Gottesdienst am 28. Januar 2007, Letzter Sonntag nach Epiphanias,

im Weiglehaus


Lieder:


Morgenglanz der Ewigkeit...

Erneure mich, o ewigs Licht...

Gott des Himmels und der Erden...Str. 5 - 7


Lesung: 2. Kor. 4, 6-10


Predigt über Matthäus 17, 1 - 9:


Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.

Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!

Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.

Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.


Liebe Gemeinde!


Ich weiß noch gut, wie unsere Kinder, als sie noch klein waren, von einem Fest auf das nächste hin lebten. Kaum war das Erntedankfest vorbei - und das wurde und wird bei uns auch zu Hause in der Familie üppig gefeiert mit eigenem Obst und selbst gezogenem Gemüse in den Körben und auf den Tellern - kaum also war das Erntedankfest vorüber, da richteten sich die Blicke schon auf St. Martin und Laternen wurden gebastelt, und dann kam schon der Advent, ebenfalls mit viel Basteln, Backen und Vorlesen, und dann war Weihnachten, und dann - unsere vier Kinder haben alle zwischen Ende Dezember und Anfang Februar Geburtstag - dann freute man sich auf die Geburtstagsfeiern, und dann kam bald schon Rosenmontag mit dem Verkleiden und danach richtete sich der Blick auf Ostern, und dann auf die Geburtstage der Eltern, und dann kam schon die Vorfreude auf die Sommerferien...Leben von Fest zu Fest.


Und ist es bei uns Großen nicht ähnlich? Wir freuen uns auch auf besondere Tage: Auf Feiertage, Urlaub, Familienfeste, und wir zehren lange von besonders gefüllten und erfüllten Tagen oder Erlebnissen: Theater- oder Konzertabende oder auch Naturerlebnisse, etwa der Blick in die Weite von hohen Bergen aus mit klarer Sicht, über uns nur der blaue Himmel.


Auch unsere Gottesdienste können und sollen solche Höhepunkte im Leben sein: Erfüllte Zeiten, Begegnungen mit Gott am Sonntag - nachdem wir gleichsam aus den Tälern, den Niederungen des Lebens hinaufgestiegen sind, dorthin, wo wir Klarheit für unser Leben

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gewinnen und etwas von der Herrlichkeit Jesu Christi erkennen, um dann, mit neuem Vertrauen auf ihn und seine Führung, wieder herabzusteigen in die Täler, die Niederungen, den Alltag.


Und damit ergibt sich nun auch meine Predigtgliederung: 1. Hinauf auf den Berg - 2. Oben auf der Höhe - 3. Hinunter ins Tal.


1. also: HINAUF AUF DEN BERG


"Und nach sechs Tagen (am siebten Tag also, dem Tag der Sabbatruhe Gottes) nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg" .


Die Forscher vermuten, es war der Berg Tabor in der Jesreelebene. Einige von Euch werden schon dort oben gewesen sein - wie auch ich noch Anfang April letzten Jahres mit einer Reisegruppe - dort oben, wo jetzt eine Kirche der Franziskaner steht.


Berge! Berge Gottes! Der Theologe Helmut Lamparter hat ein Buch geschrieben mit diesem Titel.


Da zählt er sie alle auf und beschreibt, was auf ihnen geschieht:


- Ararat, der Berg, wo Noahs Arche landet und Gott einen Bund mit Mensch und Tier unter dem Zeichen des Regenbogens schließt (gerade war der Text wieder dran in der "Fortlaufenden Tageslese") (1. Mose 8)


- Morija, der Berg der Glaubensbewährung, wo Abraham in unfaßlichem Gehorsambereit war, seinen einzigen Sohn hinzugeben (Gen.22)


- Sinai, der Berg der Gebote; der Berg, auf dem Mose zu Gott sagtt: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!" und Gott antwortet: "Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht" (Ex.33).


- Dann der Berg Nebo, wo Gott dem Mose unmittelbar vor dessen Tod die Weite des verheißenen Landes zeigt (5. Mose 34)


- Der Karmel, auf dem Elia den Götzenkult der Baalsprieser ausrottet (1. Könige 18)


- und der Berg Horeb, auf dem derselbe Elia Gott in der Stille begegnet (1. Könige 19)


Und im Neuen Testament dann:


- Der Berg der Seligpreisungen mit den radikalen und herrlichen Worten der Bergpredigt,


- der Ölberg, wo Jesus über Jerusalem weint und von dem herab er dann auf dem Esel in die Stadt Jerusalem einzieht,


- und - "höher als alle anderen Berge" und einzigartig: Golgatha, wo Jesus am Kreuz stirbt.


