Gottesdienst im Weiglehaus am 3. Sonntag nach Epiphanias

25. Januar 2009



Lieder:


Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all...EKG 189

Nun lasst uns Gott, dem Herren, Dank sagen...EKG 227, 1 - 4+8

Stern, auf den ich schaue...EKG 527


Schriftlesung: Römer 1, 16 - 17


Gebet vor der Predigt:


Herr Jesus Christus, von einer jüdischen Mutter bist du geboren, aber du warst voller Staunen über den Glauben einer syrischen Frau und eines römischen Soldaten. Die Griechen, die dich suchten, hast du freundlich aufgenommen und ein Afrikaner trug dein Kreuz. Wir danken dir, dass du auch uns zu dir rufst. Gib, dass wir jetzt voller Zutrauen zu dir kommen und dass die Begegnung mit dir uns befreit und uns froh und dankbar macht. Amen.


Dienmütig glauben


Predigt über Matthäus 8, 5 – 13:


Als Jesus nach Kapernaum hineinkam, trat ein Hauptmann zu ihm, der bat ihn und sprach:

Herr, mein Knecht liegt gelähmt in meinem Hause und hat furchtbare

Schmerzen.

Jesus fragte ihn: Ich soll kommen und ihn gesund machen??

Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst. Aber sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

Denn auch ich bin einer, der Befehle ausübt und habe Soldaten unter mir, und wenn ich zu einem sage: Geh dorthin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Sklaven: Tu das!, so tut er's.

Als Jesus das hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten:

Wahrhaftig, solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden.

Und ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und zu Tische liegen mit Abraham und Isaak und Jakob im Reich der Himmel;

aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen werden in die

Finsternis; dort wird Wehklagen und Grauen sein.

Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin. Wie du geglaubt hast, soll dir geschehen.

Und sein Knecht wurde gesund zur selben Stunde.


Liebe Gemeinde,


diese Geschichte kennen wir unter der Überschrift „Der Hauptmann von Kapernaum“. In

der Tat: Sie malt uns den vorbildlichen Glauben eines heidnischen Offiziers vor Augen.

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Und doch wird unser Blick nicht in erster Linie auf diesen Menschen gerichtet, sondern auf Jesus. Um ihn geht es, er steht im Mittelpunkt, zu ihm sollen wir gehen. In starkem, selbstbewußtem Glauben Alles von ihm erwarten, auch das Wunder der Heilung eines Menschen, für den wir bitten - darum geht es.


Dieser Hauptmann hier, der mit seiner Hundertschaft in Kapernaum – Grenzort damals, Zollstation, immerhin ca. 1000 Einwohner zur Zeit Jesu - stationiert ist, der ist offenbar kein Leuteschinder. Er kümmert sich um seine Untergebenen, konkret hier um seinen Leibknecht, der, gelähmt, unter schlimmen Schmerzen leidet. Im griechischen Urtext steht hier für „Knecht“ übrigens ein Wort, das zugleich „Kind“ bedeutet: Er hat also ein geradezu väterliches Verhältnis zu ihm, höchst erstaunlich in einer Zeit, in der Sklaven nichts galten. Lukas in seiner Version dieser Geschichte sagt sogar noch betonter, dieser Knecht sei ihm „lieb und wert“ gewesen und fügt hinzu, der Hauptmann habe das jüdische Volk liebgehabt (!) und sogar den Bau einer Synagoge in Kapernaum finanziert (!!). Ein höchst erstaunlicher Mensch also: Unkonventionell, freigebig, ein Mensch mit gesundem Selbstvertrauen, sonst würde er sich nicht so über Konventionen hinwegsetzen.


