Frühgottesdienst
am Sonntag Invocavit, 9. März 2003
Lieder:
Ein feste Burg ist unser Gott... 362, 1 – 3
Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens...373, 1 – 4
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude...66, 1 – 4
Ach bleib mit deiner Gnade...347, 1 – 4
Psalm 91 i.A.
Schriftlesung 1. Mose 3, 1 –
9:
Die
Schlange war listiger und klüger als alle Tiere des Feldes, die Gott der Herr
gemacht hatte. Sie fragte die Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft die
Früchte von den Bäumen im Garten nicht essen?
Natürlich
dürfen wir sie essen, erwiderte die Frau, nur von den Früchten des Baumes
mitten im Garten hat Gott gesagt: Eßt nicht davon, berührt sie nicht, sonst
müßt ihr sterben!
Nein,
nein, sagte die Schlange, ihr werdet bestimmt nicht sterben! Sondern Gott weiß:
Sobald ihr davon eßt, werden euch die Augen aufgehen und ihr werdet sein wie
Gott und selbst entscheiden, was gut und böse ist.
Da
sah die Frau den Baum an: Seine Früchte müßten köstlich schmecken, sie
anzusehen war eine Augenweide, es war verlockend, daß man davon klug werden
würde.
Sie
nahm von den Früchten und aß. Dann gab sie ihrem Mann davon, und er aß.
Da
gingen den beiden die Augen auf und sie merkten, daß sie nackt waren, und sie
flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze.
Am
Abend, als es kühl geworden war, hörten sie, wie Gott der Herr durch den Garten
ging. Da versteckten sich der Mann und seine Frau vor Gott dem Herrn zwischen
den Bäumen des Gartens.
Und
Gott der Herr rief den Menschen und sprach: Wo bist du?
Predigt:
Liebe Gemeinde!
Der heutige Predigttext ist die Erzählung
von der dreifachen Versuchung Jesu. In seinem Roman „Die Gebrüder Karamasoff“ –
in dem Kapitel „Der Großinquisitor“ -
gibt Dostojewskij eine gewaltige Auslegung dieses Textes und sagt: „Keine Weisheit der Welt vermöchte
irgendetwas auszudenken, das gleich wäre den drei Versuchungen, die Jesus
damals vorgelegt wurden von dem furchtbaren und klugen Geist, dem Geist der
Selbstvernichtung und des Nichtseins...Denn in diesen drei Versuchungen
offenbaren sich alle unlöslichen Widersprüche der menschlichen Natur auf der
ganzen Erde...“. Und er erläutert:
Hier geht es um die drei Urversuchungen des Menschen überhaupt:
Losgelöst von Gott Macht und Herrschaft auszuüben: Macht über Menschen - Macht
über Gott – und: Macht über die Erde, Weltherrschaft.
2
Ich lese aus Matthäus die Verse 1 bis 11:
Da
wurde Jesus vom Geist Gottes in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel
versucht würde.
Und
als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Und
der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese
Steine Brot werden.
Er
aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8, 3): Der Mensch
lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das Gott spricht.“
Da führte
ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des
Tempels
und
sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht
geschrieben (Psalm 91, 11.12): „Gott wird seinen Engeln deinetwegen Befehl
geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an
einen Stein stößt.“
Da
sprach Jesus zu ihm: Es steht auch geschrieben (5. Mose 6, 16): „ Du sollst den
Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“.
Darauf
führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle
Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
und
sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich
anbetest.
Da
sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben
(5.
Mose 6, 13): Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“
Da
verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Welch ein schönes Ende!
„...da traten Engel zu ihm und dienten ihm“. Was mag da wohl geschehen sein?
Etwas Paradiesisches.
Wie anders
beginnt die Erzählung!
Karge steinige
Wüste. Das hebräische Wort für Wüste lautet: midbar. Ins Deutsche übersetzt:
Kein Wort. Schweigen. Lastende Stille. Kein
Laut. Auch Gott schweigt.
Jesus fastet
in diesem Schweigen, in dieser absoluten Beziehungslosigkeit 40 Tage und 40
Nächte.
Da kommt der
Versucher, jene sich schlängelnde Macht, die Leben verspricht, aber ums Leben
betrügt, die mit Begehrenswertem lockt, aber den Tod will, die gern im Gewand
der Frömmigkeit auftritt, aber jedes Gottvertrauen zerstören will – Satan schlüpft in Jesus hinein und sagt: Bist du
Gottes Sohn, (wie Gott doch kürzlich
noch bei deiner Taufe selbst sagte) -
dann hast du auch die Macht, diese Steine hier in Brot zu verwandeln.
Stille deinen Hunger. Befriedige die Bedürfnisse deines Körpers.Tu ein Wunder –
wie damals das Mannawunder in der
Wüste.