Nur wenige Wochen vorher geschieht das, wovon unser Predigttext erzählt, die Verklärung

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Jesu. Man kann sich vorstlen, wie Jesus mit seinen Jüngern dort den Berg hinauf steigt. Und was dann


2. OBEN AUF DER HÖHE


geschieht, das überliefern die vier Evangelien in unterschiedlichen Worten.


Matthäus schreibt: "Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht" .


Bei Markus heißt es: "Seine Kleider wurden hell und sehr weiß, wie sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann".


Und Lukas schreibt von Jesus dort oben: "Und als er betete, wurde das Ausssehen seines Gesichtes anders, und sein Gewand wurde weiß und glänzte".


Während er zu Gott betet, wird er verklärt. Und wir müssen uns hierbei die biblische Gebetshaltung vorstellen. Nicht solch ein Beten mit gesenktem Kopf, die Hände gefaltet, auch nicht ein Knien oder gar ein "Niederfallen auf sein Angesicht", wie es Jesus in Gethsemane tat (Matth. 26, 39), sondern ein Gebet, bei dem das Antlitz zum Himmel emporgehoben ist, die Arme weit ausgebreitet sind, und der ganze Mensch sich zu Gott hin öffnet; ein Gebet mit der unausgesprochenen Bitte:


Erneure mich, o ewigs Licht

und lass von deinem Angesicht

mein Herz und Seel mit deinem Schein

durchleuchtet und erfüllet sein.


Oder, mit den Worten des aaronitischen Segens (4. Mose 6) gesagt: Gott, laß dein Antlitz leuchten über mir. Über solchem Beten, sagt Lukas, wird Jesus verklärt, wird er durchleuchtet und erfüllt von Gottes Lichtglanz.


Immer werden wir Menschen ja geprägt von Einflüssen, denen wir uns aussetzen, immer spiegeln wir etwas von dem wider, dem wir uns zugewandt haben. Wer sich Bösem und Dunklem zuwendet, der macht bald einen düsteren oder finsteren Eindruck. Wer sich aber Gottes Wort zuwendet und im Gebet darum bittet, mit Heiligem Geist erfüllt zu werden, dessen Leben wird hell, der kann strahlen vor Freude. Und darum sollen wir uns dem Bösen nicht zuwenden, nichts Böses anschauen, und mag es auch noch so versucherisch daherkommen und harmlos tun: Ach, ist doch nur ein Film, eine Internetseite, ein Computerspiel..., kann doch nicht schaden, sich ein bißchen Horror 'reinzutun, mal per Mausklick 'rumzuballern, ein paar Leute umlegen...Doch! Schadet doch! Stattdessen sollen wir uns dem Licht zuwenden und möglichst oft - wie der Beter des 103. Psalms - zu uns selbst sagen: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht,was er dir Gutes getan hat. Richte den Blick auf das viele Gute, das du täglich empfängst! Du kannst - trotz allem - dankbar sein für Deine Ehe, deine Familie, für Menschen, die sich dir zuwenden, für die Musik, für das Weiglehaus und und...Vor vielen Jahren sagte mir einmal ein Mann, er übe sich darin, bei jedem Gebet mit dem Danken zu beginnen - und dann falle ihm oft so viel ein, daß er zum Bitten gar nicht mehr komme.


Jesus betet zu Gott, die Klarheit Gottes umleuchtet ihn, und dann sind mit einemmal, aus der Welt Gottes herabkommend, auch Mose und Elia da, sie reden mit Jesus und Jesus mit ihnen. Jesus und die Repräsentanten des Gesetzes und der Propheten, im Gespräch

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miteinander. Jesus, so wird uns Christen damit eingeschärft, bleibt im Gespräch mit dem biblischen - und auch dem gegenwärtigen - Israel; er kann nie abgelöst vom Alten Testament verstanden werden. Und in der Tat: Immer dann, wenn in der Kirche das Alte Testament weniger galt als das Neue, immer dann hat die Kirche in besonders schlimmer Weise in ihrem Auftrag versagt. Und zugleich aber sagt unser Text auch den Vertretern des heutigen Judentums: Die Großen des Glaubens Israels sind und bleiben im Gespräch mit Jesus, dem Rabbi aus Nazaret. Ja - er ist der, auf den letzten Endes ganz allein alles Licht von Gott fällt: Er ist der Messias auch für das Volk Israel. Er ist das einzige Licht Gottes in der Welt.