Nun mein 1. Punkt: Zu Jesus hingehen


Wer von Jesus etwas haben will, der muss – ganz klar - erstmal zu ihm hingehen. Der Offizier nimmt uns mit zu ihm hin. Er hat gehört: Dort oben auf dem Berghügel, von dem man eine herrliche Aussicht auf den See Genezareth und den Ort Kapernaum hat – manche von Euch kennen die Aussicht - dort hat ein Wanderprediger namens Jeschua, zu deutsch „Gott hilft“, “Gott rettet“, eine „Bergpredigt“ gehalten. Und die hatte Wirkung! Matthäus beschreibt sie im Vers vor unserm Predigttext so: „Das Volk aber entsetzte sich über seine Lehre, denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten (Mt.7,28f). „Nicht wie die Schriftgelehrten“. Ich habe als Prediger oft an diesen Satz

denken müssen. Die Schriftgelehrten – das waren die, die so übliche Predigten hielten, Predigten, die keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken (und ich hoffe inständig, meine Predigt jetzt gehört nicht dazu). Jesu Predigt dagegen war gewaltig, und die Zuhörer mögen ganz erschüttert Worte dieser Predigt auch dem Hauptmann weitergegeben haben, dike Sdeligpreisungen vielleicht, oder auch dieses Wort Jesu: „Bittet, so wird euch gegeben“.


Der Centurio denkt: Gut. Ich nehme Jesus beim Wort.


Er geht ihm also entgegen, als der, umgeben von Jüngern und einer Menschengruppe – vom Berg herabkommt, und die Beiden begegnen sich.


So also fängt unser Glaube an: Zu Jesus hingehen.


Und in welcher Haltung?


2. Jesus Unglaubliches zutrauen


Der Römer begrüßt den einfachen Juden Jesus mit der Anrede “Herr“, griechisch: „kyrios“, ein Ausdruck der Hochachtung, ja der Ehrfurcht. So redet ein Sklave seinen Herrn an, ein Niedriger einen hoch über ihm Stehenden, ein Hilfsbedürftiger Armer einen reichen Machthaber. Und wenn wir ihn „Herr Jesus“ nennen, dann sagen wir: Du bist Herr – auch über diesen Gottesdienst. Auch über die bösen Mächte. Über die Krankheiten.

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Über den Tod.


Der Hauptmann bittet: Herr, hilf meinem Knecht.


Herr, hilf! Das kürzeste, das elemenarste aller Gebete. Ich vergesse nie, wie mir einmal ein Presbyter erzählte, er habe nach der Diagnose „Krebs“ oft und oft nur diese zwei Gebetsworte hervorgestoßen. Er war lange und schwer krank, wunderbar betreut von seiner Frau. Auch sein Sterben scheint schwer gewesen zu sein, ein langes Ringen und Röcheln. Aber was wissen wir schon, was im Sterben geschieht. Ich glaube, er ist in einen wunderbaren Frieden hinein gestorben. Dies jedenfalls weiss ich von ihm: Er hatte einen Glauben, der mir vorbildlich war, einen Glauben, der schliesslich ganz nahe mit Jesus in Gethsemane war. Hat Jesus sein Gebet: Herr, hilf! erhört? Ja, gewiss. Auch wenn er anfangs sicher die Erfahrung machte, die jeder Beter macht: Dass Jesus nicht gleich folgt.


So wie auch bei diesem Beter hier: Jesus weist ihn zunächst anscheinend ab: Ich, ein Jude, soll zu dir, einem Heiden, ins Haus kommen? Das tat ein frommer Jude nicht, die Heiden galten als unrein.


Der Offizier aber weiss eine pfiffige, eine entwaffnende und absolut einleuchtende Antwort. Eine Antwort, ganz ähnlich, wie Jesus sie übrigens bei einer anderen Begegnung bekam, nämlich von der ebenfalls heidnischen, der kanaanäischen Frau, die für ihre Tochter bat – die Geschichte mit den Hündlein (Mt 15).


Der Hauptmann kennt sich aus in den militärischen Strukturen von Befehl und Gehorsam. Für ihn ist klar: Ein Befehl wird ausgeführt. Da gibt’s kein Wenn und Aber. Und es ist keine Frage für ihn: Wenn das bei mir funktioniert, dann erst recht bei dir, Jesus. Also wendet er sich an ihn mit den Worten, die zu den meistzitierten auf der Erde gehören. In jeder Messfeier antworten unsere katholischen Mitchristen auf die Einladung zur Kommunion fast wortwörtlich mit den Worten dieses Offiziers: Herr, ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach gehst, aber sprich nur ein Wort, so wird – und nun heisst es: meine Seele – gesund. Nicht wahr, wenn man das bewusst sagt: Was für ein Glaube, was für ein Zutrauen steckt dahinter!!


