werden für ihn, weil ich weiß: Durch die Art, wie er hier einzieht, hat er aller menschlichen Art von Macht und Gewalt einen Stoß versetzt, von dem sie sich nie mehr erholen wird, läßt er alle Art von Machtlust, Prunksucht, Imponiergehabe und Eitelkeit als fragwürdig und im Grunde lächerlich erscheinen. So, als der schlichte und einfache Mensch, der heute durch schlichte und einfache Leute am Werk ist – so ist er der einzig wirkliche und einzig gute Herr: der, der das letzte Wort hat und über alle sprechen wird. Amen.

 

(Wie also  soll ich dich in dieser Adventszeit empfangen, Jesus? Wie geschieht dein Einzug bei mir in diesem Jahr? Zum Abschluß dazu diese Geschichte: Jetzt kann Gott kommen....)




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.