Gottesdienst in Essen-Burgaltendorf, 9. Sonntag nach Trinitatis,

9. August 2009


Wochenspruch: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern, so sagt Jesus uns im Wochenspruch dieserWoche in Lukas 12, 48.


Viel ist uns gegeben: Menschen sind Gaben Gottes für uns, Hab und Gut haben wir eine Menge, jeder von uns hat seine Talente, und all die vielfältigen Gaben der Schöpfung – Lasst uns Gott den Geber aller Gaben preisen und ehren. Kommt,wir beten unsern Gott an!


Sündenbekenntnis:

Du Ewiger, du hast uns zu dir hin geschaffen und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet bei dir.

Wir bekennen dir: Wir haben dich, unseren Schöpfer, vergessen und verachtet. Wir haben so gelebt, als seien wir selbst Herren über unsere Zeit, die doch du uns gegeben hast, über andere Menschen, die du uns anvertraut hast, über unsere Kräfte und Fähigkeiten, die doch deine Begabungen für uns sind, über unseren Körper, der doch ein Tempel deines Heiligen Geistes sein soll.

Wir bekennen dir, wir haben dich, den Erlöser unseres Lebens, vergessen: Wir waren wenig liebevoll und haben mit unseren Gaben gegeizt, wir waren misstrauisch und haben voreilig über andere geurteilt.

Wir bekennen dir, wir haben dich, den Vollender des Lebens und der Welt, vergessen. Du wirst uns einmal nach dem Ertrag unseres Lebens fragen, was werden wir dir antworten, was dir bringen können?


Lasst uns In der Stille Gott sagen, was uns belastet und bedrängt, lasst uns ihn um sein Erbarmen bitten:...


Ach du treuer Gott, vergib uns unsere Schuld und erneuere uns an Geist, Seele und Leib.

Herr, wir kommen zu dir...


Gnadenzusage: Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk ! Darum: Lobe den Herrn, meine Seele...


Kollektengebet:


Du Ewiger, wir hoffen darauf, dass du dich nicht zurückgezogen hast ins Schweigen und dass du uns nicht uns selbst überlassen, sondern auch jetzt in diesem Gottesdienst dein Wort an uns richten willst. Die Worte der Propheten, die Worte Jesu, unseres Heilandes und Herrn, sollen zu deinem lebendigen, kraftvollen Wort für jeden von uns persönlich werden. Heilsames willst du uns sagen, uns Wegweisung geben, uns aus Ängstlichkeit befreien, uns Freude am Leben, Freude an dir, an deiner Wahrheit und deiner Güte schenken. So gib einem jedem von uns jetzt das, was für ihn notwendig ist und was er jetzt gerade braucht. Durch Jesus Christus unsern Herrn, der mit dir...


Schriftlesung: Jeremia 1, 4




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Predigt zu Matthäus 25, 14 - 30


„...dass ich bin, bin!“


Liebe Gemeinde,



in der Predigt vom vergangenen Sonntag, die ich las, sagte Pfarrer Theo Enzner an einer Stelle: Liebe Gemeinde, wenn ich manche Christen frage, was sie können, was sie gut machen, wo sie ihre Begabung sehen, dann wird oft geantwortet, was sie nicht können: „Ich kann dies nicht! Ich kann das nicht! Ich will mich nicht aufdrängen.“


Was würde Jesus zu solch einer Antwort, solch einer Einstellung sagen? Hören wir dazu den heutigen Predigttext.

Denn es ist wie mit einem Menschen, der ausser Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an;

dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.

Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu.

Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu.

Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg

das Geld seines Herrn.

Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen.

Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe, da, ich habe damit fünf weitere Zentner gewonnen.

Da sprach sein Herr zu ihm: recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen.

Sein Herr sprach zu ihm: recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast;

und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.

Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wußtest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht gestreut habe?

Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen , und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.

Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.

Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern.


Liebe Gemeinde!

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I


Was Jesus uns hier erzählt, das klingt beim erstem Hören hart, ärgerlich, geradezu abstossend. Das soll ein Gleichnis für Gott sein?? Gott – ein gnadenlos urteilender Haus- und Grundbesitzer? Der von uns Leistung erwartet, Vermehrung des uns anvertrauten Kapitals - und uns entsprechend unserer Risikobereitschaft und Aktivität belohnt – oder

aber straft und verurteilt?! Der nach dem Motto handelt: Wer hat, dem wird gegeben – und wer ohnehin wenig hat und arm dran ist, der kriegt das bißchen, das er hat, auch noch abgenommen? Die Reichen werden reicher, der ohnehin Arme verarmt noch mehr - Turbokapitalismus in Reinkultur!?


Oder - sagt Jesus uns hier in Wahrheit geradezu das Gegenteil?! Etwas Befreiendes und Ermutigendes?