Sprich – und was du sagst, geschieht. Das kennen wir. Das wird von Gott dem Schöpfer des All gesagt. „Es werde Licht! Und es ward Licht“. - „Wenn er spricht, so geschieht's, wenn er gebietet, so steht's da“. Psalm 33 Vers 9. Gottes Wort ist ein Tuwort, es geschieht! Genauso - so glaubt der Hauptmann uns zum Vorbild – genauso ist es mit Jesu Worten.


Er glaubt mit einem ganz starken Jesusvertrauen. Er glaubt


3. in dienmütigem Glauben.

So möchte ich seinen Glauben nennen, weil das Wort „de-mütig“ ja so mißverständlich ist; aber es bedeutet in Wahrheit: So mutig, so selbstbewußt sein, freiwillig dienen zu wollen – und darin auch für sich selbst Freiheit und Lebensfülle zu finden. Ein dienmütiger Glaube, das ist ein Glaube, dem andere Menschen wichtig sind, dem die Not Anderer ans Herz greift, besonders solcher Menschen, die wenig gelten; ein Glaube, der so frei ist, für andere Menschen Mühen auf sich zu nehmen, der freigebig in jeder Hinsicht ist, eben

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auch mit Geld großzügig umgehen kann.


Einen solchen Glauben kann eigentich nur einer haben, der sich bejaht, geliebt weiss – und eben dies scheint der heidnische Hauptmann im jüdischen Glauben gefunden zu haben.


Weil du so wert geachtet bist in meinen Augen, bist du auch herrlich, und ich habe dich lieb“. Dieses Wort, das Gott durch den Propheten Deuterojesaja (Jes. 43,4) zu Israel sagt, das ist ja geradezu die Quintessenz des jüdischen, des biblischen Glaubens – und es gilt seit Jesus und durch Jesus auch dein Heidenvölkern, auch dir und mir: „Weil du so wert geachtet bist in meinen Augen, bist du auch herrlich und ich habe dich lieb!“


Reißt uns das jetzt hier vom Stuhl? Diese unerhörte Liebeserklärung?


Ach, wir haben sie vielleicht schon zu oft gehört, und sie hat sich abgeschliffen. Sicher können Heiden, die noch nichts vom christlichen Glauben gehört haben, viel mehr ins Staunen geraten über solch eine Liebeserklärung des ewigen Gottes, als Menschen, denen dies Unerhörte fast eine Selbstverständlichkeit geworden ist. „Ich?? Hochgeachtet in den Augen des Schöpfers des All? Ich, der ich doch so Einiges von mir weiss und so allerhand verberge – ich herrlich?? Wie sehr werden sie den, der sie mit all ihrer Unwürdigkeit so liebhat, wieder lieben! Wie werden sie von ihm nun vieles erwarten und ihm alles zutrauen - so wie dieser Hauptmann.


Solchen Glauben, sagt Jesus verwundert zu denen, die ihm nachfolgen, den habe ich in Israel nicht gefunden.


Und dann ein Satz, der auch uns entsetzen muß:


Viele werden kommen von Osten und von Westen,

und mit Abraham und Isaak und Jakob im Reich der Himmel zu Tische liegen,

aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis,

dort wird Grauen und Wehklagen sein.


Die von Osten und Westen – das sind die Heidenvölker, die Ungläubigen. Denen verheisst Jesus, im himmlischen Leben, im himmlischen Freudenmahl Ehrengäste zu sein.


Die Kinder des Reichs, das sind die, die sich erwählt wissen, die singen und sagen, wie auch wir hier in jedem Gottesdienst: Erwählt! Wir sind erwählt, sind durch Jesus Geliebte Gottes. Denen gilt diese im Grunde furchtbare Warnung Jesu. Denn auch das, was er hier mit dem Wort „Finsternis“ meint ( in der Offenbarung ist es der „feurige Pfuhl“), auch das gibt es ja: Leben in ewiger Verlorenheit und Gottesferne. Und, nicht wahr, das ist unausdenklich grauenvoll.