3
Und Jesus hält
dem Versucher das Wort entgegen, das Mose am Ende der vierzigjährigen
Wüstenwanderung Israels ausgesprochen hatte: Nicht allein vom Brot lebt der
Mensch, sondern Leben findet er vor allem im Wort Gottes.
Jesus sagt
uns, was sicher auch jeder Mensch im Kopf weiß, nur verhält er sich nicht
danach -: Der Mensch, der vom Brot allein lebt, der Mensch, der für’s Brot
allein lebt, der wird krank, gerät in Ichsucht und Beziehungslosigkeit, sieht
die Andern nur noch als Konkurrenten, sieht auf das, was sie haben anstatt
darauf, wer sie sind.
Gigantische
Verführung, der Unzählige zum Opfer fallen: „Panem et circenses“, nannten es
die Römer, gib dem Volk „Brot und
Spiele“, dann hast du sie im Griff, heute bedeutet das: ausgeklügelte leibliche
Genüsse (wo und wie sie hergestellt werden, danach soll man möglichst nicht
fragen), Freßmeilen, Fitnesstudios, Sex, Körperkult, Spaß als oberster
Lebenswert. Letztes Beispiel: Höchste Einschaltquoten - 16 Millionen Zuschauer
– bei dem Blödelspektakel, das doch Millionengewinne einfährt: „Deutschland sucht den Superstar“.
Der Mensch ist
ein Wesen, das jedem Rattenfänger
gehorsam folgt: Gekauft wird alles, was angeboten wird, konsumiert wird an Spaß
alles, auch das Hirnrissigste, auch das, was dem Sadisten in uns Spaß bereitet: Das Quälen von Lebenwesen,
die nackte Gewalt.
Auch Kriege
verschlingen viele Milliarden, mit denen man einen Krieg gegen Hunger und Elend führen könnte.
Wer
widersteht? Meine Konfirmanden, mit denen ich über diesen Text sprach, sagten
einhellig: Das kann man garnicht. Die Werbung ist allüberall.
II
Und nun hören
wir zweitens: Satan kennt sich aus in den Heiligen Schriften. Er kommt sehr
gern im Gewand der Frömmigkeit daher. Satan hat Jesus mit sich in die Heilige
Stadt genommen, hoch auf eine Zinne des Tempels, in dem man zur Ehre Gottes die
Psalmen sang, und er zitiert, aus dem Zusammenhang genommen, ein Psalmwort: Bist du Gottes Sohn, sagt er,
dann wirf dich hinab. Denn heißt es
nicht in Psalm 91: Gott hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich auf Händen
tragen...? Hat Gott nicht die Macht,
dich auffangen zu lassen? Probier’s aus. Stürz dich hinab, laß dich fallen, du
kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand
Macht über
Gott gewinnen wollen. Martin Luther hat in einer Predigt über den Kampf Jakobs
am Jabbok (1. Mose 32, 23-33) den ungeheuren Satz gesagt: Im Gebet ist der
Mensch mächtiger als Gott. Er sagte damit: Wir Menschen können Gottes Herz und
Willen beeinflussen. Gott tut auf unser Bitten hin Dinge, die er ohne unser
Bitten nicht tun würde. Das ist eine unausdenkbare und wundervolle Wahrheit:
Wir können Gottes Willen beeinflussen.
Allerdings: Jakob trug nach seinem Gebetskampf mit Gott schwere Blessuren
davon.
4
Hier geht es
im Grunde um das Gegenteil: Nicht darum, Gott im Gebet zu bedrängen, in der
letztlich demütigen Haltung: Dein guter gnädiger liebevoller Wille möge
geschehen, sondern darum: Gottes Macht für sich selbst ausnutzen zu wollen.
Gott für die eigenen Zwecke einzuspannen. Wir tun etwas Gefährliches, zumindest
Unvorsichtiges – und Gott soll uns schützen, uns bewahren. Das fängt an im
Straßenverkehr. Eigentlich darf nur der um Gottes Schutz und Bewahrung bitten,
der dann auch umsichtig und vorsichtig fährt. Oder: Wir verändern Gene, wollen
Menschen vervielfältigen, züchten Bakterien, wir stellen „biologische Waffen“
her – welch ein perverser Ausdruck übrigens, denn Biologie ist doch die
„Wissenschaft vom Leben“ - und dann soll Gott dazu herhalten, trotz allem unser
Leben zu schützen und zu bewahren. Kriege werden begonnen, Menschen leben in
der Wahnvorstellung, sie handelten in Gottes Auftrag und Namen, sie erfüllten
einen göttlichen Auftrag, gegen die
Mächte des Bösen, die Mächte der Finsternis zu kämpfen: Gott wird benutzt. Wenn
einer schon meint, er müsse Krieg führen, dann soll er auf jeden Fall Gott da
heraushalten.
