Gottesdienst am 9. Sonntag nach Trinitatis, 12. August 2001
(Pfarrer
Martin Quaas)
Lieder:
Himmel, Erde,
Luft und Meer...504
Du meine
Seele, singe...302, 1.2.5.6
Die güldne
Sonne...449, 3.4.10
Der Tag ist
seiner Höhe nah...457, 1. 9 - 11 (gemeinsam gesprochen: 4-8)
Psalm:
145, 1 - 7 + 13
Schriftlesung:
1.Petrus 4, 7-11
Predigt über Matthäus 13, 44-46:
Liebe
Schwestern und Brüder,
das
Himmelreich, das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes: Darum ging es Jesus
in all dem,
was er gesagt, getan, erlitten hat. Reich Gottes, Reich der Himmel - das ist der zentrale Begriff seiner
Verkündigung. Im heutigen Predigttext erzählt er in einem Doppelgleichnis so
davon:
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker,
den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte
alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute
Perlen suchte,
und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und
verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Liebe
Schwestern und Brüder,
vom
Himmelreich erzählt Jesus. Er erzählt so davon, daß seinen Hörern,also auch uns
hier, eins ganz sonnenklar werden soll: Das
Himmelreich: Das ist das Kostbarste und Köstlichste, was es gibt.
Es ist kostbar wie ein Schatz, köstlich wie eine schimmernde Perle.
Und: Es ist
nicht fern, unerreichbar, irgendwo in einem Jenseits, sondern es ist im Leben
zu entdecken, es ist zu finden: Vielleicht erst nach langem mühevollem Suchen -
wie bei dem Perlenkaufmann, aber auch ganz unvermutet und überraschend ist es
zu finden - wie bei dem Landmann.
Und
schließlich und vor allem sagt Jesus uns hier: Das Himmelreich macht das Leben
reich! So reich, daß einer dafür alles, was ihm vorher wichtig und kostbar
war, ganz freudig und selbstverständlich
drangibt - so wie der Ackersmann all seine Habe, so wie der Perlenhändler all
seine anderen Perlen. Ganz klar,daß sie das tun: Sie gewinnen ja viel Schöneres
und Besseres!
2
Aber ich
denke, bei uns melden sich jetzt Fragen:
(1) Was ist
das eigentlich für ein Reich, das Himmelreich?
Und (2) : Wie
oder wo soll es denn zu finden sein?
Und
schließlich (3): Wieso soll es so kostbar und köstlich sein, daß wir dafür ganz
selbstverständlich auf das verzichten können, was uns vorher besonders wichtig
und teuer war?
I
Das
Himmelreich, so können wir sagen, das ist
ein Leben, in dem die Liebe Gottes regiert. Ein Leben, in dem Gott das
Sagen hat und in dem wir Gott - und zwar in allen Lebensbereichen - vertrauen
und gehorchen. Ein Leben, in dem wir dankbar all das Schöne, das wir erleben
und empfangen, von Gott annehmen, aber auch im Vertrauen bleiben: Auch das
Schwierige, das, was mir scheinbar schadet - auch das wird seinen Sinn haben.
Wenn wir unser
Leben von der Liebe Gottes regieren lassen - wir können auch sagen, von all den
Worten in der Bibel, in denen Gott uns seinen Willen sagt und zeigt, dann
gewinnt unser Leben Tiefe, Sinn und Schönheit. Wir werden dankbar, wir
erkennen: Das, was wir haben, ist nicht eigener Erfolg, Verdienst oder
Leistung, sondern Geschenk Gottes! Das Leben überhaupt ist Geschenk und Gabe
Gottes. Wir erleben ja derzeit wieder eine Neuauflage der menschlichen Sucht,
selber Gott sein zu wollen. Menschen rufen aus, als seien sie Gott:
"Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei". Aber
dieser Wahn, Leben selber "machen" zu können, wird sich als
verhängnisvoll herausstellen, als Irrweg und Sackgasse. Er wird die Menschheit
nicht glücklicher machen, sondern sie nur weiter vom Ziel und Sinn des Lebens entfernen.
Es bleibt bei dem Fazit, das der alte Luther zog: "Wir sind Menschen und nicht Gott; das ist die Summa, es wird doch
nicht anders".
Leben im
Himmelreich: Das bedeutet, dankbar für die Ehre und Würde zu sein, daß wir im
Hören auf Gott leben dürfen, im Gespräch mit ihm bleiben dürfen.
II
Aber nun die
zweite Frage: Wie entdecken, wie finden
wir dieses Himmelreich?
Eine doppelte
Antwort gibt Jesus. Der Tagelöhner entdeckt den Schatz ganz unvermutet,
überraschend, der Perlenkaufmann findet die Perle erst nach langem mühevollem
Suchen. Es gibt beide Möglichkeiten, Gott zu finden, es gibt sie beide wohl
auch bei jedem von uns.
Da gibt es die
Menschen, von denen Gott in Jesaja 65 Vers 1 sagt: "Ich habe mich finden lassen von denen,die mich nicht gesucht
haben, und ich bin erschienen denen,die nicht nach mir gefragt haben". Solche
Menschen gibt es in der Bibel: Denken wir zum Beispiel an Mose, dem Gott völlig
unvermutet im brennenden - nicht verbrennenden Dornbusch begegnet, oder denken
wir an Jeremia, an Paulus vor Damaskus, oder an die Jünger Petrus bei seinem
Fischzug oder Nathanael, der zu
3
Philippus
sagte: was kann aus Nazareth schon Gutes kommen (Joh.1) , und dem Jesus dann
ganz persönlich und überwältigend begegnet.
