Frühgottesdienst am 20. Sonntag nach Trinitatis, 2. November 2003

 

Lieder:

Nun danket all und bringet Ehr...322

Befiehl  du deine Wege...361, 1.2.7-10

Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut...326, 5+6

Du hast uns, Herr, in dir verbunden...240

 

Psalm 19 (Nr. 708, S. 1142)

 

Lesung: 1. Thess. 4, 1 – 8

 

Liebe Gemeinde,

 

der für diesen Sonntag vorgeschlagene Predigttext steht bei Markus, Kapitel 10 in den Versen 1 – 12. Eine Vorbemerkung dazu:

 

Jesus wandert vom See Genezareth aus nach Süden, Richtung Jericho und Jerusalem, wo er gekreuzigt werden wird, er wandert am Ostufer des Jordan entlang und Markus erzählt von drei Begebenheiten, die sich hier abspielen. Alle drei wollen sagen, was zu einem Leben gehört, das mit Entschiedenheit und Ernst in der Nachfolge Jesu geführt wird. Ähnlich wie in  der Lesung spielen dabei zwei besondere Schwachstellen unseres Lebens eine Rolle: Das Verhältnis zum Geld – personifiziert in der Gestalt des reichen Jünglings - und die eheliche Treue. Zwischen beiden Texten steht die Geschichte von der Kindersegnung, die uns sagt: Vertraut dem Segen und der Fürsorge Gottes – und die mit dieser Aussage ein Licht auf beide Texte wirft. - Im heutigen Text also geht es um die Ehe. Ich lese aus Markus 10 von Vers 1 an.

 

Und er machte sich auf (von Kapernaum) und kam von dort in das Gebiet von Judäa und jenseits des Jordans. Und abermals lief das Volk in Scharen bei ihm zusammen, und wie es seine Gewohnheit war, lehrte er sie abermals.

Und Pharisäer traten zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit.

Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten?

Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden.

Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben;

aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau.

Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen,

und die zwei werden ein  Fleisch sein.So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.

Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

 

Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach.

Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht ihr gegenüber die Ehe;

und wenn sich eine Frau scheidet von ihrem Mann und  heiratet einen andern, bricht sie ihre Ehe.

 

 

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Liebe Gemeinde,

 

ich danke dir mein Wohl,  mein Glück in diesem Leben,

ich war wohl klug, dass ich dich fand.

Doch ich fand nicht, Gott hat dich mir gegeben,

so segnet keine andre Hand.

 

So dichtet Matthias Claudius voller Dankbarkeit anlässlich seiner Silbernen Hochzeit. Er dankt seiner Frau: „Ich danke dir mein Wohl, mein Glück in diesem Leben“, sagt er zu ihr. Und er dankt zugleich Gott, der alles so segensreich gefügt hat; der das so gefügt und gewollt hat, dass Matthias Claudius eben diese Frau als seine Ehefrau fand.

 

Wohl denen unter uns,  die Ähnliches sagen können, die in einer glücklichen Ehe leben oder lebten – ein unvergleichlicher Segen, ein unvergleichliches Glück. Und niemand urteile über die, denen dieses Glück nicht gegeben wurde, deren Ehe unglücklich verlief oder geschieden wurde. Denn wenn auf einer Ehe Segen liegt, dann ist auch das letzten Endes Gnade, unverdiente Gnade.

 

Matthias Claudius war nach allem, was wir von ihm wissen und lesen, ein frommer

Mann. Bei ihm stimmte offenbar die entscheidende Beziehungskomponente des menschlichen Lebens, die Beziehung zu Gott. Er lebte ganz offenbar in lebendiger, in dankbarer und demütiger Verbundenheit mit Gott, der Quelle des Glücks.

„Ich fand nicht, Gott hat dich mir gegeben“, so sagt er zu seiner Ehefrau.

Er hat offenbar ernst genommen, was damals und heute beim  Traugelöbnis gefragt wird: Willst du deinen Ehepartner aus Gottes Hand nehmen, willst du ihn lieben und ehren dein Leben lang und ihn in Freude und Leid nicht verlassen...“?

 

Den Ehepartner aus Gottes Hand nehmen – in guten und bösen Tagen – das scheint mir das Entscheidende für eine christliche Ehe zu sein. Und so sagt es auch Jesus hier: Was Gott selbst zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen.

 

Pharisäer kommen zu ihm und fragen ihn:  Darf man sich scheiden lassen? Jesus, der ihre Hinterhältigkeit durchschaut, geht zum Gegenangriff über: Was sagt denn die Torah? Ihr wisst es doch selbst! Und sie zitieren 5. Mose 24 Vers 1: Wenn jemand eine Frau zur Ehe nimmt und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat, so kann er einen Scheidebrief schreiben, ihr in die Hand geben und sie aus dem Hause entlassen.

 

Und Jesus sagt ihnen: Weil er eure steinharten Herzen kennt, hat Mose dies ermöglicht – der Wille Gottes des Schöpfers ist das aber nicht! Der Schöpferwille Gottes ist, dass Gott einen Mann und eine Frau schuf und dass in der Ehe zwei Menschen ein einziger Mensch werdenund zeitlebens bleiben.

 

Die Pharisäer gehen von der menschlichen Sündhaftigkeit aus und lassen Einschränkungen gelten – Jesus hält kompromisslos an Gottes ursprünglichem Schöpferwillen fest. Er ist anscheinend strenger, kompromissloser – aber er ist es

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darum, weil er weiss, was wahre Freiheit ist – nämlich kompromisslos an Gottes Wort und Weisung festhalten (vgl. Josua 1 Vers 7) – auch wenn es unbequem ist, auch wenn verführerische, versucherische Gedanken kommen, die sagen: Na,nimms mal nicht so ernst, Gott drückt sicher auch schon mal ein Auge zu... 

 

Die Pharisäer gehen von der Situation der Menschen aus, Jesus geht von Gottes Willen aus und hält daran fest, auch wenn‘s unbequem, schwierig, scheinbar einengend ist, ihn zu tun. Auch heute gibt es ja viele Stimmen, auch im kirchlichen  Bereich, die sagen:Man soll das mit der Unauflöslichkeit der Ehe nicht gar so wörtlich nehmen, man muss sich ein bisschen anpassen an die heutige Zeit...Und wie viele gehen den Seifenopern und den  Boulevardzeitschriften auf den Leim, die unablässig suggerieren: Sex ist das Wichtigste im Leben, Abwechslung ist dabei gefragt, man soll doch Spass haben...Das schreckliche Resultat ist, dass inzwischen fast 40% der Ehepaare, von denen fast alle am Altar einander lebenslange Treue gelobt haben, sich voneinander scheiden. Was das vor allem für Kinderseelen bedeutet, davon erfahre ich Einiges auf Kinderfreizeiten oder in der Grundschule, und auch bei denen, die sich haben scheiden lassen, ist die Folge oft Einsamkeit, Verbitterung, innere Leere...Sie sind wahrlich nicht glücklicher geworden .

 

Ich vergesse nicht: An seinem 75. Geburtstag versammelte mein Vater seine Kinder samt Schwiegerkindern um sich und  sagte, halb scherzhaft, halb ernst: Wehe, jemand von euch lässt sich jemals scheiden. Vergesst nie: Der andere oder die andere, die ihr dann kriegt, ist keinen Deut besser.

 

Das ist schon so: In einem Menschen, mit dem man sein Leben lang verbunden bleibt, kann man alles Glück finden – wenn man nur in Gottvertrauen bleibt, wenn man auch in schwierigen Phasen oder Durststrecken der Ehe im  Vertrauen bleibt: Da führt Gott uns hindurch, und es wird schon seinen Sinn haben.

 

Also: Das Vertrauen in Gottes Wort und Gottes Führung scheint mir entscheidend für eine glückliche Ehe. Das Vertrauen: Gott hat uns Beide zueinander geführt, Er will und wird uns beieinanderhalten.

 

Das bedeutet dann auch: Der Ehepartner ist Gottes Geschenk an mich, mit dem Gott mich beglückt – und er ist zugleich Gottes Aufgabe an mich, ich bleibe Gott für sein Glück, seine Freiheit, sein Leben  verantwortlich. Ich las einmal den klaren Satz: Gott wird Eheleute am Jüngsten Tag nicht in erster Linie fragen: Was hast du aus deinem Leben gemacht? Sondern: Was hast du aus dem Leben deines Ehepartners gemacht?

 

Wie gut ist es also, wenn beiden Eheleuten der christliche Glaube wichtig ist, wenn sie jeder für sich und Beide miteinander in der Bibel Kraft suchen und finden, wenn sie – jeder für sich und  miteinander – beten, für den Andern danken, für den Andern bitten.

 

Und entscheidend wichtig ist, dass das Gespräch nie abbricht. Ich las vor einiger Zeit  - für alles gibt es ja eine Statistik - : Eheleute in Deutschland reden täglich im Durchschnitt 17 Minuten miteinander. Das ist entschieden zu wenig. Alles muss

 

 

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rechtzeitig ausgesprochen werden. Das Wichtigste in einer Ehe ist das Gespräch –  mit Gott und miteinander.

 

Abschliessend zur Klarheit noch drei Bemerkungen:

 

Einmal: Aus der Wahrheit darf kein Prinzip werden. Wenn für einen Menschen das Leben in der Ehe absolut freudlos und eine Qual geworden ist, dann kann es sein, dass er sich besser – eine Zeitlang oder schliesslich auch für immer – von dem Ehepartner trennt – denn Gottes Wille ist ja immer auf Leben und Freude gerichtet. Nur scheint es mir, solche Trennung geschieht heutzutage oft allzufrüh und allzu schnell.

 

Weiter, damit das ganz klar ist: Jeder, auch der anscheinend treueste Ehemann, die treueste Ehefrau wird genauso jeden Tag schuldig wie der Treuloseste in einer Ehe – jeder ist täglich auf Gottes Nachsicht und Vergebung angewiesen – also kann sich keiner über einen anderen erheben: Vor Gott stehen alle Menschen gleich da als Sünder, die Vergebung brauchen, denen Gott sie aber auch schenkt, wenn wir ihn von Herzen darum bitten.

 

Und schliesslich: Das Leben in einer Ehe ist auch nach Jesu Überzeugung (Matth. 19, 10f., vgl. Paulus: 1. Kor.7, 7f.) nicht die einzige Lebensform, in der man sinnvoll und relativ glücklich das Leben verbringen kann. Sondern in jeder Form von Einsam- oder Gemeinsamkeit können wir, erfüllt von Gottvertrauen und im  Hören auf Gottes Wort, glücklich und sinnvoll leben. Amen.

 

Dieses Gottvertrauen wollen wir bekennen und uns stärken lassen:Lied 326, 5+6