Jesus sagt:
Fordere Gott nicht heraus. Fordere den Zorn Gottes nicht heraus. Gott läßt sich
nicht verspotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Paulus wörtlich in
Galater 5: Wer auf sein Fleisch sät, der
wird vom Fleisch Verderben ernten, d.h.
wer Gott für eigensüchtige Zwecke einspannt, wird das eigene Verderben
bewirken.
III
Und dann die
dritte Versuchung: Macht über die Erde, Weltherrschaft.
Hoch auf einem
Berg, dem Ort der Verehrung und Anbetung des Göttlichen, zeigt der Versucher
Jesus alle Staaten der Welt, ihre Bodenschätze, ihre kulturellen Reichtümer und
Kunstschätze, alle Schönheit der Natur und der Lebewesen in ihr und sagt: Das alles will ich dir geben, wenn du
niederfällst und mich anbetest“. ... Er tut so, als gehöre das alles ihm,
als sei er der Eigentümer. Er lügt und sagt doch etwas Wahres. Satan weiß, was
die ganze Bibel sagt und Psalm 24 wörtlich so ausdrückt: Die Erde und alles, was darinnen und darauf ist, gehört allein Gott dem
Herrn .Er weiß aber auch: Wer das vergißt oder nicht mehr ernst nimmt, der verfällt der Macht des Satans, wird
Satans Eigentum. Menschen, die nicht auf Gott hören, werden Satan hörig.
Wenn wir
Menschen nicht Menschen bleiben wollen, sondern wie Gott sein wollen, dann
verfallen wir dem Allmachtswahn, beuten die Erde aus, fangen an, immer
hemmungsloser nach Macht, Reichtum, Wohlstand zu streben, beurteilen alles nach
seinem „Nutzen“ für uns, plündern die Erde aus, streben nach der Herrschaft
über die Welt.
Ich las in der
Wochenzeitung „Die Zeit“ von
vergangener Woche: Eine US-Amerikanerin habe von ihrer achtjährigen
Tochter erzählt: Sie habe nach einer der Reden von Präsident Bush gefragt:
Warum sagt der Präsident am Ende seiner Reden immer: Gott segne Amerika? Warum sagt er nicht: Gott segne die Welt?
Jesus sagt:
Nur einen sollst du anbeten und ihm allein dienen: Gott dem Herrn.
5
Gott selber
hat Jesus in Versuchung geführt, in den Kampf gegen den, der sich für
unbesiegbar hielt, und Jesus widersteht hier allen Versuchungen, er bleibt im
Gehorsam gegen Gott - auch später, als
Jesus dem Tod am Kreuz entgegengeht,
und Petrus ihn daran hindern will (Mk.8,32f. - Predigttext vom letzten
Sonntag), indem er scheinbar fromm zu ihm sagt: Gott will doch sicher nicht,
daß du so jung dein Leben verlierst, er will doch sicher, daß du dein Leben
erhältst und bewahrst...?! Da sagt Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan, du meinst nicht das, was in Gottes Sinne ist,
sondern das, was typisch menschlich ist.
Und dann
versucht Satan ein letztes Mal, Jesus
den Sieg zu entreißen, als Jesus am Kreuz hängt, zumindest will er ihn quälen,
verhöhnen und verspotten, durch den Mund der Hohenpriester und Schriftgelehrten
redet er höhnend: Bist du Gottes Sohn,
dann steig doch vom Kreuz...Andern hast du immer geholfen, hilf dir doch
mal selber...! (Matth. 27, 39-43). Aber
Jesus setzt sich allem ohne Gegenwehr
aus, er bleibt in Gehorsam und Vertrauen zu Gott dem Herrn, er bittet für alle
bösen, dem Tod und dem Satan verfallenen Menschen um Gottes Vergebung und
erwirbt ihnen allen Erlösung – Erlösung von der Macht der Sünde, des Todes und
des Teufels.
Jesus hat
Satan widerstanden und seine Macht ein für allemal gebrochen. Noch schleicht
und tobt der Teufel auf der Erde (Offb. 12, 12), aber einmal wird’s ganz aus
sein mit seiner Macht (Offb. 20, 10).
Wer sich an
Jesus hält, dem kann Satan nichts mehr anhaben.
Wie können wir
seine Versuchungen durchschauen
und ihnen vielleicht widerstehen?
Indem wir in
der Gewißheit bleiben: Wir gehören Christus und nichts und niemand kann uns von
der Liebe Gottes, die er uns erworben hat, trennen. Und indem wir auf die klaren
Wegweisungen und Orientierungshilfen der Bibel hören und, so gut wir können,
ihnen entsprechend leben.
Wenn nicht
- verfallen wir, ohne es zu merken, der
verführerischen Macht. Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle
Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.