Das kann bei
jedem von uns geschehen, ist vielleicht schon einmal oder wird vielleicht noch
geschehen: daß uns über irgendeinem Wort, einem Erlebnis, einem Geschehen
völlig überraschend und blitzartig etwas Herrliches über Gott klar wird, so daß
unser Leben verwandelt oder auch von tiefer Freude erfüllt wird. Das kann
völlig überraschend, kann sogar über irgendeinem ganz schlichten Satz in einer
Predigt geschehen.
Ich vergesse
nicht, was mir mein Vater einmal erzählte: Da besuchte ihn eines Tages ein Mann
und sagte ihm, vor 10 Jahren hätte ihn, der sich bis dahin eigentlich um Gott
garnicht groß gekümmert habe, ein Satz aus einer Ansprache meines Vaters so
getroffen, daß dieser eine Satz sein Leben völlig verändert habe. Er nannte
diesen Satz, und mein Vater fand, wie er sagte, eigentlich garnichts Besonderes
an ihm. Und zu mir sagte mein Vater dann: Das war das einzige Mal während der
30 Jahre, in denen ich gepredigt habe, daß mir einer mal so etwas gesagt hat -
aber dafür allein haben sich die 30 Jahre Predigen gelohnt.
Und nun gibt
es auch die andere Linie, wo einer erst nach mühevollem Suchen Gott findet, es
gibt die Menschen, von denen Gott in Jeremia 29 Vers 13 sagt: Wenn wir mich von ganzem Herzen suchen
werdet, will ich mich von euch finden lassen. Es gibt die Menschen, deren
Herz - um es mit einem Zitat des Kirchenvaters Augustinus zu sagen - deren Herz
unruhig ist, bis es Ruhe findet in Dir, Gott.
Auch dies gibt
es heute, vielleicht auch bei uns: Wir suchen und fragen und mühen uns, lesen
viele Bücher, lesen oft in der Bibel, beten regelmäßig - und endlich, endlich,
wird unserer Mühe reicher Lohn zuteil. - Obwohl man sicher zu dieser Weise,
Gott mit viel Mühe zu suchen und schließlich voller Freude zu finden, sagen
muß: Es scheint dies selten zu sein, daß Menschen so sind. Es scheint so, als
würde die sog. "Spaßkultur", die unser Leben so beherrschen will,
dazu führen, daß man sich für Gott und damit für die Tiefe und Wahrheit des
Lebens überhaupt nicht mehr
interessiert.
Es scheint so, als seien Lebensdimensionen, wie sie in den Worten Sünde, Gnade,
Dankbarkeit, Ehrfurcht angesprochen werden, absolute Fremdworte für das Leben
vieler Menschen geworden. Das jedenfalls sagten mir die Jugendlichen, mit denen
ich gerade auf der Freizeit in Brno war, immer wieder - und doch nahmen sie die
Chance wahr, auf biblische Texte zu hören, Gebete zu sprechen - und damit etwas
zu tun, was in ihrem Lebensalltag oder dem ihrer Eltern oder Freunde sonst
absolut nicht vorkam.
III
Aber nun noch
die dritte und vielleicht wichtigste Frage: Wieso ist das Himmelreich etwas so
Köstliches, daß wir dafür ganz selbstverständlich auf Anderes verzichten
können, was uns vorher wichtig und teuer war?
So wie es beispielhaft von Franziskus von Assisi berichtet wird: Er gab
seinen Reichtum auf, weil er in der Liebe Gottes etwas viel Schöneres,einen
viel köstlicheren Schatz fand.
4
Nun,ich
glaube,die Antwort auf diese Frage kann nur jeder selbst geben, wenn er nämlich
- so oder so - Gott gefunden hat, von ihm gefunden wurde - und er nun mit Gott
lebt.
Ihm wird zum
beispiel klar, wie herrlich Vergebung ist.
Denn erst der,der mit Gott und im Hören
auf ihn lebt, erkennt ja, daß er Menschen Liebe schuldig bleibt bzw. daß er an
Menschen und an Gott schuldig wird.
Weiter: Er
erfährt,wie wunderbar es ist, dankbar sein
zu können.
Weiter: Er
wird immer mehr staunen über die Wunder
in der Schöpfung. Er wird die Rätsel in der Welt - das Böse, das Leid, die Ungerechtigkeit - stehen lassen, er
wird die Geheimnisse in der Schöpfung unangetastet lassen.
Weiter: Er
lebt in der Überzeugung: Jesus und
niemand sonst hat und spricht das letzte Wort, und: Besseres und Schöneres als
auf die Worte der Bibel zu hören, den Geboten Gottes entsprechend zu leben,
gibt es nicht, denn diese Worte vermitteln eine Freiheit ohnegleichen, eine Freiheit,die aus der Erkenntnis kommt:
Gottes Wesen ist eine unsagbar herrliche Güte, Gottes Wesen ist ein maßloses
Erbarmen, es gilt mir wie jedem anderen Menschen ganz unabhängig von unserem
Leisten.
Ich bin fest
überzeugt: Im Lichte dieses Erbarmens werden wir uns einmal schämen, daß wir so
dumm waren und nicht viel mehr nach der Liebe Gottes gesucht bzw. uns ihr
hingegeben und anvertraut haben.
Wir bekommen
darüber dann auch einen neuen Blick für Menschen. Wir sehen,um Luther zu
zitieren, auch bei dem häßlichsten Menschen, daß er eine goldene Kette um den
Hals trägt. Und schließlich: Wir bekommen einen überaus sinnvollen
Lebensauftrag: Zum Wachstum von Gerechtigkeit, Versöhnung, Liebe unter den
Menschen beizutragen.
Für das Wort
Himmelreich können wir auch einen Namen einsetzen: den Namen Jesus Christus. Er in Person ist das
Himmelreich, das Köstlichste und Kostbarste für's Leben. Darum: Der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernuft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Christus Jesus unserm Herrn. Amen.