Gottesdienst am 3. Advent, 15. Dezember 2002

 

Lieder:

Mit Ernst, o Menschenkinder...10

Tröstet, tröstet, spricht der Herr..15

Wie soll ich dich empfangen...11, 4-7

Komm, o mein Heiland Jesus Christ...1, 5

 

Psalm: 85

Lesung: Jesaja 40, 1 - 8

 

 

Liebe Gemeinde,

 

Johannes der Täufer!

 

Den einigermaßen Bibelkundigen unter uns stellen sich bei diesem Namen vor allem drei Szenen vor Augen:

 

1.      Johannes in der Wüste! Die Evangelien erzählen von ihm: Als Kleidung trug er ein Kamelhaarfell, von Heuschrecken und wildem Honig ernährte er sich. Als  Gerichtsprophet trat er auf: Der Zorn Gottes wird sich über euch entladen, rief er denen zu, die zu ihm kamen, Gottes Gericht wird euch treffen, wenn ihr nicht Buße tut, wenn ihr nicht umkehrt zu einem Leben in  Ehrfurcht vor Gott und seinem Wort! So wie wenn ich heute rufen würde - und ich bin überzeugt: auch das ist mein Auftrag in einer Gesellschaft, die die islamischen Völker mit einigem Recht für gottlos und verdorben halten – so wie wenn ich heute rufen würde: Gottes Geduld mit euch ist fast zu Ende, hört auf mit eurem gottlosem Lebenstil, kehrt um zu einem Leben, das Gott und seine Gebote ernst nimmt. Wenn nicht, werdet ihr alle umkommen.

 

Und auch dies sagte er in seinen Predigten in der judäischen Wüste: Ich selber, ich bin im  Grunde nichts als ein Vorläufer, ein Herold für einen, der bald kommen wird, ein Wegbereiter für einen, der über die Maßen machtvoll und gewaltig auftreten wird.

 

2.      Zweite Szene: Johannes am Jordan!  Viele Menschen am Flußufer. Sie haben eingesehen: So wie sie leben, geht es nicht weiter. Sie wollen sich ändern, wollen ihr Leben reinigen von Aggressivität, Geiz, Habgier, Gottlosigkeit. Zum Zeichen der Buße lassen sie sich im Jordanfluß taufen.

 

Und dann, eines Tages, kommt von der Anhöhe herab eine einzelne Gestalt, reiht sich ein in die Schar derer, die sich taufen lassen wollen, wartet geduldig.

 

Dann steht er vor dem Täufer, der erkennt ihn: Du – ich müßte doch von dir getauft werden, du bist der Heilige, ich der Sünder, Du der sehnlich Erwartete, ich der, der dich angekündigt hat. Aber Jesus sagt ihm: Laß es so geschehen, so werden wir die Gerechtigkeit Gottes erfüllen – die Gerechtigkeit Gottes, die darin besteht, daß er, der Unschuldige, sich zu den Schuldigen gesellt; die Gerechtigkerit Gottes,die sich darin vollendet, daß er das Urteil über die Schuld

 

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der Menschen, auch über unsere Schuld, an unserer Stelle und für uns tragen wird.

 

Dritte Szene: Johannes und Herodes!  König Herodes  hatte die Herodias, die Ehefrau seines Bruder genommen. Johannes – mutig wie ein Pfarrer Paul Schneider oder andere Bekenner im Dritten Reich - hatte den Ehebruch öffentlich angeprangert, hatte den König angeklagt, die heiligen Gebote Gottes übertreten zu haben. Herodes hatte ihn daraufhin verhaften und ins Gefängnis werfen lassen.

 

Der König hat Geburtstag. Salome, die schöne Tochter der Herodias, tanzt in durchsichtigen Gewändern vor ihm. Und der, völlig von Sinnen, sagt zu ihr: Wünsche dir, was du willst, ich werde es dir geben. Da fordert sie auf Geheiß ihrer Mutter den Kopf des Johannes.

 

Der für heute vorgeschlagene Predigttext berichtet von einem Geschehen kurz vorher. Johannes, gefangen in den Verliesen der Festung Machärus, durfte offenbar immerhin Besuch von seinen Jüngern empfangen.

 

In Matthäus 11 heißt es in den Versen 2 – 6:

 

Als aber Johannes im Gefängnis von den Taten Christi hörte, sandte er einige seiner  Jünger zu ihm

und ließ ihn fragen: „Bist du wirklich der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“

Jesus antwortete ihnen: Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr hört und seht:

„Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden gesund, Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird frohe Botschaft verkündet;

und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert“.

 

Johannes hatte ihn am Jordanfluß erkannt – ihn, von dem er gesagt hatte: Ich taufe euch mit Wasser, aber nach mir kommt einer, der wird euch mit Feuer taufen! Und: Ich bin nicht wert, ihm auch nur die Schuhe nachzutragen! Und: Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen (dies war übrigens der Konfirmationsspruch unseres früheren Presbyters Werner Matysik) (Mt.3, 11; Joh. 1, 27; 3, 30).

