Wochenspruch: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (1.Joh.4,5).
Lieder:
In dir ist Freude...398
Ich weiß, woran ich glaube...357
Zieh ein zu deinen Toren... 133, 5-7. 11 und 12
Psalm: 30 (EG 717)
Gebet
zum Kyrie: EG 866 (D. Bonhoeffer)
Gnadenspruch: Christus spricht: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh. 16,33)
Kollektengebet: EG 389
Fürbitten:
EG 133, 8 - 10
Lesung: Jesaja 49, 1 - 6
Ich lese den Predigttext: Markus 9, 14 – 29. Unmittelbar vorher steht die Erzählung von der Verklärung Jesu: Hoch oben auf einem Berg erscheint Jesus dem engsten Jüngerkreis für einen Augenblick im Glanz der Lichtherrlichkeit Gottes und er redet mit Mose und mit Elia, den Repräsentanten des biblischen Israel.- Sie wandern dann wieder ins Tal hinunter und dann heißt es:
Und sie
kamen zu den anderen Jüngern und sahen eine große Menge um sie herum und
Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten.
Und
sobald die Menge ihn sah, entsetzten
sich alle, liefen herbei und grüßten
ihn.
Und er
fragte sie: Was streitet ihr mit ihnen?
Einer
aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu
dir, der hat einen Geist, der ihm die Sprache nimmt.
Und
immer wenn er ihn anfällt, reißt er ihn
hin und her, und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit
den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, daß sie ihn
austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.
Er aber
antwortete ihnen: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch
sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir
Und sie
brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riß er ihn. Und er
fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund.
Und
Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, daß ihm das widerfährt? Er sprach:
Von Kind auf.
Und oft
hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, daß er ihn umbrächte. Wenn du
aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!
Jesus
aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.
Sogleich
schrie der Vater des Kindes: Ich glaube;
hilf meinem Unglauben!
Als nun
Jesus sah, daß das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach
zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und
fahre nicht mehr in ihn hinein.
Da
schrie er und riß ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, so daß
die Menge sagte: Er ist tot.
2
Jesus
aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.
Und als
er heimkam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben?
Und er
sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.
Liebe Gemeinde!
Eine wahre Wundergeschichte. Eine Geschichte sehr zum sich Wundern, zum Staunen, zum Glauben lernen.
Welch ein tiefes Glaubenswissen sehen wir hier bei dem Evangelisten Markus! Und welch eine hohe Erzählkunst! Auf knappstem Raum, in dichtestem Erzählrhythmus
stellt er uns vier Szenen vor Augen:
I
1. Szene: Streit! Streitparteien sind Schriftgelehrte – Theologen also – auf der einen Seite, und Jünger Jesu auf der anderen Seite. Umgeben sind sie von einer Menschenmenge, einfachen Leuten aus dem Volk, die den Streithähnen auf beiden Seiten zuhören. Worüber eigentlich gestritten wird, erfahren wir hier noch nicht.
2. Szene: Jesus kommt! Er kehrt mit Petrus und mit Jakobus und Johannes, den beiden Söhnen des Zebedäus, vom Berg der Verklärung zurück. Die Menschenmenge grüßt ihn voller Ehrfurcht, sie „entsetzen sich über ihn“, schreibt Markus; er gebraucht hier das gleiche Wort wie bei den Frauen angesichts der Engelerscheinungen vor dem leeren Grab Jesu.- Ob noch ein überirdischer Lichtschein von ihm ausstrahlt, noch etwas vom Glanz der Verklärung auf seinem Gesicht liegt? Alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf ihn. Jesus läßt sich die Ursache des Streites erklären. Die Antwort kommt nicht von den streitenden Parteien, sondern von einem Mann aus dem Volk, einem Mann auf verzweifelter Suche nach Hilfe. Er hatte nach Jesus Ausschau gehalten, und dann immerhin seine Jünger gefunden. Wenn die seit vielen Monaten immer in seiner Nähe waren, dann mußten sie doch vielleicht wenigstens etwas von dem können, was Jesus konnte, mußten Anteil an seiner Macht über die Dämonen haben – denn als dämonisch sah der Vater die Krankheit an, unter der sein Sohn seit
frühester Kindheit litt; eine Krankheit, die für uns alle Symptome der Epilepsie zeigt.
Die Jünger aber hatten sich als unfähig zur Hilfe gezeigt, sie hatten nichts bewirken können, hatten versagt. Und diese Unfähigkeit, dieses Versagen war offenbar der Anlaß für den Streit und die Diskussionen.
