Abendmahlsgottesdienst am 1. Weihnachtstag 1998

(Pfarrer Martin Quaas)

 

Lieder: 34,1 + 3/ 41, 1 – 3/ 25, 1 – 6/ 23/ 36

Psalm 96

Lesungen: Titus 3, 4 – 7/ Lukas 2, 15 – 20

 

Predigttext: Micha 5, 1 – 4a

 

Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.

 

Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann  der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel.

 

Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des Herrn und in der Macht des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist.

 

Und er wird der Friede sein.

 

Er wird der Friede sein.

 

Der Friede zwischen Ehepaaren, die sich zerstritten hatten: Sie reichen einander die Hand zur Versöhnung. Der Friede zwischen Bosniern und Serben, zwischen Israelis und Palästinensern: Sie geben einander Wohnrecht. Der Friede zwischen materiell reichen Ländern im Norden und wirtschaftlich armen Ländern im Süden. Die einen sagen: Wir vergeben euch eure Schuld. Und die andern: Wir erlassen euch eure Schulden.

 

„Und sie werden sicher wohnen“: Asylsuchende und Ausländer brauchen  Aggression und Anpöbeleien nicht mehr zu fürchten. Alarmsirenen auf Wohnhäusern können abmontiert werden. Keiner hat mehr zu viel, keiner mehr zu wenig zum Leben: Darum kann man in offenen Häusern leben und in offenen Grenzen.

 

Illusionen? Träumereien? Zu schön, um wahr zu werden?

 

Ist stattdessen dies der einzig realistische Satz in unserm Text: Indes läßt Gott sie  plagen? Nicht wahr, das können wir sofort unterschreiben: Gott läßt es ja wahrhaftig zu, daß Menschen sich plagen und geplagt werden: Daß Reiche sich mit Sorgen plagen wegen ihrer Geldanlagen oder Immobilien, daß Menschen sich gegenseitig plagen mit Brutalität, mobbing, Gehässigkeiten. Daß Menschen von schrecklichen Krankheiten geplagt werden und von bösen Geistern.

 

Aber was ist mit dem Frieden? Und seiner Voraussetzung: Gott die Ehre zu geben?

 

                                                                      

 

 

 

2

 

I

 

Jener Bauer aus dem Dörfchen Moreschet nahe Jerusalem, der die Worte unseres Predigttextes zuerst aussprach oder aufschrieb: Ich denke schon, daß er Gott die Ehre gab. Circa 75o Jahre vor der Geburt Jesu lebt er. Unverkürzt und ungeschminkt spricht er aus, was Gott ihm zu sagen gab. Zum Beispiel diese Worte, die er vielleicht in Jerusalem vor dem Tempel ausrief:

 

Hört dies, ihr Häupter des Volks! Des Nachts brütet ihr böse Gedanken aus, um sie am Tage ins Werk zu setzen. Grundstücke reißt ihr an euch, nehmt andern die Häuser weg. Hört! Gott ist seinerseits dabei, Böses gegen euch zu ersinnen. Euer Hochmut wird gebrochen werden. Bald schon wird es aus sein mit euch. (vgl. Micha 2, 1 – 4).

 

Oder ein andermal: Ihr, die ihr euch bestechen laßt, die ihr das Recht verachtet und dennoch denkt, Gott sei mit euch – ihr wißt nicht, wie nahe euer Unheil schon ist!

 

Aber er sagt auch dies: Es wird eine Zeit kommen, da werden die Menschen nicht mehr lernen müssen, Kriege zu führen. Sondern – wunderbares Bild -  ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen (Micha 4, 1 – 4). Denn: Aus dem Dörfchen Bethlehem, wo die Sippe der Ephratiter wohnt, aus der Isai, Davids Vater stammt – aus diesem Kaff wird einmal der kommen, der d e r  F r i e d e  sein wird. Er wird als guter Hirte die Völker weiden. Er wird herrlich werden , so weit die Welt ist.

