Abendmahlsgottesdienst am Ostersonntag, 4. April 1999 (Pfarrer Martin Quaas)

 

Lieder: Christ ist erstanden...99

              Der schöne Ostertag...117, 1 – 3

              Gelobt sei Gott im höchsten Thron...103, 1 – 5

              Christ lag in Todesbanden...101

              Auf, auf, mein Herz mit Freuden..-.112, 6 und 7

Psalm118 (Nr. 751.1)

Lesung: 1. Kor. 15, 1 – 11

 

Predigttext: Matthäus 28, 1 – 10

 

Und als der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

 

Und siehe, da geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.

 

Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.

 

Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.

 

Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.

 

Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat;

 

und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, daß er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.

 

Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

 

Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfaßten seine Füße und fielen vor ihm  nieder.

 

Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündet es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder,

 

wie ist hier alles voller Bewegung! Die Erde erbebt und Herzen werden erschüttert, da ist ein Kommen und Gehen, Wegwälzen, Eilen und Laufen, Hände und Herzen, Münder und Füße geraten in Bewegung. Nur an einer Menschengruppe – an den Grabeswächtern! – geschieht das Gegenteil: Sie „wurden, als wären sie tot“: Sie können Jesus nicht mehr festhalten, nicht mehr aufhalten.

                                                                      

 

2

 

I

 

Und wodurch wird all das ausgelöst? „Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben, denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat herzu und wälzte den Stein weg“. Gott gibt den Auftrag. Gott  tut hier alles.

 

Die Erde erbebt – so wie sie schon unmittelbar nach Jesu Tod erbebt war.

 

Karfreitag und Ostern sagen uns: Was vorher ehern festzustehen schien, das gerät ins Wanken, wird brüchig, stürzt ein.  Nun kann man sein Leben nur noch auf einen einzigen felsenfesten Grund stellen: Auf Jesus, auf seine Worte und Taten! Alles andere ist überholt und unzeitgemäß .

 

Vorher war alles noch anders, da schien alles reibungslos zu klappen, man hatte Jesus aus dem Weg geräumt. Unmittelbar vor unserem Text betont Matthäus ausdrücklich: Man hatte Jesu Grab versiegelt. Die Machthaber – die kirchlichen wie die staatlichen – waren der felsenfesten Überzeugung: Wir haben alles wieder im Griff, der kann uns keine Scherereien mehr machen. Denn das war ja wohl so sicher wie der Tod selbst: Aus dem Grab kam Jesus nicht mehr heraus. Tot ist tot.

 

Das steht auch für Maria und Maria Magdalena fest, die frühmorgens gehen, um – wie Matthäus vielsagend schreibt – „nach dem Grab zu sehen“. Sie wollen wenigstens noch einmal in seiner Nähe sein, am Grab ihren Erinnerungen nachhängen, vielleicht durch den Stein hindurch zu dem toten Jesus reden, wohl wissend, eine Antwort würden sie nicht mehr bekommen...Aber dann ist alles so anders, daß die Frauen von Furcht und Zittern ergriffen werden.

                                                                      

II

 

Gott hatte das Unfaßliche getan. Er hatte dem toten Jesus ein Leben eingehaucht, wie Er selbst es lebt – ewiges, unzerstörbares, heiles, schöpferisches, göttliches Leben! Und damit Sie klipp und klar wissen, was ich persönlich glaube:  Daß Gott das kann und daß er das bei Jesus getan hat, das zu glauben  ist mir überhaupt kein Problem:   Als ob Gott nur das möglich wäre, was wir für möglich halten! Und dann hatte er den Engel beauftragt, den Stein wegzuwälzen.

 

Die Grabhüter sehen den Engel - von Gestalt wie ein Blitz – und werden stumm und starr vor Furcht. Die Frauen aber hören ihn reden:  Habt keine Furcht. Jesus ist nicht mehr hier. Er ist euch voraus. Er geht euch voran – wohin?  Nach Galiläa!

 

Was er dort gesagt  und heilend getan hat an den Armen, Kranken, Einsamen, Gottlosen, das wird er nun neu beginnen und tun in den „Galiläas“ überall auf der Erde, bei den Kranken, Traurigen, Gottsuchern, Gelähmten, Blinden – auch in Rellinghausen.

 

 

                                                                      

 

 

3

                                                                       III

 

Wie reagieren die Frauen auf die Worte des Engels?

 

„Und sie gingen eilends weg vom Grabe mit Furcht und großer Freude“.

 

Zunächst also sind sie weiterhin voller Furcht! Das kommt uns vielleicht merkwürdig vor, wo wir doch gewohnt sind , immer nur von der Osterfreude zu sprechen. Matthäus sagt uns hier: Erst aus der Osterfurcht erwächst die Osterfreude.

