Gottesdienst am  12. 2. 2006

 

(1) Erläuterung des Logos der Vollversammlung von Porto Allegre: 

 

Siegel unserer Gemeinde:

Logo ÖRK     

Logo Porto Allegre vom holländischen Künstler Edwin Hassink (Genf)

 

Das Ganze ist dem Schiff, dem Symbol des Ökumenischen  Rates, nachempfunden

und doch ist darin auch vielfältige weitere Symbolik hinsichtlich der Formen und der Farben

zu erkennen

 

Zuerst: Die Hand , die Schöpferhand Gottes  - rot gemalt, rot für das Leben, die Liebe, die schöpferische Kraft des Heiligen Geistes.

Die Hand Gottes - Sie steht an Anfang, als Symbol gewissermaßen der Urgnade, aus der heraus Gott  die Welt erschafft. Es ist aber auch die bergende und segnende Hand Gottes, die Hand, von der es heißt: Du kannst nie tiefer fallen als in die Hand Gottes.  

 

Aber - das Motto der Vollversammlung ist ja eine Bitte zu Gott - : Wir können auch an unsere betenden Hände denken.

 

Zweitens:  aus der schöpferischen Gnade Gottes heraus entsteht die Pflanze, das Leben, die Schöpfung, aber sie hat auf diesem Bild die Form eines Ölzweigs, wie ihn die Taube am Ende der Sintflut trug, das Zeichen der Bewahrung der Schöpfung durch Gott, der damals sagte: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und  Winter, Tag und Nacht" (Gen.8).

Aber wir sehen auch deutlich die Form des Kreuzes: Das Kreuz ist das Zeichen der erlösenden Gnade und Liebe Gottes, die uns Jesus durch seinen Kreuzestod erworben hat.

 

(3) Mit etwas Phantasie kann man auch eine fliegende Taube erkennen. Die Taufe: Symbol des Heiligen Geistes, aber auch Symbol für die Gnade Gottes, die Frieden schafft und uns antreibt, durch die Kraft des Heiligen Geistes in uns Frieden zu stiften.

 

(4) Schließlich: Zwischen Gott und seiner Schöpfung  steht der Regenbogen, er symbolisiert die Gnade und Treue, mit der Gott  all seinen Geschöpfen schützend und bewahrend zugewandt bleibt.. Die Regenbogenfarben sind übrigens die brasilianischen Nationalfarben blau gelb grün, denn die Vollversammlung findet ja in  Brasilien statt

 

 

Die verwandelte Welt - so ist das ganze Bild überschrieben.

Das ist die Zukunft, wenn alles geborgen lebt in  Gottes Hand, wenn wir Menschen lernen, alles aus seiner Hand zu empfangen,

wenn Kreuz und Tod verwandelt werden in blühendes Leben,

wenn Frieden herrscht zwischen Himmel u Erde,  zwischen  Mensch und Mitgeschöpfen , zwischen Mensch und Mitmensch.

Es ist die Gnade Gottes, die diese Verwandlung schafft in uns - und durch uns

 

Was das Wesen dieser Gnade Gottes ist und wie sie wirkt, davon handelt der Predigttext zur Eröffnungsversammlung, über den auch ich gleich die Predigt halten  werde: Das Gleichnis von den   Arbeitern im  Weinberg.

 

 

 

 

 

 

Predigt am Sonntag Septuagesimae, 12. Februar 2006, über Matthäus 20, 1-15:

 

Jesus sagt:

 

Mit dem Leben im Reich Gottes ist es wie mit einem Hausherrn, der früh am Morgen   ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.

Er einigte sich mit ihnen auf den Tagelohn von einem  Denar, einem  Silberstück. Dann schickte er sie in den Weinberg.

Um neun Uhr ging er wieder auf den Marktplatz und sah dort andere arbeitslos herumstehen. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg, ich will euch geben, was recht ist.

Und sie gingen hin.

Ebenso machte er es mittags um 12 und um drei Uhr nachmittags. Und als er um fünf Uhr das letzte Mal zum Marktplatz ging, fand er noch einige und sagte zu ihnen: Was steht ihr den ganzen  Tag herum?

Sie antworteten: Es hat uns niemand eingestellt.

Da sagte er: Geht auch ihr noch hin und  arbeitet in meinem Weinberg.

 

Als es nun Abend wurde, sagte der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Leute zusammen und gib ihnen den Lohn. Fang an bei den letzten bis zu den ersten.

Da kamen, die um fünf Uhr angefangen hatten, und  jeder bekam sein Silberstück.

Als nun die an der Reihe waren, die ganz früh begonnen hatten, dachten sie, sie bekämen mehr, aber auch sie erhielten jeder ein Silberstück.

Da empörten sie gegen den Hausherrn und sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, aber du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben!