 

                                                                       II

 

 Aber: Gott läßt es weiter jahrhundertelang zu, daß die Völker sich plagen. Jerusalem mitsamt dem Tempel wird zerstört. Die Einwohner werden nach Babylon verschleppt. Immer wieder wird das Land Israel unterdrückt, geplagt, steuerlich ausgepreßt von Großmächten, die aufsteigen und wieder untergehen. Bis Gott die Verheißung, die der Bauer Micha aussprach, erfüllt: In Bethlehem kommt der Friede zur Welt. Der „Krippenherr und Windelfürst“, wie Luther ihn gern nannte. In den zwei Jahren seines öffentlichen Auftretens sagt er Worte, die zu einem völlig neuen Leben und Miteinanderleben führen, zum Beispiel: Die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder. Bei euch, die zur mir gehören, ist das nicht mehr so. Wer unter euch der Größte sein will, der soll aller Diener sein. Oder: Am Geld hängen und Gott dienen zu wollen, das ist unvereinbar miteinander. Oder: Segnet, die euch beleidigen und verfolgen. Tut Gutes denen, die euch hassen. Oder: Siebenmal siebzig mal sollst du vergeben. Oder: Wer sein Leben hingibt, der wird’s finden. Und  den geistlichen Autoritäten sagt er: Die Huren und Zöllner kommen vor euch ins Reich Gottes.

 

Klar, daß die, die sich in ihrer Macht und ihrem Ansehen gefallen, ihn weghaben wollen. Aber auch ihr böses Tun muß den Friedensplänen Gottes dienen. Sie schlagen ihn ans Kreuz. Und das Kreuz wird sein Friedensthron. Sein Tod am Kreuz wird der Anfang und die Quelle des Weltfriedens. Paulus schreibt von ihm: Er ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat Gott ihn erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß vor ihm sich beugen werden aller 

 

3

 

derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen werden: Jesus ist Herr, zur Ehre Gottes des Vaters (Phil. 2, 5 – 11).

 

                                                                       III

 

Indessen: Noch läßt Gott sie plagen, läßt zu, daß sie sich plagen...Auch nach der Auferstehung Jesu: „Tausend Plagen und große Jammerlast...“.Und am schlimmsten führten sich häufig ausgerechnet die Völker auf, die sich christlich nannten: Völkermord an den Indios Lateinamerikas, Völkermord an den Indianern Nordamerikas, Beinahe – Ausrottung der Aborigines Australiens,  massenhafter Sklavenhandel mit afrikanischen Menschen, Ausrottung vieler Pflanzen- und Tierarten. Massenmord an Juden.

 

                                                                       IV

 

Und doch: „Er wird herrlich werden, so weit die Welt ist. Und er wird der Friede sein“.

 

Er ist es schon. Kein Land der Erde mehr, wo nicht sein Name genannt wird und Menschen ihn als Herrn bekennen. Der Friede, den er gibt, der geschieht schon tausend-, millionen-, milliardenfach: In Gebeten, Liedern, Abendmahlsfeiern, er geschieht, wo Menschen sich versöhnen, wo Menschen trösten, Leid tragen, Hoffnung wecken, dem Durstigen ein Glas Wasser reichen, er geschieht – ich habe das in letzter Zeit mehrfach in unserer Gemeinde erlebt –, wo Menschen mir tausende von DM geben für konkrete Hilfsmaßnahmen. Er geschieht in unzähligen Erlebnissen und Geschehnissen, die kein Geschichtsbuch und kein Zeitungsbericht erwähnen kann und wird, er geschieht überall da, wo Menschen dankbar werden für das, was Jesus für sie tat, wo sie durch ihn froh und frei werden und Gott die Ehre geben.

 

Er kann und will der Friede sein in Deinem Leben und durch Dich für Andere.

Überlege: Wie oft ist er Dir schon zum Frieden und zur Freude geworden.

 

Es gibt keinen anderen Frieden als Ihn. Er ist der einzige Weg zum Frieden: Friede durch Schuldvergebung, Friede göttlicher Liebe, die für uns den Tod besiegt hat.

 

Dieser Friede, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Ihm: Jesus Christus, unserm Herrn. Amen.