Nun, wir dürfen im Glauben gewiß sein: Jesus hat uns von solchem „zweiten“,„ewigen“ Tod durch seinen Tod am Kreuz errettet. Wir dürfen ganz gewiß sein: Er führt uns durchs Sterben hindurch in sein Licht.


Und doch: Jesus warnt uns hier auf jeden Fall davor, die Erwählung, die Erlösung zu selbstverständlich zu nehmen. Er warnt uns vor einer Erlösungs-Sicherheit.


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Ich habe heute morgen noch überlegt: Wie würde ein messianischer Jude, der diese Worte heute liest oder hört, sie verstehen? Müßte er nicht denken: Die augebombten Palästinenser im Gazastreifen – und deren Leben ist ja keinen Deut weniger wertvoll als das eines Israelis - denen verheisst Jesus also die Teilnahme am himmlischen

Freudenmahl? Und mir, der ich mich von Jesus erwählt und geliebt weiss, mir gilt seine

Warnung?!


Und wir hier? Welche Beipiele fallen Dir ein? Auf jeden Fall warnt Jesus uns davor, uns auf uns und unseren Glauben etwas einzubilden, in dem Sinne: Ich danke dir, gnädiger Gott, dass ich nicht so bin wie der oder der...


Der demütige Glaube dagegen sagt: Nichts hab ich zu bringen – alles, Herr, bist du.


Das ist es. Staunen, wie sehr wir durch Jesus der Liebe Gottes in Zeit und Ewigkeit gewürdigt werden - wo wir ihrer doch überhaupt nicht würdig sind. Staunen darüber, wie unendlich lieb und wert wir ihm sind, so sehr, dass er, der Herr, sich so tief demütigt und erniedrigt und für uns Kreuz und Tod auf sich nimmt, damit wir das Leben hätten, ewiges Leben als Geschenk, Teilhabe am himmlischen Freudenmahl.


Wem dieser Glaube geschenkt wird, der ist wahrhaft frei. Er wird sich nicht mehr etwas auf sich einbilden, schon garnicht auf seinen Glauben. Er ist frei, mutig und

unkonventionwell zu dienen. So wie's mein Konfirmationsspruch sagt, den ich sehr mag, Galater 5, 13: Ihr seid zur Freiheit berufen, allein seht zu, dass ihr die Freiheit nicht für euch selbst mißbraucht, sondern durch die Liebe diene einer dem andern.



Dir geschehe, wie du geglaubt hast, sagt Jesus.


Klar ist jetzt: Er meint gerade nicht: Weil du so stark geglaubt hast, wird dein Knecht geheilt werden. Dann wäre der Glaube ja wieder eine Leistung. Aber er ist Geschenk. Ganz und gar reines Geschenk, allerdings kein Schmuckstück, sondern ein täglich neu aus Gottes Hand anzunehmendes und zu nutzendes Gebrauchsgut. Es ist das Geschenk des Geistes Gottes, dass wir Jesus Alles zutrauen und erkennen: Ihm verdanke ich alles.


Solch ein Glaube ist das eigentliche Wunder. Ein Wunder ist es auch, wenn ein Mensch auf unsere zuversichtliche Bitte hin von Jesus geheilt wird. Solche Fernheilungen gab und gibt es. Das ist uns Heutigen vielleicht sogar weniger zweifelhaft und unglaublich als den Zeitgenossen Jesu damals. Solche Wunderheilungen bewirkt Jesus auch heute. Trauen wir ihm das nur zu und bitten wir ihn so inständig, wie der Hauptmann für seinen Knecht betet, weil ihm dessen Schmerzen so zu Herzen gehen.


Aber das eigentliche Wunder ist, wenn einem Menschen solch ein wunderbarer Glaube

geschenkt wird. Und deshalb beschliesse ich meine Predigt mit dem Segenswunsch, mit dem einst Martin Luther seine Predigt über diesen Text beendete: „Gott verleihe uns seinen heiligen Geist, der solche Zuversicht auf die Gnade durch Christum in unseren

Herzen auch erwecken und also uns zur Seligkeit führen kann“. Amen