Da sagte der Weinbergbesitzer zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tue dir nicht Unrecht. Hatten wir uns nicht auf ein Silberstück geeinigt? Das hast du bekommen, und nun geh! Ich will nun einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht, mit meinem Eigentum zu tun, was ich will? Guckst du so mißgünstig, weil ich so gütig bin? 

 

"Gütig?" Gütig werden diesen Unternehmer nicht alle finden - jedenfalls die nicht, die so viel gearbeitet haben und dann das Gleiche kriegen wie alle andern: Jeder einen Denar, das war, wie man ausgerechnet hat, ein Betrag, gut ausreichend für den Tagesbedarf einer sechsköpfigen Familie. Die dafür eine Stunde gearbeitet haben, die werden  froh und zufrieden sein, aber die andern, die werden denken: Der ist ungerecht! Vielleicht werden sie sogar böse auf ihn, werden die Hände wütend zu Fäusten ballen...Oder - wird das Ganze schließlich sogar in Tätlichkeiten ausarten??

 

Wir haben ja in  der vergangenen Woche  wieder erlebt, wie Gewalt eskaliert: Zuerst sind da diffamierende Karikaturen, die Menschen ärgern, empören, wütend machen, dann wird daraus Haß und der, zumal wenn er auch noch von interessierten Stellen geschürt und angeheizt wird, entlädt sich dann schließlich in offener Gewalt...

 

Gerade so war es auch bei dem, der dieses Gleichnis damals Pharisäern erzählte und ganz diesem Gleichnis entsprechend mit Menschen umging. Unmittelbar nach diesem Text folgt im Matthäusevangelium die 3. sog. Leidensankündigung  Jesu. Er sagt seinen Jüngern: Wir  gehen hinauf nach Jerusalem und  ich werde dort den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert und von ihnen zum Tode verurteilt werden.

 

Hohepriester und Schriftgelehrte:  Das sind heute: Bischöfe, Priester, Pfarrer,   und  Theologieprofessoren; es sind die sozusagen  hauptamtlich und ganztägig im  Weinberg Gottes Tätigen. Der Weinberg ist ja ein Bild für das Reich Gottes. Neben Hohenpriestern

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und  Schriftgelehrten  werden als schlimmste Widersacher Jesu in der Leidensgeschichte auch oft noch die Pharisäer und die "Ältesten" genannt, das wären  dann die sog. "Kerngemeinde" und die Presbyter (Presbyter heißt ja übersetzt: "Ältester").

 

Denen allen, also auch mir, sagt Jesus mit diesem Gleichnis: Gott gibt euch genug, gibt euch soviel,  daß es ausreicht für  den Lebensunterhalt - aber die andern, die weniger fleißig, tüchtig, angesehen, fromm sind als ihr, oder die, die überhaupt erst ganz spät anfingen in Gottes Reich tätig zu werden - sie sollen genauso viel bekommen, ebenfalls genug für ein gütliches Leben.

 

Jeder gleich viel, egal wieviel er geleistet hat ?? Das geht mir jedenfalls gegen den Strich. 

Das finde ich nicht gerecht.

 

Machen  wir's an einem Beispiel anschaulich .

 

Da ist ein  Dietrich Bonhoeffer - kürzlich, am 4. Februar,  war sein 100. Geburtstag  - der hat sich seinen Glauben Einiges kosten  lassen, seine  "Briefe aus der Haft" unter dem Titel "Widerstand und Ergebung" - legen davon Zeugnis ab,  er war ein intensiver Beter und Bibelleser, ein frommer Christ, stark im Glauben: Mutig trat er ein für die Wahrheit, prangerte als einer der wenigen Christen damals die Judenverfolgung an, bekannt geworden ist sein Satz, Mitte der dreißiger Jahre  geschrieben: "Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen...". Er gehörte zum Kreis der Widerstandsgruppe, die ein Attentat gegen Hitler plante; im April 1943 wurde er gefangengenommen, hatte im Gefängnis auch unter schweren Glaubensanfechtungen zu leiden, am 9. April 1945 wurde er auf persönlichen Befehl Hitlers hingerichtet.

 

Und  dann: Stellen wir neben ihn, sagen wir, einen seiner Bewacher. Der war sofort zu Beginn der Naziherrschaft aus der Kirche ausgetreten, wurde Parteigenosse, vielleicht war er auch   bei der SA oder der SS oder sogar der Gestapo...Dann, nach dem Zusammenbruch trat er, der Wendehals, weil's opportun war für die Karriere, wieder in die Kirche ein, er ging zu Heiligabend auch immer in den Gottesdienst, seine Tochter sollte selbstverständlich auch kirchlich getraut werden von  einem Pfarrer (einem "Pfaffen", wie er ihn privat im  Familienkreise schon mal nannte). Er zahlte  seine  Kirchensteuer, mit  dem Glauben  allerdings hatte er nicht viel am Hut, "man kann  auch so ein anständiger Mensch sein", sagte er immer, "vielleicht besser, als die, die immer in die Kirche rennen".  Und  dann, auf dem Sterbebett, ergreift ihn Unruhe, irgendwie ahnt er, er wird nun doch vor den heiligen Gott treten und alles, auch seine Untaten - wie er einmal einen Gefangenen geprügelt, wie er jüdische Menschen  gedemütigt hatte - alles wird ans Licht kommen...Er schüttet dem Pfaffen sein Herz aus, er beichtet - und der Pfarrer spricht ihm im  Namen Gottes die Vergebung der Sünden zu.