Es braucht Zeit und Geduld, in dieses Gleichnis hineinzuhören. Biblische Texte0 verstehen, Gott erkennen – dazu gehören Stille, Sorgfalt, Gebet. Man liest biblische Texte nicht wie eine Illustrierte. Wobei ich dazusagen muss: Wir werden im irdischen Leben weder die Bibel noch gar Gott auch nur annähernd verstehen und erkennen, da bleiben viele Geheimnisse, Fragen, Rätsel. Erst im Himmel löst sich alles.


Bis dahin aber reicht es, wenn wir immer aufs Neue etwas erkennen, und wir etwas Hilfreiches für die nächsten Schritte bekommen, etwas, das uns stärkt und einleuchtet.


II


Hier erzählt Jesus also von drei Menschen. Jeder von ihnen bekommt etwas anvertraut, Der erste fünf Silberbarren, der zweite zwei, der letzte einen. Luther übersetzt, um zu

verdeutlichen, wie viel sie bekommen: Zentner. Im griechischen Urtext steht hier das Wort tálanta: Das waren Silberbarren mit einem Gewicht von ca. 30 kg. Talanta – ein Wort, von dem unser Wort „Talente“ abgeleitet ist. Und die sind hier gemeint. Unsere Talente, unsere Gaben – und von Anfang an wird klar: Sie sind gewichtig und wertvoll.


Der erste dieser drei ist sozusagen ein Multitalent. Solche Menschen sind nicht häufig, aber es gibt sie – auch in unserer Umgebung: Menschen, die vielfältig begabt sind, die Erstaunliches können, die sich auch vieles zutrauen und oft auch die entsprechende Anerkennung bekommen. Menschen auf der Sonnenseite des Lebens. Sie sind oft ein Gewinn für andere und ziehen aus dem, was sie so alles machen, auch für sich selbst Gewinn


Wir fällt als Beispiel ein junger Mann ein, den ich getauft, konfirmiert, vor einiger Zeit getraut habe. Ein wahres Multitalent. Aus purem Interesse, aus Freude an der Suche nach der Wahrheit hat er erstmal längere Zeit Theologie und Philosophie studiert, ist gut bewandert in Beidem, dann Jurastudium, nebenbei Orgelexamen gemacht, dann Doktorarbeit, neben dem Studium seit 10 Jahren chinesisch gelernt, eine junge Chinesin - eine Konzertpianistin und Dirigentin - geheiratet, jetzt hat er in einem mit China kooperierenden Frankfurter Unternehmen eine gute Stellung als Wirtschaftsjurist, letzte Woche sehe ich vor dem Haus seiner Mutter in Stadtwald , die er von Frankfurt aus regelmässig und treu besucht, einen silberfarbenen Mercedes stehen...

Ein Hans im Glück, vielseitig begabt, ein ganz bescheidener fröhlicher Mensch. Und ich muss sagen: Ich beneide ihn manchmal ein bißchen - und wenn es nur darin ist, auch ein bißchen chinesisch zu können (aber das brauche ich ja nur lernen zu wollen).

4


Nun der zweite. der drei Typen, die Jesus uns vor Augen stellt; der, der die zwei Silberbarren bekommen hat, zwei Talente. Dazu fiel mir eine Nachbarin ein, über 70, Sozialarbeiterin war sie, sie macht allerhand aus ihrem Ruhestand, fährt zum Beispiel

zweimal im Jahr mit einer Freundin für zwei Wochen in einem Riesen - Wohnmobil durch die Lande und ist vielfältig tätig: pusselt in ihrem Garten, kümmert sich um andere, arbeitet ehrenamtlich in einem Hospiz. Eine Frau, in keinem Bereich aussergewöhnlich begabt, aber tüchtig, vielfältig aktiv und bei allen, die sie kennen, geachtet und angesehen.


Und der Dritte. Auf ihn konzentriert Jesus unseren Blick. Einen Silberbarren bekommt er. Was tut er? Er nimmt sein Talent und begräbt es. Warum, das sagt er, als der Herr zurückkommt und Rechenschaft fordert darüber, wie jeder mit Seinen Talenten umgegangen ist. Er fürchtet sich vor diesem Herrn, der ihm – und da hat er ja recht - ziemlich willkürlich zu handeln und ungerecht zu sein scheint. Darum will er nichts aufs Spiel setzen, kein Risiko eingehen. Sondern gibt das ihm Anvertraute zurück, weder vermehrt noch vermindert. Und gerade dadurch ruft er den Zorn des Hausherrn hervor. Und sein Leben endet in Dunkel und Zittern.


III


Warum erzählt Jesus so ausführlich von ihm ? Weil er für uns eben gerade das nicht will, was der erfährt! Jesus sagt uns auch seine Gerichtsgleichnisse und harten drohenden Worte nie, um uns Angst zu machen. Im Gegenteil. Er will uns rechtzeitig dazu führen, uns zu bessern, das eigene Leben so zu leben, wie Gott es wollte, als er jeden von uns geschaffen hat - jeden in seiner Einzigartigkeit.


