Gottesdienst am 21. Sonntag nach Trinitatis, 16. Oktober 2005

 

Lieder:

O komm, du Geist der Wahrheit...136, 1-4

Zieh an die Macht, du Arm des Herrn...377

(Frühgottesdienst: Kommt her, des Königs Aufgebot...259)

Gib Frieden Herr, gib Frieden...430

Komm, Herr, segne uns...170

 

Psalm 19 (Nr. 708)

Lesung: Jeremia 29, 1-4.7. 10-14

 

Predigttext: Matthäus 10, 26b-38

 

Jesus sagt:

 

Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird und nichts geheim, was man nicht wissen wird.

Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.

Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.

Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von  ihnen auf die Erde ohne euren Vater.

Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt.

Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.

Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.

Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.

Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.

Und des Menschen  Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Und wer nicht sein  Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.

 

Liebe Gemeinde!

 

Nicht wahr, das sind unerhörte Worte.  Klar. Radikal. Kompromißlos. Echt Jesus. Sie benennen das, was der frühere Bundespräsident Heinemann einmal in dem Satz formulierte: Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn. Entweder bin ich ganz und gar Christ, bin von Jesus Christus fasziniert, begeistert, ergriffen – oder ich lasse es lieber ganz sein mit dem Glauben. Halbherzigkeit gibt es da nicht, sollte es nicht geben.  Die

Lauen, so sagt Jesus im Buch der Offenbarung (3,16), werde ich ausspucken aus meinem Mund.

 

 

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Und hier sagt er ebenso klar: „Wer  mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater“.

 

Es kommen also nicht alle, alle, alle in den Himmel, weil sie so brav sind, sondern die dürfen das hoffen, die es mit dem Glauben  an Jesus ernst meinen. Und dazu gehört, auch das zu glauben und ernst zu nehmen, was Jesus hier sagt: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird..“ Das heißt doch: Alles kommt noch einmal ans Licht. Auch unser ganzes Leben bis in jedes Wort, jede Empfindung, jede Tat und Untat hinein  – nämlich dann, wenn wir im Lichtglanz der Ewigkeit vor Gott stehen werden.  

 

Aber: Wird dann überhaupt einer von uns bestehen können? Muß Christus dann nicht zu jedem von uns sagen: Ich kenne dich nicht, du hast mich verleugnet? Oder wird er dann doch und  trotz allem, was gegen uns spricht, sagen: Du hast dich zu mir bekannt, darum  will ich mich jetzt  auch zu dir bekennen? Ich denke, uns ist klar: Das ist die entscheidende Frage unseres Lebens.

 

Aber nun  müssen wir auch fragen: Was heißt das denn, sich zu Christus bekennen? Es heißt zuerst und vor allem: Sich die frohe Botschaft gefallen lassen! Und die  lautet: Der Richter aller Welt ist zum Retter für dich und alle Welt geworden. Er hat, als er  am Kreuz das Gericht Gottes an unserer Statt ertrug, alles für dich und deine Seligkeit getan, du kannst und brauchst dir bei Gott nichts mehr an irgendwelchen Verdiensten  erwerben wollen, du brauchst aber auch keine Furcht mehr vor Gott zu haben – wohl Ehrfurcht, aber das ist etwas ganz Anderes, die erwächst gerade aus Liebe zu Gott -, aber keine Furcht mehr vor einem gerechten und strafenden Gott, denn du bist nun um Jesu willen schuldlos, gerecht und gut in Gottes Augen. Um es im Bild zu sagen: Das gleißende Licht der Heiligkeit Gottes, in dem alles Verborgene unseres Lebens aufgedeckt wird,  wird sich dann in ein wunderbar  wärmendes, bergendes, beseligendes Licht des Erbarmens Gottes wandeln. Und im Licht dieses Erbarmens erst  werden wir uns dann auch schämen über all das Dumme, Böse, Hartherzige und Geizige, mit dem wir anderen und vor allem uns selbst geschadet haben“. So wie es der Prophet Hesekiel einmal ausdrückt wenn er schreibt: „Du wirst dich schämen, spricht Gott, wenn ich dir alles vergeben werde“ (Hes. 16, 63). 

 

Und damit wir ja nun noch einmal klar, was ohnehin klar sein sollte: Wir hören das Evangelium von der Gnade Gottes nur dann richtig , wenn wir  auch ihr entsprechend  unser Leben gestalten, also gerade nicht mehr lasch, lau und gedankenlos dahinleben, sondern befreit und froh und mutig in der Nachfolge Jesu leben und seine Worte ernstnehmen; und dazu gehört auch : Wir lernen zu unterscheiden zwischen wahrem Frieden und falschem Frieden; zwischen  dem Frieden, den Jesus will und einem vorgetäuschten, faulen Frieden.  

 

Darum geht es Jesus, wenn er hier sagt: „Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“.

 

Nicht wahr, wenn man diesen Satz, aus dem Zusammenhang genommen, hört, könnte man ja wahrhaftig denken, hier redet ein Fanatiker, der aufruft zum „heiligen Krieg“.

 

Aber das ist ja nun eindeutig: Jesus war und ist gegen jede Art von Gewalt. Und wenn 

 

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man vergangene Woche in der Zeitung zitiert lesen konnte, daß der amerikanische  Präsident Bush allen Ernstes gesagt habe: „Ich handle im Auftrag Gottes...Der Herr sagte zu mir: George, gehe hin und beende die Tyrannei im Irak, und ich tat es“, so wird er sich noch wundern, was Jesus ihm einmal dazu sagen wird.

 

Denn das ist doch eindeutig: Jesus hat die Sanftmütigen selig gepriesen, also die, die in Frieden und Einklang mit sich  selbst sind; und dem Petrus hat er bei seiner Gefangennahme die deutlichen Worte gesagt: „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen“.

 

Es geht also nicht um das Schwert im Sinne von Gewalt, sondern es geht, wie der folgende Vers klar macht, um mögliche Auseinandersetzung und Entzweiung um Jesu willen.

 

Jesus sagt: Sich zu mir bekennen, das kann bedeuten, daß es Auseinandersetzungen, Widerspruch, Streit gibt in den Kirchzen und Gemeinden und bis in die Familien hinein. Jesus sagt: An erster Stelle stehe ich und mein Wille, und das Bekenntnis zu mir und meinem Willen soll das Leben in den Gemeinden und auch die familiären Beziehungen prägen, und es kann dann eben auch zu Auseinandersetzungen in den Familien führen. So wie ich's mal von einer Konfirmandin hörte: Der Vater sagte irgendetwas Zotiges über Ausländer und sie widersprach ihm und sagte: Das ist gegen das Christentum.  Jesus und sein Wille soll uns wichtiger sein als alles andere, darum sagt er zu uns: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert“.

 

Auch hier müssen wir klar sehen, was Jesus meint. Er meint Kreuz nicht in dem Sinne von Leiden im allgemeinen, sondern er meint strikt und  klar Anfeindung, Widerspruch, Nachteile, Bedrohungen, wie sie sich in der Nachfolge Jesu einstellen – müssen!

 

Aber müssen wir jetzt nicht ehrlich sagen: So etwas finden wir derzeit in unseren Kirchen und Gemeinden und bei unseren Gemeindegliedern kaum irgendwo. Überall ist doch eitel Harmonie und Friede...Aber vielleicht eben doch ein Friede von der Art, wie ihn auch  einmal ein Jeremia als Scheinfrieden, als faulen Frieden entlarvte, wenn er sagte: Sie gieren alle, klein  und  groß, nach unrechtem Gewinn, und Propheten und Priester gehen alle mit Lüge um und  heilen den Schaden meines Volks nur obenhin, indem sie sagen: Friede! Friede! Und ist doch nicht Friede (Jer. 6, 13f.).

 

Könnte es sein, daß das vielleicht auch unsere derzeitige Situation als Kirche und Gemeinde ist? Überall eitel Harmonie, man soll sich in der Kirche doch wohlfühlen und Limonade trinken, bloß keinen Streit, bloß nicht zu deutlich und  beharrlich fragen: Was will Jesus – und  was will er nicht?!

 

Auch und gerade in  der Art, wie wir das uns anvertraute Geld in der Gemeinde verwalten, geht es immer um die Frage: Ist das im  Sinne Jesu - oder nicht? Auch und gerade unser Umgang mit dem uns anvertrauten Geld ist eine geistliche Frage, eine Frage, in der unser Glaube geprüft wird.

 

Fauler Friede deckt immer alles zu, bemäntelt alles, sucht den billigen Kompromiß, sucht Harmonie um jeden Preis; wahrer Friede bedeutet immer Einsatz für Recht und  Gerechtigkeit, bedeutet Ringen und Auseinandersetzung im Fragen nach dem Willen Jesu.  Dieser Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und  Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.