3. Szene, der Höhepunkt: Jesus wendet sich von den Streitenden weg und den Leidenden zu. Allerdings nicht ohne zunächst beiden streitenden Gruppen einen Tadel von erschreckender Schärfe zu erteilen: Ein „ungläubiges Geschlecht“ nennt er sie, und er ruft aus: Wie lange muß ich euch noch ertragen?!
Dann ruft er den Kranken zu sich. Sofort brechen die Krankheitssymptome aus: Der Junge verliert jede Kontrolle, fällt auf die Erde, wälzt sich, hat Schaum vor dem
3
Mund. Jesus verhält sich wie ein guter Arzt bei der Anamnese: Er erkundigt sich bei dem Vater, er fragt nach der Vorgeschichte der Erkrankung. Und der Vater – ich stelle mir vor: Er zittert vor innerer Bewegtheit und Erregung – er schildert das
schreckliche Leiden und er fleht Jesus um Hilfe an. Jesus reagiert zunächst anscheinend unwirsch und abweisend: Alle, sagt er, können Wunder tun, wenn sie nur glauben! Da bricht es aus dem Vater heraus: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Und dieser Hilferuf aus innerster Seele weckt Jesu Erbarmen: Er befiehlt dem bösen Geist, den Jungen zu verlassen.
Danach liegt der da wie tot. Jesus ergreift ihn bei der Hand, richtet ihn auf, erweckt ihn zu neuem Leben.
4. Szene, Ausklang: Jesus ist mit seinen Jüngern allein. Die suchen das Erlebte sozusagen innerlich zu verarbeiten: Warum fehlte uns die Kraft zur Hilfe, zu neuem befreiten Leben für ihn? Jesu Antwort: Diese Art von Ungeist kann nur durch Beten ausgetrieben werden.
II
Was bedeutet dies alles für uns – für unser Leben, unseren Glauben?
Dreierlei sehe ich. Erstens: Die Jünger versagen kläglich, zeigen sich unfähig; alles, was sie können, ist fruchtlose Streiterei mit ein paar theologisch Gebildeten (vieleicht auch Eingebildeten), während Jesus abwesend ist. Mir schoß durch den Kopf: Vielleicht ist das ja ein Abbild unserer Kirche, wie sie ist – wenn Jesus nicht anwesend ist.
Wir Christen sind nicht Christus. Von uns aus können wir nichts als uns herumstreiten, und wir versagen oft kläglich. Das wollen wir klipp und klar zugeben - wir: Sowohl die Theologen wie die sog. „einfachen Gemeindeglieder“.
Es gibt Menschen, die sind aus der Kirche ausgetreten aus Enttäuschung über einen Pfarrer; und mir – nach 37 Jahren Pfarramt – ist schon bewußt, wie oft ich versagt und Menschen enttäuscht oder gar verletzt haben mag. Es gibt viele Menschen, die sagen: Die Christen sind auch nicht besser als andere Menschen, und da haben sie völlig recht. Wir sind nicht besser – nur unsere Botschaft, die wir mitzuteilen haben, die ist besser; ist das Wichtigste der Welt.
Und Jesus sagt zu uns allen: O ihr ungläubiges Geschlecht! Und er seufzt: Wie lange soll ich euch noch ertragen!
Ich hoffe und glaube, er ist noch nicht aus der Kirche ausgetreten. Wenn aber er – der mehr Grund als je ein Mensch hätte, enttäuscht, empört und zornig die Kirche zu verlassen – wenn er bis heute das Gottesvolk der Christen und Juden erträgt und zu ihnen hält – dann braucht eigentlich auch kein Mensch wegen des erbärmlichen „Bodenpersonals“ aus der Kirche auszutreten. Denn noch einmal: Was ist denn eigentlich wichtig und herrlich an der Kirche? Allein Er!
4
Und er allerdings: Er kann viel! Er kann auch heute Wunder vollbringen, böse Geister vertreiben, Tote auferwecken. Denn, das haben wir inzwischen sicher
gemerkt, diese Geschichte ist nur vordergründig eine Heilungsgeschichte, sie ist im Grunde viel mehr: Eine Schöpfungs-, eine Auferstehungsgeschichte.