 

Um das zu begreifen, gehen wir noch einmal zu dem, was Matthäus von dem Erdbeben sagt. Bei der Auferstehung Jesu  ist ein welt- und lebenerschütterndes Beben geschehen. Die Ordnungen dieser Welt geraten seither ins Wanken.  Auch die Werte, auf die wir gemeinhin unser Leben aufbauen, sind brüchig geworden.

 

Zum Beispiel: Ein uralter Grundsatz ist ja: „Alle Macht kommt aus den Gewehrläufen“.(So hat’s Mao tse tung formuliert). Heißt:  Wenn’s nicht anders geht, löst man die Probleme mit Gewalt. Bombt den Gegner nieder, mit Raketen – oder auch verbal – jedenfalls so,  daß der andere am Boden zerstört ist.

 

Jesus hat dagegen gesagt: „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert selber umkommen“ (Mt. 26, 52). Wer gewalttätig ist, auf den wirkt die Gewalt -  ihn selbst zerstörend -  zurück. Man hatte solchen Aufruf zur Gewaltfreiheit bis zu Jesu Tod für unrealistisch gehalten. Aber dadurch, daß Gott Jesus auferweckt hat, hat Gott klar gemacht: Ich habe Jesus recht gegeben.  Von jetzt an gilt als mein göttlicher Wille: Probleme, Auseinandersetzungen im persönlichen Leben wie zwischen Staaten sollen nur noch mit den Mitteln gelöst werden, die Jesus, mein geliebter Sohn, gelehrt und gebraucht hat. Basta.

 

Seit Ostern  mischt Gott selbst sich mit den Mitteln der Gewaltlosigkeit, der Feindesliebe, der Vergebung, der Hochachtung vor dem Gegner in dieses ganze gnadenlose, gewalttätige, machohafte, bösartige Gehabe von uns Menschen ein – und will dazu auch uns, die  sich Christen nennen und an Jesus glauben, gebrauchen. Will, daß wir mit friedlichen Mitteln Freiheit und Gerechtigkeit fördern.

 

Der Dichter Kurt Marti hat dies in einem schönen Gedicht „ Anderes Osterlied“ so ausgedrückt:

Das könnte den Herren der Welt ja so passen

wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme

erst dann die Herrschaft der Herren

erst dann die Knechtschaft der Knechte

beseitigt wäre für immer...

 

Doch –so sagt er dann in der dritten Strophe -

Doch ist der Befreier vom Tod ja erstanden

ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle

zur Auferstehung auf Erden

zum Aufstand gegen die Herren

die mit dem Tod uns regieren...

 

4

 

„Die mit dem Tod uns regieren“ -  aber wer ist das, was ist das? Es sind all die Einflüsse auf unser Leben, durch die Hoffnungen begraben werden, Beziehungen zerstört werden, das Leben von Menschen verführt, verdummt, vergiftet wird... Drogen aller Art tun das, ein Teil der Werbung, die inzwischen allgegenwärtig geworden ist, bewirkt das, ein Teil der Genußmittel -, Vergnügungs-,  und Freizeitindustrie und natürlich auch der Waffenindustrie, die halt nötig ist, um unseren, der Industriestaaten, „Lebenstandard“ zu sichern. Aber ich stehe nicht an zu behaupten:  Sagen wir, 90 Prozent all dessen, was uns an Hygiene- und Genuß- und Vergnügungsmitteln angeboten wird, das brauchen wir überhaupt nicht. Und vor allem auch -  Kinder: Die wollen überhaupt nicht die und die und die Angebote und die und die und die Aktivitäten, wie auch manche unserer Kindergarteneltern sie ständig fordern,  sondern die wollen, daß die Eltern sie lieb haben und Zeit für sie haben.

 

Die Frauen werden von Furcht ergriffen: Ein wenig kann ich das schon nachempfinden. Denn wenn Gott jetzt Jesus zum Herrn über alle und alles eingesetzt  hat, dann muß das ja zu Konflikten mit der Welt und ihren Machthabern führen, zu Anfeindung und Verfolgung. Ich habe ja derzeit leicht predigen, aber die Zeiten, in denen der Glaube an Jesus lebensgefährlich war, sind auch in Deutschland noch nicht zu lange her und können jederzeit wieder kommen.

 

Und Furcht wird die Frauen auch vielleicht deswegen ergriffen haben, weil Jesus ja auch als der Auferstandene nicht erfolgreicher oder „durchsetzungsfähiger“ sein würde als es der irdische war. Auch der Auferstandene ist – in der Jugendsprache gesagt - eher ein looser als ein winner, eher ein Verlierer- als ein Siegertyp – denn wie sehr halten wir Christen uns denn an seine Worte?! Sind das denn nicht fast alles Christen, die derzeit wieder für Milliarden und Abermilliarden DM und Dollar Waffen produzieren, testen und anwenden – hätte man für diese Unsummen von Geld wirklich nicht auf andere Art Frieden auf dem Balkan fördern können?

