Seid die ihr seid


Gottesdienst im Weiglehaus, 8. Sonntag nach Trinitatis, 2. August 2009


Lieder:


Die helle Sonn...EKG 339, EG 437, 1-4

Lass mich, o Herr...EKG 510, EG 414, 1+2

Reich des Herrn...EKG 478, EG 602, 1-4


Lesung: Matthäus 5, 1 - 12


Gebet vor der Predigt: Du Ewiger, nun lass meine Worte zu Deinem Wort werden. Amen.


Predigttext: Matthäus 5, 13 – 16:


Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.

So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.


Liebe Schwestern und Brüder,


ich stelle mir Jesus dort auf der grasbewachsenen Anhöhe vor, die Jünger rings um ihn gelagert, in weitem Rund darum herum Frauen, Kinder, Männer – eine große Schar: Schlichte einfache Menschen, Hausfrauen, Handwerker: Sie hören ihm atemlos zu. Und er sagt ihnen:

Ihr seid das Licht der Welt.

Ihr seid das Salz der Erde.


Sie denken: So etwas hat noch nie jemand von uns gesagt. Und sie überlegen: Kann man Größeres überhaupt von Menschen sagen? Eine höhere, eine schönere Berufung kann es für Menschen ja überhaupt nicht geben als ein Licht zu sein in düsterer Zeit und die Prise Salz zu sein, die anderen Menschen ihr fades, eintöniges Leben schmackhaft und köstlich macht.


Aber - vielleicht haben sie auch ein wenig zweifelnd den Kopf hin und her gewiegt: Meint er denn wirklich uns, ausgerechnet uns? Wir haben doch wenig Einfluss, haben keine besonderen Fähigkeiten – und auch mit unserem Glauben ist es nicht so weit her, wir werden von Zweifeln bedrängt...Meint er uns trotzdem?


Ja, meint er am Ende vielleicht gar uns hier? Dich? Und dich? Bist du das in seinen Augen: Ein helles Licht, eine Prise Salz!?


I

1. Punkt: Wer ist wie Salz? Wer ist ein Licht?

2


Unmittelbar vorher – wir haben's in der Lesung gehört – da hat Jesus ja bestimmte Menschen selig gepriesen. Sie sind es offenbar, die in seinen Augen Licht und Salz sind.


- Geistlich Arme: Also Menschen ohne große religiöse Bildung, ohne viel

theologisches Wissen von Gott. Aber Menschen, denen eines sonnenklar ist: Dass sie Bettler sind vor Gott, der liebevollen Zuwendung Gottes unendlich bedürftig. Ganz angewiesen darauf, sich von Gott beschenken, die leeren Hände füllen zu lassen - aber auch ganz bereit fdafür.


- Und Leidtragende: Leidgeprüfte Menschen, die bei dem Ewigen Trost suchen


- Und Sanftmütige, also solche, die nicht habgierig die Güter der Erde für sich ausnutzen, sondern Menschen, die in Einklang mit sich selbst sind; die es nicht mehr nötig haben, aggressiv zu sein, weder gegen sich selbst noch gegen andere noch gegen die Schöpfung, innerhalb derer sie leben.


- Und: Menschen, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten und die auch selbst gerecht handeln, etwa indem sie angemessene Preise für Waren und Lebensmittel aus der Dritten Welt bezahlen.


- Und: Barmherzige, die in dem Wissen leben:Immer wenn ich überheblich mit einem Finger auf einen andern zeige, zeigen drei auf mich selbst.


- Und solche, die ihr Herz rein zu halten suchen von Schmutz und Schund.


- Und auch solche, die sich ihren Glauben etwas kosten lassen und Nachteile oder Anfeindungen in Kauf nehmen für ihren Glauben, so wie Ken aus Uganda, von dem Rolf Zwick in der Predigt vor zwei Wochen erzählte.


Solche Menschen sind für Jesus Salz der Erde, Licht der Welt.


Salz! Und Licht! Beide haben ja eines gemeinsam: Sie erscheinen schwach, gering, unscheinbar, winzig und sind doch sehr wirkungsvoll.


II


2. Punkt: Klein - aber oho!


Bei selbstgebackenem Brot, oder, sagen wir, bei einer Sauerampfersuppe – da macht's gerade die kleine Prise. Bloss nicht - ausser man ist verliebt – versalzen! Nicht zu dick auftragen. Nicht zu vollmundig. Allzuviel ist ungesund. Gerade die kleine Prise macht's, die bringt die Würze, fördert den Eigengeschmack.


Und Licht: Das waren zu Jesu Zeiten ja keine Halogenscheinwerfer, sondern Ölfunzeln, Talglichter. Wie schwach ist solch ein kleines Licht gegen die geballte Macht der Finsternis. Und doch: Solch ein Kerzenlicht kann die Finsternis durchdringen, ins Düstere hineinleuchten - bis hinein in die verstecktesten Ecken.


Es gibt da eine schöne Geschichte, die aus den Philippinen stammen soll. Ein König will

herausfinden, welcher seiner beiden Söhne für seine Nachfolge geeignet ist. Er gibt jedem

3


fünf Silberstücke und sagt: Kauft etwas davon und füllt damit bis zum Abend die große Halle im Palast ganz aus. Der eine macht sich auf den Weg und kommt an einem Feld vorbei, wo Arbeiter gerade Zuckerrohr ernten. Das ausgepresste wertlose Stroh, das ist

geeignet, denkt er und lässt den Raum damit vollstapeln. Der andere Sohn tut

garnichts. Erst als es dunkel geworden ist, lässt er den Raum leerräumen. Dann stellt er mitten da hinein eine Kerze. Sie durchleuchtet und erfüllt mit ihrem wärmenden

Schein die ganze Halle bis in die letzten Winkel hinein


Die Geschichte ist, wie wir uns denken können, ein Gleichnis für Jesus, das Licht der Welt, der in die verborgensten Nischen des Lebens hineinleuchtet und die Halle der Welt mit seinem Licht erfüllt. Und wenn wir auf dieses Licht sehen, dann wird es in unserm Inneren auch heller.


Von Kurt Marti, dem Schweizer Pfarrerdichter, der inzwischen fast 90 ist, gibt es ein Buch, dem er den herrlichen Titel gegeben hat: Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde. Darin findet sich auch ein Gedicht von zwei Zeilen. Die erste Zeile, mit Großbuchstaben gedruckt: MENSCH GERNEGROSS. Darunter in ganz kleinen Buchstaben: Gott gerneklein.


Wir Menschen sind gerne groß. Wollen wer sein, füllen die Räume des Lebens mit nutzlosem Zeug an - und zahlen noch dafür. Gott ist ein Gerneklein. Gott - das verzehrende Feuer, vor dessen Strahlenglanz man erblindet und vor dessen Hoheit und Majestät man vergeht, wenn man nur den Saum seines Sternenmantels erblickt – er wird um unsertwillen ein kleines Licht. Gibt sich uns hin, ohne dass wir ihm etwas dafür geben müssten oder könnten, schenkt sich uns, gibt unserem Leben Geborgenheit, erhellt die dunkle Welt und deckt das Verborgene auf.


Jesus: das Licht der Welt. Ein einfacher Wanderprediger, ein an einem Kreuz Hängender, ein Verstoßener, zutiefst Verachteter und Entehrter – und doch: Was für unabsehbare Wirkungen sind von ihm ausgegangen, wieviel Licht, Wärme, Trost und Erleuchtung - auch für dich und dein Leben.


Gott Gerneklein. Jesus: Klein, aber oho!


Und das gilt dann auch für unser Tun in seiner Nachfolge. Scheinbar wenig und gering an Kraft und Zahl – aber wie wirkungsvoll! Man kann viel gegen die Kirche und die Christen einwenden – aber da gibt's auch das andere: Welch eine Fülle von Licht und Liebe, Geduld und Trost, Befreiuung und Mut geht Tag für Tag in der ganzen Welt von Christen aus! Sie mögen unscheinbar sein und gering geachtet - aber wie wirksam!


Sie sind - auch dies sagt Jesus in den Bildworten vom Salz und Licht – ganz unersetzlich, entscheidend wichtig. Gäbe es kein Licht, dann gäbe es auch kein Leben. Und: Hätten wir kein Salz, würden die meisten Lebensmittel fade schmecken, viel weniger genussvoll.


Und es klingt vielleicht auch dies an: Wir sehen Salz als etwas Selbstverständliches an, es kostet fast nichts. 19 Cent ein Pfund. Frühere Zeiten aber wussten, wie kostbar Salz ist. Die Botschaft, unser Auftrag als Christen: Überaus kostbar!


Und: Salz bleibt: Es löst sich im Wasser auf -aber wenn das Wasser verdunstet, ist das Salz noch und wieder da.


4


Wir Christen in der Nachfolge Jesu: Kostbar - unersetzlich - entscheidend wichtig? Und,

wo alles andere vergeht – wir bringen bleibende Frucht?


Ja - allerdings nur dann, wenn dies Sprichwort in unserer Kirche Gültigkeit behält oder wieder bekommt. Schuster, bleib bei deinem Leisten. Kirche, bleib unbeirrbar bei dem

Auftrag, den der Herr der Kirche und der Welt dir gegeben hat: Das Evangelium

mitzuteilen. Suche nicht viele Künste, sondern tu' und sage das Eine, das not ist. Schwäche die Worte Jesu nicht ab!


Zum Beispiel: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Hier geht kein sowohl - als auch, sondern nur ein entweder - oder. Denn beide beanspruchen uns ganz. Entweder wir tanzen mit ums Goldene Kalb, Finzanzen sind 1. Tagesordnungspunkt - oder wir stehen – wie einst ein Zinzendorf – vor dem Bildnis des Gekreuzigten und hören ihn sagen: Das tat ich für dich – was tust du für mich?! Und folgen dann ihm und seinen Worten strikt und kompromisslos. Etwa seinem Befehl: Wendet euch den Feinden liebevoll zu, tut Gutes denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen. Redet mit den Taliban, bietet Gespräche an. Gebt das Geld, das Ihr für Rüstungsprojekte verbraucht, für Projekte, die der Gerechtigkeit und dem Leben dienen. Den Krieg in Afghanistan lassen sich die USA Tag für Tag jeden Tag 100 Millionen Dollar kosten - und was bekommen sie dafür? Hass, und Kriegsgewinnler der Rüstungswirtschaft, und vor allem Tote.


Und hier bei uns in Deutschland: Ich begreife nicht, wie wir als Kirche nicht ständig lauthals schreien: Heraus aus Afghanistan! Wir haben da nichts zu suchen! Und ich höre auch nirgends das öffentliche Schuldbekenntnis gegenüber unseren irakischen Mitchristen: „Es ist unsere Schuld, ist Folge verfehlter, gewalttätiger westlicher Politik, dass jetzt -zigtausende von Euch Christen im Irak in Angst leben, verfolgt werden, fliehen und ihre Heimat, ihre Familien, ihre Gemeinden verlassen müssen“.


In der 5. Barmer These dere Bekennenden Kirche von 1934 heisst es: Die Kirche vertraut und gehorcht allein der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt. Die unerhörten Worte der Propheten und Evangelien dürfen wir nicht abschwächen.


III


Der Theologe Eberhard Jüngel hat vor einiger Zeit einer Predigt von ihm den Titel gegeben: Vom Stolz des Glaubens


Das ist mein 3. Punkt: Vom Stolz des Glaubens


Lasst euer Licht leuchten! sagt Jesus. Seid wie Jerusalem, die Stadt auf dem Berge, die hochgebaute Stadt - die im Dunkel der Nacht weithin in die Lande leuchtet. Und: Stellt euer Licht nicht in falscher Bescheidenheit unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter!


Das tut man nur, wenn man stolz ist – nicht auf sich, sondern auf das Licht, auf den Auftrag!


Die sog. distanzierten Christen, die wir immer gewinnen wollen – die verachten uns, wenn wir alles mögliche anbieten, aber den Eindruck erwecken, als trauten wir unserer eigentlichen Botschaft nicht mehr.


5


Noch einmal: Nicht auf uns sollen wir stolz sein, nicht in dem Sinne: Tue Gutes und rede darüber, so wie es die Sponsoren tun. Sondern stolz auf die Botschaft, die uns anvertraut

ist, und darauf, wie kostbar wir Gott sind, wieviel er an uns gewendet hat.


Darum lasst das euch anvertraute Licht, das Licht Jesu Christi, leuchten vor den Leuten,

damit es hell wird in ihnen und um sie herum, sie erleichtert aufatmen und Geschmack am Leben finden – und für all die Wohltaten, die ihnen von euch zuteil werden, euren Vater im Himmel preisen. Amen.