D a s ist es, was die drei dort oben erkennen. Es geht also nicht um irgendwelche herrlichen Erlebnisse, sondern sehr konkret darum, zu erkennen, wer Jesus ist. Die drei dort oben sehen klar: Er ist wahrer Mensch wie sie ( er trägt normale Kleidung) - aber zugleich der, in dem der unergründliche, unfassliche, unbegreifliche Gott selbst uns Menschen in all seiner Herrlichkeit begegnet.


Verständlich: Petrus will diesen Augenblick ungetrübter Klarheit festhalten; aber das geht nicht - noch nicht; während unseres irdischen Lebens noch nicht. Ich muß da oft an meinen früheren Rellinghauser Amtsbruder Ernst August Beckmannshagen denken, der in den letzten Monaten seines Lebens während seiner schweren Krankheit mir gegenüber öfter das Pauluswort nannte: "Wir leben im Glauben und nicht im Schauen" (2. Kor. 5, 7) . Er sagte damit: Wir müssen hier - oft gegen allen Augenschein - der Liebe und Führung Gottes vertrauen, blind vertrauen. Denn: Die Liebe Gottes zu uns: Wo ist sie denn zu sehen!? Und darum sagt die Stimme aus der Lichtwolke zu den Jüngern: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr h ö r e n!


Sehen können wir den auferstandenen Jesus in all seinem Lichtglanz so wenig, wie wir Gott selbst sehen können - und darum kommt während unseres irdischen Lebens alles aufs Hören an; darum ist das Ohr und nicht das Auge das wesentliche Glaubensorgan. Aber wer den Worten der Heiligen Schrift glaubt, wer sich im Gebet ganz Gott zuwendet und um das Licht seines Geistes bittet, der bekommt zuzeiten dann doch auch einmal etwas zu sehen von der Herrlichkeit Jesu Christi: Er sieht, wie Paulus sagt, in dem zerschundenen Antlitz des Gekreuzigten das Antlitz Gottes (2. Kor.4,6). Er sieht: So tief neigt sich Gott selbst zu usn Menschen herunter. Gott nun ganz bei uns in unserm Leiden, ganz für uns trotz unserer Bosheit.


Bevor der Rabbi Jesus ins Leiden geht, ist den drei Jüngern klargemacht worden: Jesus ist der Christus! Allein in ihm begegnet uns der heilige und barmherzige Gott! Und mit dieser Gewißheit gehen sie mit ihm wieder


3. HINUNTER INS TAL


Sie gehen mit Jesus gemeinsam. Aber früher oder später fangen sie dann doch an zu zweifeln, verlassen ihn schliesslich alle. Jesus mußte und konnte den Weg, der nun vor ihnen liegt, ganz allein bis zum bitteren Ende, ganz bis ans Ziel gehen. Jesus steigt hinab in die Tiefen und Abgründe des Lebens, er wird der Bosheit und Grausamkeit, dem Hohn und Spott von uns Menschen ausgeliefert, er erleidet die Hinrichtung, den Foltertod am Kreuz, er erduldet die Hölle der Gottverlassenheit. Er geht den Weg, auf den Gott ihn führte, bis ans Ziel, bis zur Vollendung, bis hin zu seiner Bitte: Vater, vergib ihnen...! Und weil Gott diese seine Bitte erhörte, erhört er nun auch jeden, der ihn von Herzen um Vergebung seiner Schuld bittet. Und hier liegt eine Dimension unseres Glaubens, an die kein Psychiater und Therapeut mit seinen Mitteln heranreicht. Wir können Gott - und dann auch Menschen,

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denen wir vertrauen - unser Herz ausschütten, alles aussprechen - können in Wort und Sakrament die Vergebung Gottes empfangen und heilende Kräfte erneuern dann unser Leben. Und seit Jesus durch den Tod hindurch ins Leben ging, gibt es auch für uns keine Sackgassen, keine Ausweglosigkeiten mehr; auch wenn es manchmal so scheint. Denn es gibt sie ja, die finsteren Täler, ohne Aussicht nach vorn, in die Menschen manchmal unbegreiflicherweise hineingeraten - am schlimmsten wohl dann, wenn Eltern ihr Kind durch den Tod verlieren. Wo dann kein Mensch mehr helfen kann, da will und kann er dann doch sagen: Ich bin bei dir, ich halte dich an meiner Hand und führe dich - ja, ich führe dich auch wieder auf die grünen Auen! Vertrau mir, ich werde dich nicht enttäuschen!


Ja - liebe Gemeinde, da hat Gott uns nun etwas von der Herrlichkeit Jesu schauen lassen. Möge diese Gewißheit in uns bleiben und mit uns gehen in die Erlebnisse und die Begegnungen mit Menschen in den kommenden Tagen: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Venunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.