 

Wer es also mit der Nachfolge Jesu ernst meint, der -  so ahnen die Frauen -  würde  einen  langen Atem brauchen,  würde Scheitern, Erfolglosigkeit, Anfeindung einkalkulieren müssen...Aussichten, die einen schon in Furcht geraten lassen können...

 

Und übrigens: Auch,  wenn wir auf uns selbst sehen und auf manche Gemeinden, auf  so viel  Anpassung und Limonadenhaftes im kirchlichen Betrieb heute, und wenn man hört und sieht , wie wenig Zutrauen, Freude, ja auch Stolz auf den unersetzlichen Auftrag, den wir als Kirche haben, vorhanden ist, auch dann kann man schon einmal in Furcht geraten – auch vor dem Zorn und Gericht Gottes über so viel seichtes Geseire und zum Beispiel Anhimmelung einer „Fliege“ -   kann traurig werden und verzagt  -   bis die Furcht dann doch mit einemmal und immer aufs neue in große Freude verwandelt wird und dann wirklich die Osterfreude da ist.

                                                                      

 

 

 

 

 

 

 

5

 

IV

 

„Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfaßten seine Füße und fielen vor ihm nieder.“ Die Osterfreude, die wirkliche Osterfreude – die erfüllt uns, wenn Jesus uns selbst begegnet und wir nun auch wirklich und tatsächlich wissen und sagen: Mein Herr und mein Gott! Und ihm huldigen, ihm unsere Freude und Liebe zeigen.

 

Aber kann er uns denn wirklich selbst begegnen – so daß wir ihn sehen, wirklich sehen, auch heute?

 

Ja! Die Augen können uns aufgehen für ihn – über einem Gebet, bei einer Mahlfeier, im Hören auf das Wort von ihm in der Bibel. Er selbst muß das Wunder tun und er kann es auch bei uns tun, daß Er selber uns begegnet und wir von großer Freude

erfüllt werden und es dann nicht mehr lassen können, ihn und sein Herrsein über alle Bereiche des Lebens und über den Tod zu verkündigen und entsprechend zu leben versuchen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in ihm, unserm Erlöser. Amen.  

 

 

 

 

 

Fürbitten ( wir sprechen nach jeder Bitte gemeinsam: Hilf uns, im Frieden zu leben)

 

Herr Jesus Christus,

 

du hast gesagt: den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt (Joh.14,29): Wir erbitten diese Gabe deines Friedens für uns selbst, damit wir zumindest in unseren Familien und unserer Nachbarschaft Frieden halten. Wir rufen zu dir:

 

Wir bitten dich für die Menschen, die beharrlich und geduldig Ungerechtigkeit und Verdrehung der Wahrheit bekämpfen, die im Einsatz für das Leben Anderer den Tod riskieren, deren nervliche und körperliche Strapazen kaum erträglich geworden sind.

Wir bitten dich aber auch für die, die kein Mitleid mehr kennen, deren einziges Ziel es ist, den „Feind“ zu vernichten. Wir rufen dich an:

 

Wir beten für alle, die unter den Folgen der Kriege leiden, die weinen  oder die nicht mehr weinen können; die ihre Angst fühlen oder die jedes Gefühl verloren haben; für alle Gefangenen und ihre Kerkermeister, für alle, die in Ländern leben müssen, die vom Krieg zerrissen sind und für alle, die ihre Heimat verloren haben und auf der Flucht sind. Wir bitten:

 

 

 

6

 

 

Wir beten für alle, die den Streit und den Haß anheizen; für alle, die aus dem Leid anderer ihren Profit herausschlagen; für alle, die meinen, daß Krieg unausweichlich sei. Wir rufen:

 

Herr Jesus Christus, tief verwurzelt in uns ist das Verlangen, uns durchzusetzen. Wir verteidigen unsere Ansichten, wenn wir uns ihrer schämen sollten. Wir vergleichen unsere besten Eigenschaften mit den schlechtesten unserer Gegner. Wir sind nicht bereit einzugestehen, daß unsere eigensüchtigen Wünsche zum Elend anderer beitragen. Wir bitten dich:

 

(Gebetsstille)

 

O Herr, geh mit uns an jedem Tage dieses unruhigen Lebens, bis die Schatten lang werden und der Abend naht, die rastlose Welt zur Ruhe gekommen, das Fieber des Lebens vorbei und unser Werk getan ist. Dann schenke uns, Herr, eine Bleibe in deiner Gnade, deine Ruhe und am Ende Frieden in der Herrlichkeit deines und unseres himmlischen Vaters. Amen.

 

 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.