 

Und  dann  vor Gottes Thron: Wird Bonhoeffer mehr belohnt werden? Nein. Beiden gilt die Gnade Gottes. Und wenn Bonhoeffer  das Wesen der Gnade  verstanden hat (was sicher ist - von  ihm  stammt die Unterscheidung zwischen der "billigen" und der "teuren" Gnade ) dann wird er im  Himmel sogar diesem  ehemaligen Nazi gern den Vortritt lassen, wird warten, daß Gott  ihn in  die Arme nimmt und danach auch ihn.

 

Ja, so wird das sein. So ist das mit der Gnade und Güte Gottes, jeder empfängt sie, der sie  sucht und erbittet, jedem gilt sie, jedem gleich unverdient. Jeder empfängt -unabhängig von seiner Leistung  - gleichviel Güte.

 

Wie können wir so frei werden,  dem Andern - jedem andern! - von  Herzen die Güte Gottes

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zu gönnen? Ich weiß nur einen Weg: Ich denke darüber nach, ob ich sie eigentlich mehr verdient habe als ein anderer, und dann  muß ich zu dem Ergebnis kommen: Nein, letzten Endes nicht. Ich mag vielleicht nicht so viel Schlimmes begangen haben wie ein Anderer, aber: Meine Gedanken, die vor Gott  ja auch zählen, meine Worte, die Gott  auch alle kennt...? Und: Bin  ich nicht unverdient vor bösem Tun bewahrt worden?  Und dann  sind wir

bald bei dem tiefen Satz des Paulus: Es ist hier kein Unterschied: Sie sind  allzumal Sünder und  mangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollten, sagt er (Römer 3,22f)), und fährt dann aber ganz froh und erleichtert fort:  ...und  werden ohne  Verdienst gerecht aufgrund der Gnade Gottes, die uns Christus durch seinen Kreeuzestod erworben hat.

 

Wenn ich das gelten  lasse, dann werde ich unendlich dankbar für Jesus, und mein Leben wird sehr frei - denn es ist eine  sehr schöne und  hohe Freiheit, dem andern die Güte und Gnade Gottes genauso zu gönnen wie Gott sie mir gönnt.

 

Ja, liebe Tauffamilie, von dieser herrlichen Freiheit der Kinder Gottes sollen Sie alle etwas erkennen, auch Julius Leander soll sie einmal durch Sie kennenlernen.

 

Aber nun will das Evangelium ja nicht nur die Seelen erfreuen und trösten, sondern auch die Welt verwandeln, und dieses Gleichnis gibt uns als Christen  ja auch einen klaren  Auftrag. Was Jesus hier sagt, hat Folgen ins öffentliche Leben, in Justiz und Politik, in Kultur und  Wirtschaft hinein: Es kann nun zum Beispiel nicht mehr "die Guten" und "die Bösen" geben, nicht mehr die guten Verteidiger von Freiheit und Demokratie und die bösen islamischen Schurkenstaaten,  nicht mehr die unmäßig Reichen und die dahinvegetierenden Armen, sondern  auch für Politik und Weltwirtschaft gilt: Jedem Menschen, jedem Volk seinen Denar! Allen, was sie zum Leben brauchen, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Jedem Volk gilt gleich unverdient die Güte Gottes, alle sollen genug zum Leben bekommen. 

 

Nicht um eine  kommunistische Gütergemeinschaft geht es , wohl aber um eine  Güte-Gemeinschaft - eine Gemeinschaft der Völker, in der man dem andern Volk genauso die Güte Gottes gönnt wie dem eigenen...

 

Ob es überhaupt jemals dahin kommt? Jedenfalls ist klar: Bis dahin ist es offenbar noch ein weiter Weg. Da ist Beharrlichkeit gefragt. Da gibt's noch einiges zu arbeiten im Weinberg, im Reiche Gottes. Auch Ihr Kind soll einmal gern bei dieser Reich-Gottes-Arbeit mittun.

 

Aber auch jeder von uns kann in Dankbarkeit für die Güte Gottes sein Teil dazu beisteuern, gemäß dem guten  alten Gebet : Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an! Amen.