 

Johannes hatte von Jesu Taten gehört, man hatte ihm berichtet, wie er einem Gelähmten die Sünden vergeben und ihn dann auch körperlich geheilt hatte, wie er die im Todesschlaf liegende Tochter des Jairus auferweckt hatte, wie er Blinden die Augen geöffnet und Stummen die Zunge gelöst hatte – aber jetzt, wo er im Finstern liegt, angekettet, mundtot gemacht, jetzt nagen Zweifel an ihm: Bist du wirklich der, dessen Kommen ich angekündigt habe, der Gewaltige, der sehnlich erwartete Messias, der, von dem die Propheten – in Jesaja 35 nachzulesen – gesagt hatten: Wenn er kommt, dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die  Zunge der Stummen wird frohlocken...Johannes hatte von einzelnen Wundern durch Jesus gehört -  aber...war nicht im Grunde doch alles beim Alten geblieben? Die Machthaber taten doch weiter, was sie wollten...So wie heute etwa der Amerikaner Bush, der, statt weltwirtschaftliche Gerechtigkeit zu fördern und das Klima zu schützen, wie weiland Kaiser Augustus offenbar auf Frieden durch militärische

 

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Gewalt setzt und dabei das Wort Jesu vergißt: Wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen (Mt. 26, 52).

 

Johannes will eine authentische Auskunft, er läßt Jesus selbst ganz direkt fragen: Bist du der Erwartete? Oder müssen wir weiter warten?

 

Und Jesus antwortet nicht klar, sondern sagt in verschlüsselter Weise: Die Zeichen des messianischen Reiches geschehen jetzt, Menschen werden heil...Aber er sagt ihm nicht: Ich bin’s.

 

Erst unmittelbar vor seinem Kreuzestod, als der Hohepriester ihm dieselbe Frage wie Johannes stellt, da wird er sagen: Ich bin’s (Mk. 14, 62). Hier aber fügt er seiner Antwort eine merkwürdige Seligpreisung hinzu: Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. Glücklich der, der nicht an mir irre wird.

 

Bist du’s? Oder müssen wir weiter warten? Das ist die Frage, die den Juden Johannes quält, es ist die Frage der Juden bis heute und die allermeisten von ihnen, falls sie überhaupt religiös interessiert sind, sagen: Wir müssen noch warten, der Messias wird erst noch kommen. Ob Johannes in seinen Zweifeln blieb?

 

Oder ob er, wie der alte Simeon im Tempel, vor seinem Tod sagen konnte: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden sterben, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, ein Licht zur Erleuchtung der Völker und zum Preise deines Volkes Israel.“?

 

Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Er wurde  gewaltsam umgebracht – wie auch der, dessen gewaltiges Kommen er angekündigt hatte.

 

Bist du’s, der ersehnte Retter, der Erlöser? Oder müssen wir weiter warten? Auf einen, der auf deutlichere, auf offensichtlichere Weise den Armen Recht schafft, den Völkern den ersehnten Frieden bringt und den Kranken Heilung?

 

Wir möchten gern Zeichen sehen. Aber wo sind sie? Wo springen die Lahmen wie ein Hirsch und wo fangen Menschen, die verstummt sind, voller Freude an zu sprechen und zu singen? Wo bekommen Arme nicht nur zu hören, sondern auch zu schmecken und zu spüren, was sie hoch erfreut?

 

Wir wollen Zeichen sehen. Aber er verweigert sich unserer Forderung oder auch Bitte nach offensichtlichen Zeichen. Merkwürdig: Immer hat er den Menschen, die er heilte, gesagt: Dein Glaube hat dir geholfen. Auf Glauben kommt ihm offenbar alles an, allein auf den Glauben.

 

Warum nur? Weil allein das Vertrauen zu ihm, das gelebte und in Krisen oder auch Zweifeln durchgehaltene Vertrauen zu ihm uns die Ohren und die Augen für ihn öffnen kann. Wer ihm nicht vertraut, wird nichts sehen. Wer sich aber einläßt auf ihn und seine Worte, der kann zahlreiche Wunder erleben, eine Fülle von Trost, neue Kraft, Befreiuung, Freude, Lebenssinn...

 

 

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Bist du der erwartete, der von Gott verheißene Retter und Erlöser? Oder müssen wir weiter warten, womöglich bis zum St. Nimmerleinstag? Nein! Es wird keinen anderen Erlöser geben, es kann keinen anderen geben und ich will auch keinen  anderen als ihn. Denn ich weiß: Wundervoller, anbetungswürdiger kann der Erlöser Gottes garnicht kommen als so, daß Gott in ihm ganz nach unten geht, ins Unscheinbare hinein, auf nichts als auf die verzeihende, sich hingebende, sich aufopfernde Liebe setzend. Anders kann und wird es keine Erlösung geben, anders kann und wird kein Recht und kein Friede unter den Völkern werden als allein durch den gelebten Glauben an ihn.

 

Glückselig, sagt er, wer sich nicht an mir ärgert, wer an mir nicht irre wird, glückselig, wer sein Leben auf mich und meine Worte baut, glückselig, wer mein Jünger bleibt.

 

Bevor er in den Tod am Kreuz ging, hat er seinen Jüngern einmal eine merkwürdige Frage gestellt. Er hat sie gefragt: Habt ihr in meiner Nähe eigentlich jemals Mangel gehabt? (Lk. 22, 35). Und da haben sie ihm geantwortet: Nein, Herr. Niemals.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.

 

 

 

 

Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.