Lieder:
Herr Jesu
Christ...155
Wenn wir in
höchsten Nöten...366
Reich des
Herrn...602
Psalm
25
Lesung:
5. Mose 8, 7 - 19
Predigt über Markus 12, 1-9
Liebe
Schwestern und Brüder,
der heutige Predigttext
ist ein Gleichnis Jesu. Der Ort, an dem er es sagte: Der Vorhof des Tempels,
vielleicht die Treppenstufen, auf denen man in den Vorhof hinauf ging: Dort
fanden die „Streitgespräche“ der in den heiligen Schriften gelehrten Männer
statt. Eben sie, die führenden Priester,
die Gesetzeslehrer, und die Ratsältesten, also Vertreter der religiösen
und politischen Elite, sind die Zuhörer Jesu (vgl. Kap. 11 Vers 27). Sie hatten
versucht, Jesus im Gespräch eine Falle zu stellen - vergeblich (V. 20 – 33). Dann heißt es im heutigen Predigttext:
Darauf wandte sich Jesus mit einem Gleichnis an sie. Er
sagte:
Ein Mann legte einen Weinberg an, machte einen Zaun darum,
baute eine Weinpresse und errichtete einen Wachtturm. Dann verpachtete er den
Weinberg und ging außer Landes.
Zur gegebenen Zeit schickte er einen Boten zu den Pächtern, um seinen Anteil am Ertrag des Weinbergs abholen zu lassen. Die Pächter aber schlugen den Boten und schickten ihn mit leeren Händen fort.
Der Besitzer schickte einen zweiten, dem schlugen sie den
Kopf blutig und behandelten ihn auf die schimpflichste Weise.
Da schickte er einen weiteren Boten, den brachten sie sogar
um. Und so machten sie es noch mit vielen anderen, die er schickte: Die einen
wurden mißhandelt, die anderen umgebracht.
Schließlich blieb ihm nur noch sein eigener Sohn, dem seine
ganze Liebe galt. Den schickte er zu den Pächtern, weil er sich sagte: Vor
meinem Sohn werden sie Respekt haben.
Aber die Pächter sagten zueinander: Das ist der Erbe! Laßt
uns ihn umbringen, dann gehört seine Erbschaft, der Weinberg, uns! So töteten
sie ihn und warfen den Leichnam aus dem Weinberg hinaus.
Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird selbst
kommen, wird die Pächter töten und den Weinberg anderen anvertrauen.
Unerschöpflich,
sagt Jesus hier, unerschöpflich ist
auch die Geduld dieses Weinbergbesitzers nicht. Irgendwann wird er diese
nichtswürdigen Pächter zur Rechenschaft ziehen. Er wird sie enteignen und dem
Tod ausliefern. Er wird an ihrer Stelle dann andere Pächter suchen und
vielleicht auch finden.
2
I
Jesus stellt
seinen damaligen Hörern – Priestern, Schriftgelehrten, die ihm feindselig
gesonnen waren – das Verhalten des Volkes Israel vor Augen – und die Reaktion
Gottes darauf.
Er sagt: Wie
viele Boten hat Gott unserm Volk gesandt, wieviele Propheten, Mahner, Warner
bis hin zu Johannes dem Täufer...Man hat kaum einen von ihnen jemals hören
wollen, sie wurden stattdessen vertrieben, mißhandelt, einige sogar umgebracht.
Und er sagt
ihnen ins Gesicht, was sie insgeheim schon über ihn beschlossen haben, er sagt
ihnen: Auch den letzten, den Sohn, werdet ihr töten und werdet seinen Leichnam
über den Zaun werfen.
Und so ist es
dann ja auch gekommen. Die, zu denen Jesus hier redet, wollten wirklich nicht
mehr hören. Es war alles längst beschlossene Sache. So wie wir das auch von uns
kennen: Da schlägt einer etwas vor..und wir hören zu, aber in Wirklichkeit
hören wir überhaupt nicht mehr zu. Wir wissen schon, was wir tun werden, es ist
längst beschlossene Sache, steht längst fest. Oder – damals in der Nazi-Zeit
der Volksgerichtshof unter dem Präsidenten Roland Freisler. Da konnten die
Gefangenen zu ihrer Verteidigung sagen, was
sie wollten – das Urteil über sie stand im vorhinein fest. Und manchmal
ist es ähnlich auch bei politischen Entscheidungen, etwa über Krieg und
Frieden: Man verhandelt noch, tut dies und das – aber der Entschluß zum Krieg
steht insgeheim längst fest (obwohl man
immer auch mit Wundern rechnen und dabei dem Gebet ungeheuer viel
zutrauen soll).
Und es ist
damals auch dies eingetroffen, was Jesus voraussagte: Der Weinberg – und er ist
ja ein Bild für das Reich Gottes – der Weinberg wurde anderen anvertraut...Die
Verkündigung vom Reich Gottes wanderte aus Israel hinaus, sie ging, beginnend
mt der Mission des Paulus, in die Völkerwelt hinaus, breitete sich aus über die
ganze Welt - und heute erreicht dieses
Gleichnis Jesu uns, heute ist sein Ort unsere Kapelle hier, heute sagt Jesus es
zu uns.
„Ein Mensch pflanzte einen Weinberg...er verpachtete ihn an
Weingärtner und zog außer Landes“.
Genau das ist
unsere Wirklichkeit. Gott hat durch Jesus sein Reich unter uns gegründet..und
nun ist Jesus sozusagen außer Landes – ist in seiner himmlischen
Herrlichkeit...Aber er hat uns zu Pächtern eingesetzt, d.h. dazu ist unser
Leben da,
daß es Ertrag
bringt für ihn, den Herrn des Weinbergs, für ihn, den König des Reiches Gottes.
Halten wir
hier einmal inne.
Eigentlich ist
das eine Binsenweisheit. Bei der Taufe wurde der Name des dreieinigen Gottes
über uns ausgerufen und das bedeutet, wir gehören nicht uns
3
selbst, wir
gehören Christus, er ist der Eigentümer unseres Lebens und wir sind dazu da,
daß wir sozusagen etwas erwirtschaften für ihn, wir sind nicht dazu da, in die
eigene Tasche zu wirtschaften. Obwohl wir das immer tun, uns so verhalten, wie
es Jesaja (Kap. 53) einmal schreibt: Ein jeder sieht auf seinen Weg...sieht
auf sich, seinen Vorteil, seinen Nutzen, will selbstherrlich sein Leben in die
eigene Hand nehmen, selbst bestimmen, was gut und böse für ihn ist. Aber wir sind nicht Eigentümer, sondern
Pächter, unser Leben soll Frucht bringen für Gott und sein Reich. Paulus zählt
solche Früchte in seinen Briefen an mehreren Stellen auf (Röm. 14, 17; Gal.5,
22f.) und sagt: es sind Liebe, Freude, Friede, Geduld, Langmut, Freundlichkeit,
Gerechtigkeit, Sanftmut, Keuschheit...
Aber geschieht
das? Wo und wie geschieht das unter uns? Geschieht es in meinem persönlichen
Leben? Und: Blüht und wächst das Reich Gottes auch in den Ländern Europas ?
Könnte es sein, daß eine Zeit kommt, in der der Eigentümer den Weinberg, das
Reich Gottes, von uns nehmen und ihn anderen Völkern geben wird? Könnte es
sein, daß das Christentum hier schrumpft,vielleicht bis auf ein paar
christliche Inseln verschwindet und stattdessen aufblüht in China, Afrika,
Lateinamerika?
III
Das scheint
- wenn überhaupt - in weiter Ferne zu
liegen. Und es ist eigentlich auch nicht wichtig, darüber zu spekulieren. Denn
im Grunde ist nur eins wichtig: Daß
jeder von uns jetzt Jesus zu
sich persönlich reden hört: Jesus sagt uns: Du bist einer von den Pächtern im
Weinberg. Wie sieht’s mit deinem Wirken im Reich Gottes aus? Bringt Deine Arbeit Früchte? Schöne,
süße Trauben? Lebst du andern Menschen zur Freude? Zur Hilfe? Betest Du für
Andere? Übst Du die Dankbarkeit? Lebst Du aus
dem Nährboden,
der Kraft des Wortes Gottes? Denn darum geht es ja eigentlich: Nicht in erster
Linie darum, etwas für Gott zu tun, sondern zuerst und vor allem: etwas von
Gott zu empfangen, sich von Gott beschenken zu lassen: mit Kraft, mit
Freude am Evangelium, mit Trost. Denn auch wenn die Lügen der„Spaßgesellschaft“
das immer zu überdecken versuchen, das stimmt ja alles, was wir eben zum
Beispiel von der Trübsal und der Not in unserm Leben gesungen haben...Die Frage
ist also: Wendest Du dein Leben der Sonne, dem Licht der Liebe Gottes zu? Jeden
Morgen kann das geschehen, etwa über dem Lesen der Losungen – und dann sieht
der Tag anders aus, wir bekommen Kraft zum Guten...Darauf kommt alles an, daß
wir vor Gott einmal nicht mit leeren Körben dastehen. Sondern daß Gott einmal
sagen kann: Du hast tüchtig und liebevoll im Weinberg gearbeitet, hast dich um
Ertrag bemüht, anderen und dir selbst zur Freude und zum Segen. Du hast den schalom, den Frieden im Reich
Gottes gefördert.
Dazu ein
schöner und eindrücklicher Text aus dem evangelischen Sonntagsblatt DER WEG von
vorletzter Woche. Der Chefredakteur, Andreas Krzok, beginnt, indem er von einem
Erlebnis auf einem Großstadtmarkt schreibt:
„Eine Mischung aus ängstlicher Scheu und trotziger Abwehr malte sich auf dem Gesicht der alten Dame ab, als ich sie auf ihr Tun ansprach. Sie fütterte wie an jedem Nachmittag die Tauben mitten in der Großstadt. Ein Ärgernis für viele, die die - Anführungszeichen - „Ratten der Luft“ lieber mit Georg Kreisler im Park vergiften
4
würden. Und das hat die Dame mit den Plastiktüten voll Vogelfutter schon oft zu spüren bekommen. „Sie beschimpfen mich“, sagt sie. „Dabei sind die Menschen viel
schlimmer als die Tiere. Die sind doch unschuldig und tun keinem was zuleide. Und für mich ist es ein Stück Lebensinhalt“.
Die offenbar sehr einsame Frau und ihre Tauben sind für mich zu einem Sinnbild geworden, das mit dem bekanntesten Lied des im vergangenen Herbst verstorbenen Sängers Hans Hartz zu einer Denkfigur verschmilzt. „ Die weißen Tauben sind müde“, heißt es in dem Text, „sie fliegen lang schon nicht mehr. Sie haben viel zu schwere Flügel, und ihre Schnäbel sind längst leer. Jedoch die Falken fliegen weiter, sie sind so stark wie nie vorher, und ihre Flügel werden breiter, und täglich kommen immer mehr.“
Ein Zeitbild par excellence: Die Taube, die mit dem Zweig im Schnabel die Hoffnung zu Noah brachte, die Taube, die Picasso mit seiner Zeichnung der Menschheit als Friedenssymbol schenkte, ist für Großstädter zum Ärgernis geworden. Und zum Ärgernis scheinen auch die Sanftmütigen und Friedfertigen zu werden, die in der Politik als „Tauben“ gelten. Sind ihre Flügel schon müde geworden, während die „Falken“ immer mehr und immer stärker werden?
Ach, wie nahe liegt es, in das Lied von Hans Hartz
einzustimmen. Aber das hieße, die Tauben den Falken preiszugeben.
Laßt uns lieber zum Ärgernis werden und uns auf die Seite
der Tauben schlagen. Um Beistand dürfen wir den heiligenGeist bitten. Sein
Symbol: die Taube.“
Soweit dieser
Text.
„Um Beistand dürfen wir den heiligen Geist bitten...“. Um sein Kommen bitten, um seine
Kraft, um sein Licht, nicht nachlassen zu beten, das ist eine Hauptaufgabe von
uns Pächtern heute. Um den Heiligen Geist bitten für die in der Politik
Verantwortlichen, für uns selber... Er kommt und macht uns zu Tauben – ja mehr:
zu Adlern. Denn:“ Die auf den Herrn
harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie
laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden“. Amen.