Aber warum ist dieser eine hier so ängstlich, warum traut er sich so wenig? Ich vermute, er vergleicht, sieht auf die anderen und denkt: ich bin nicht so cool wie der, nicht so gutaussehend wie die...Er denkt: Ich kann eigentlich überhaupt nicht viel, ja ich kann eigentlich garnichts so richtig. Also verberge ich mich, trete an den Rand, gehe in den Schatten, vergrabe mein Talent. Er wird ein Mensch, der schliesslich nicht mehr vom Leben will, als irgendwie über die Runden zu kommen. Dem am Ende nichts bleibt als als ein vertanes, leer gebliebenes, lebendig begrabenes Leben.


Das Ende, sagt Jesus, wird Heulen und Zähneklappern sein, weil am Ende offenbar wird, wie das Leben vertan wurde, die Entfaltungsmöglichkeiten zugeschüttet wurden, und auch die Hoffnungen begraben wurden, die Gott auf dieses Leben gesetzt hatte.


Aber damit tust du dir Unrecht, sagt Jesus dem Ängstlichen, damit tust du dir Unrecht, dass du dich so klein machst - und tust auch Gott Unrecht. Gott möchte gerade nicht, dass Heulen und Zähneklappern am Ende steht - sondern das genaue Gegenteil! Am Ziel soll nur noch Freude und Wonne sein.


Gott möchte zu jedem der drei sagen: Geh hinein zu deines Herrn Freude! Er möchte zu jedem von uns sagen: Du tüchtiger und treuer Knecht! Du tüchtige und treue Magd! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen. Komm mit hinein zum Freudenmahl deines Herrn!


Sicher: Wir haben unterschiedliche Gaben, wir sind höchst verschieden begabt. Es gibt auch hier jetzt Menschen mit vielen Talenten und solche mit vielleicht nur einem einzigen

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Talent. Aber wenn dieser Mensch sagt: Ich habe ein Talent erhalten, dann soll die Betonung nicht auf „ein“, sondern auf „Talent“ liegen! Ich habe ein Talent erhalten! Jesus sagt: Lass das dumme Vergleichen, lass das Schielen auf die scheinbar mehr Begabten

Gott hat dir deine Gabe gegeben und möchte, dass du dich ihrer freust, dich akzeptierst und mit deinem Talent wucherst.


Martin Buber erzählt die Anekdote von Rabbi Sussja: Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird der Ewige, gelobt sei Er, mich nicht fragen: Warum bist du

nicht Mose gewesen? Sondern er wird mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen?


Am Ziel wird sich zeigen, was Gott damit vorhatte, dass er mir dieses Talent und dieses andere nicht gegeben hat, dass er mich gerade so gemacht und gebraucht hat wie ich bin. Da wird sich auch zeigen, was, als ich meine Talente gebrauchte, in seinen Augen kostbar und wichtig war - vielleicht war's etwas, was ich für völlig unbedeutend hielt, vielleicht sogar eine Traurigkeit, eine Verzagtheit und Verzweiflung, etwas, was ich für unnütz hielt, etwas, worunter ich litt.


IV


So will Jesus uns zu einem dankbaren und frohen Bejahen meiner selbst mit meinen unverwechselbaren Gaben führen, zu einer dankbaren Zufriedenheit mit dem, was Gott mir an Gaben anvertraut hat und täglich neu schenkt. Matthias Claudius, der Dichter des Liedes: Der Mond ist aufgegangen, hat das in schönen Versen eines Gedichtes ausgedrückt, das er überschrieb: Täglich zu singen:


Ich danke Gott und freue mich

wie's Kind zur Weihnachtsgabe,

dass ich bin, bin! Und dass ich dich,

schön menschlich Antlitz! habe;


...Ich danke Gott mit Saitenspiel,

dass ich kein König worden;

ich wär geschmeichelt worden viel

und wär vielleicht verdorben.


Auch bet ich ihn von Herzen an,

dass ich auf dieser Erde

nicht bin ein großer reicher Mann

und wohl auch keiner werde.


...Denn all das Geld und all das Gut

gewährt zwar viele Sachen;

Gesundheit, Schlaf und guten Mut

kann's aber doch nicht machen.


...Gott gebe mir nur jeden Tag

soviel, ich b'darf zum Leben.

Er gibt's dem Sperling auf dem Dach;

wie sollt er's mir nicht geben!


6


Und wenn du dich so bejahst, dann wirst du deine Gaben, die nur du hast, entfalten, wirst dein Talent, das Gott dir anvertraut hat, nutzen, in der Gemeinde, im Beruf, in der Familie - in Fürsorge und Verantwortung für andere, in Dankbarkeit und Verantwortung vor Gott

deinem Schöpfer.


Und du wirst gerade nicht in zweifelnder Ängstlichkeit auf das Kommende sehen und auf das Ziel, auf das wir alle zugehen, sondern in demütiger Vorfreude, und in dem zuversichtlichem Vertrauen, dass er, dein Schöpfer und dein lieber himmlischer Vater, dich in den Arm nehmen und auch zu dir sagen wird: Du tüchtige Magd, du treuer Knecht, komm zum himmlischen Freudenfest! Amen