Predigt über Matthäus 11, 25 – 30, Sonntag Kantate

(Andacht im Haus der Kirche am 19. Mai 2003)

 

Lied: Singet dem Herrn ein neues Lied...599 – Psalm 98 (Nr 742, S.1171) – Gebet (Luthers Morgensegen) – Auslegung – Gebet Nr.871 S. 1399 - Vaterunser – Lied: Nun danket alle Gott...321

 

Ich lese aus Matthäus Kap.11 die Verse 25 – 30:

 

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.

Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.

Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und  niemand kennt den Sohn  als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.

 

Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.

 

Vor einigen Jahren im Konfirmationsgottesdienst. Ich stelle die Gelöbnisfrage: Wollt ihr mit Jesus leben? Und noch vor allen anderen, laut und spürbar aus vollem Herzen, jubelnd geradezu erschallt ein lautes JA. Es kommt von einem  spastisch gelähmten Mädchen im Rollstuhl, das nur undeutlich sprechen kann und dessen Fröhlichkeit und Gottvertrauen während der ganzen Unterrichtszeit bereichernd für alle war. Ich will nichts beschönigen, ich weiß wohl, welche Lasten die Eltern dieses Mädchens tragen und welche Lasten das Leben auch für dieses Mädchen bereithält – und doch: Wie freute sie sich schon Monate vorher auf die Abendmahlsfeier und den Segen im Konfirmationsgottesdienst.

 

Ich mußte bei diesem „Ja“ und auch  vorher im Unterricht schon manchmal an diesen Jubelruf Jesu hier denken: Ich preise dich, Vater,weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart!

 

So war das damals bei Jesus: Einfache Leute wurden seine Jünger, und Menschen, die nicht viel hatten  und wenig galten, fanden in der Begegnung mit ihm Heilung und Heil, Vertrauen, Hoffnung und Liebe. Dagegen die Pharisäer und Schriftkundigen mit all ihrem gelehrten Wissen über Gott und dem Beachten  so vieler religiöser Vorschriften: Die machten es Jesus schwer und wollten ihn nicht. Er paßte nicht in ihre tiefgründigen Gedankensysteme und Lehren über Gott.

 

Und so ähnlich erfahre ich es häufig in der Gemeindearbeit: Da äußern  hochgebildete Gemeindeglieder in Stadtwald tiefgründige Gedanken über Gott. Aber mit dem schlichten Zutrauen zu Jesus tun sie sich schwer.

 

Woran liegt das? Ich denke, an mangelndem Mut zur Hingabe. Grübeleien, skeptische Äußerungen, Gedankensysteme und Philosophien über Gott können auch dazu dienen, sich Gott vom  Leibe zu halten, in Distanz zu ihm zu bleiben. Das

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Schönste für‘s Leben ist offenbar auch das Schwerste für viele: Sich einfach in Gottes Arme fallen zu lassen, die er uns in Jesus entgegenstreckt, sich selbst aus der Hand zu geben, sich beschenken zu lassen. Das ist offenbar um so schwerer für uns, für je gebildeter und klüger wir uns selbst halten. Darum bittet Matthias Claudius einmal – und er meint damit gerade nicht „dumm“, sondern in biblischem Sinne „klug“- : Laß uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden wie Kinder fromm und fröhlich sein...Das wollen wir jetzt auch bitten und singen Nr. 482 Strophe 5.

 

Und nun sind wir bereit, der Einladung Jesu zu folgen: Kommet her zu mir alle,die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

 

Auch dazu eine Erinnerung: Ich mache Besuche auf der Pflegestation eines der Altenwohnheime in unserer Gemeinde. Ich lese allen im Gemeinschaftsraum diesen Text vor und kaum habe ich begonnen: Kommet her zu mir alle...da stimmt eine alte Dame, die bis dahin teilnahmslos und wie mit erloschenen Augen dagesessen hatte,  laut und freudig ein:..die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Ich unterhalte mich später ein wenig mit ihr und noch bei meinem Hinausgehen wiederholt sie mehrfach: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

 

 

Dieses Jesuswort kann also lebendig werden, kann das tun, was es sagt, kann heilende Kräfte entfalten.

 

Alle Menschen lädt er ein – natürlich auch zur Mahlgemeinschaft mit ihm! Und  darum würden wir uns zum Herrn über unseren Herrn aufspielen, wenn wir Menschen, die zu Christus kommen wollen, aus der Mahlgemeinschaft ausschließen wollten. Alle hält er für mühselig und beladen, und das stimmt ja auch. Wenn wir nur so frei wären, das auch zu zeigen und  zu äußern, statt unsere Rollen zu spielen.

 

Kommt! Bei mir könnt ihr aufatmen.

 

Wie geschieht das, daß aus dieser Einladung Jesu eine Lebensgemeinschaft mit ihm wird? Indem wir uns von ihm unter sein „sanftes Joch“ spannen lassen und – unter seiner Lenkung – von ihm lernen. Wir verlernen bei ihm, Menschen von oben herab zu behandeln, ver-lernen Dünkel, Eitelkeit, Arroganz – aber auch jedes Kriechertum und Liebedienerei. Wir lernen bei ihm, Frieden mit uns selbst zu finden, in Einklang mit uns selbst zu leben.

 

Ich kenne einige alte Menschen in unserer Gemeinde, die haben das gelernt. Sie sind mit wachem Interesse bei anderen Menschen, fürsorglich, fürbittend. Sie sind eine Wohltat. Offenbar ist es sehr wichtig, rechtzeitig über alles zu sprechen, Schwieriges, Belastendes zu verarbeiten, Unbereinigtes zu klären, damit wir im Alter nicht in Unfrieden mit uns bleiben.

 

Hin und wieder liest man in der Zeitung von Untersuchungen, die ergeben hätten: Menschen mit lebendigem Glauben seien gesünder als andere. Das ist sicher wirklich so. Wer glaubt, der hat eine ganze Reihe von Arzneimittelchen nicht nötig. Amen.




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