„Du bist ja von allen guten Geistern verlassen!“ So sagen wir schon mal. Darin drückt sich das Wissen aus: Wir alle können von guten Geistern verlassen, stattdessen beherrscht, ja besessen sein von bösen Geistern, die viel stärker sind als wir, gegen die wir mit all unserer Macht nichts ausrichten können. Durch Jesus aber, durch sein gebieterisches Wort werden sie vertrieben, und mit ihm kommt dann ein anderer, ein heilender Geist zu uns.
Was bewirkt er? Frieden mit uns selbst. Wir werden nicht mehr hin- und hergerissen, voller Unruhe, unfähig zu guten heilsamen Worten, stumm und taub.
Darum geht’s wesentlich im christlichen Glauben: Um Frieden und Einklang mit uns selbst, um geheiltes Menschsein. Wir können, wenn Jesus zu uns kommt, Menschen sein, die der heilende, der heilige Geist erfüllt. Und das bedeutet: Wir werden wieder, die wir sind: Geschöpfe Gottes und Kinder Gottes, von ihm bejaht und geliebt, Gott in Anspruch nehmend, ihre ganze Hilfsbedürftigkeit zeigend.
Ich denke oft, liebe Gemeinde, dieses biblische Menschenbild von dem in all seiner Hilfs- und Erlösungsbedürftigkeit geliebten und bejahten Menschen steht in schärfstem Gegensatz zum Menschenbild der Werbung und auch der Olympischen Spiele und der Sport-Weltmeisterschaften, die samt und sonders ein Spiegel der Leistungsgesellschaft sind, wo inzwischen alles ins Über- oder Unmenschliche gesteigert wird und man bei der Sucht nach Perfektion und immer neuen Superlativen längst auf Doping, Anabolika, plastische Chirurgie zurückgreift.
Nein: Geheilte Menschen sind wir, wenn wir im
Frieden sind mit uns selbst und mit Gott und uns bejahen können in unserem
Menschsein mit all unserer
Gebrechlichkeit, Fehlerhaftigkeit, Schuld und Bedürftigkeit.
Dann aber, gerade dann, gilt - drittens - Großes von uns und für uns, nämlich die Zumutung und Zusage Jesu: Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt.
„Der Glaube versetzt Berge“, so sagen wir in Anklang an ein anderes Jesuswort. Der Glaube vermag auch Stürme zu stillen. Der Glaube vermag vermutlich alles. Das sehen wir an Jesus.
Und weil wir nicht Jesus sind, ist für uns – wie ich finde, am schönsten in der
ganzen Bibel - das Wesen und die Art christlichen Glaubens beschrieben und benannt in der aus innerster Seele kommenden Bitte des Vaters: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Da sehen wir: Glaube ist gerade kein Besitz, nichts Eigenes, sondern ganz und gar Erwartung. Der Glaube ist sozusagen ein Gefäß, ein leeres Gefäß, das gefüllt werden kann vom Geist Gottes. Der Glaube erbittet und erwartet alles von Gott. Ach, daß wir so glauben könnten!
5
Sehr schön hat der EKD-Ratsvorsitzende
Wolfgang Huber diesen Glauben beschrieben; er sagt: „Für mich ist der Glaube wie
die Sonne im Gebirge an einem wechselhaften Frühlingstag. Lange ersehnt, bricht
sie plötzlich durch die Wolken, und alles
liegt im klaren fraglosen Licht vor deinen Augen.
Gerade
versuchst du, dir alle Einzelheiten der Landschaft einzuprägen, da schiebt sich
eine neue Wolke vor die Sonne. Was gerade noch klar schien, liegt jetzt im Zwielicht. Was gerad0e noch fraglos war,
erscheint nun als zweifelhaft. Willst du
dich deshalb mit dem Zwielicht abfinden; willst du deshalb dem Zweifel den Sieg
zuerkennen? Nein! Du wanderst weiter und vertraust darauf, daß die Sonne wieder
durchbricht. Dann wird Neues in ihrem Licht erkennbar werden. Noch so viele
Wolken mögen sich dazwischendrängen. Das Licht kommt doch von der Sonne: Ich
glaube, hilf meinem Unglauben“.
Eins allerdings können wir doch tun, um die
Wolken vor der Sonne wegzuschieben; um die bösen Geister zu vertreiben, die
alles verdunkeln und Menschen zu Boden werfen, sie schäumen lassen können vor
Wut, sie hin- und herzerren. Jesus sagt:
Diese Art Geister fährt durch nichts aus
als durch das Gebet. Und im Johannesevangelium (Kap. 16, V.23) : Ich sage euch, und das ist wahr, wenn ihr
den Varter etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben!
Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen