Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis, 10. August 2003

 

Lieder:

 

Die helle Sonn leucht‘ jetzt herfür...437

Komm in unsre stolze Welt...428

Laß mich, o Herr, in allen Dingen...414

Reich des Herrn...602

 

Psalm 36, 6 - 10

 

Lesung: Matthäus 5, 1-10:

 

Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm.

Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

 

Selig sind,die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

 

 

Predigttext: Matthäus 5, 13-16:

 

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als daß man  es wegschüttet und läßt es von den Leuten zertreten.

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen,die im Hause sind.

So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen

 

 

Liebe Gemeinde,

 

ich stelle mir Jesus dort auf der grasbewachsenen Anhöhe vor, die Jünger rings um  ihn gelagert, in weitem Rund darum herum Frauen, Kinder, Männer – eine große Schar, schlichte, einfache Menschen, Hausfrauen, Handwerker: Sie hören ihm gebannt zu. Und er sagt ihnen: Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid das Salz der Erde.

 

 

 

2

 

 

Und sie denken: So etwas hat noch nie jemand von uns gesagt. Sie überlegen: Kann etwas Größeres überhaupt von Menschen gesagt werden?

 

Vielleicht haben sie auch ein wenig zweifelnd den Kopf hin und her gewiegt: Aber – meint er denn auch  wirklich uns, ausgerechnet uns? Wir haben doch kaum irgendwelchen  Einfluß, haben keine besonderen Fähigkeiten – und auch mit unserem Glauben ist es im Grunde oft nicht so weit her...

 

Ja – meint Jesus am Ende sogar auch uns hier? Bist du das in seinen Augen: Salz der Erde, Licht der Welt?

 

                                                                       I

 

In den acht Seligpreisungen unmittelbar vorher, da hat Jesus ja sehr konkret und klar gesagt, was das für Menschen sind, die er Salz der Erde, Licht der Welt nennt:

 

-                     Menschen, die keine religiöse oder gar theologische Bildung haben, die aber eins wissen: Daß sie Bettler vor Gott sind – und sein dürfen! Weil sie nicht vergebens bitten.

-                     Leidtragende.

-                     Geduldige Menschen, frei von Aggressionen, im Einklang mit sich selbst. 

-                     Entrechtete, und solche, die nach Gerechtigkeit dürsten.

-                     Barmherzige; Menschen voll tiefen Mitgefühls für Andere.

-                     Solche, die von schmutzigen Tricks nichts wissen und  nichts wissen wollen.

-                     Menschen, die stark genug sind, Frieden zu stiften.

-                     Und solche, deren beharrlicher Einsatz für Gerechtigkeit ihnen Verfolgung und Gefängnis einbringt.       

 

 

 

Die preist Jesus selig. Also denen, die benachteiligt sind, entrechtet, leidend,  und denen, die sich mit friedlichen Mitteln für Andere einsetzen - denen verspricht er Gottes Beistand - und Erfüllung ihrer Sehnsüchte.  Solchen Menschen sagt er: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.

 

II

 

Salz! Und Licht!

 

Beide haben ja eins gemeinsam: Sie erscheinen schwach, gering, unscheinbar, winzig – und sind doch äußerst wirkungsvoll.

 

Beim selbstgebackenen Brot, oder bei einer Suppe,  sagen wir, bei einer Sauerampfersuppe: Da macht’s gerade die kleine Prise: Die bringt die Würze, fördert den Eigengeschmack.

 

 

3

 

Und Licht: Das waren zu Jesu Zeit ja keine Halogenscheinwerfer, sondern Ölfunzeln, Talglichter. Wie schwach ist ein solch kleines Licht gegenüber der geballten Macht der Finsternis. Und doch! Es vermag die Finsternis zu durchdringen, ist stärker als das Dunkel, schafft Geborgenheit, gibt Orientierung, vertreibt die Finsternis.

 

Jesus sagt uns damit: Meine Worte, wenn du sie mitteilst in Wort und Tat: Sie können dann von großer Wirkung sein: Sie können dazu führen, daß ein  Mensch neuen Lebensmut, neuen Geschmack am Leben, ja vielleicht gar Freude an der Köstlichkeit des Glaubens findet. Und das Licht, mit dem ich dein Leben erhelle und  das von dir ausstrahlt: Das kann die Düsternis bei einem Menschen vertreiben. Es kann bewirken, daß ein Mensch mit einemmal anfängt vor Freude zu strahlen. Und sein Gesicht dann wunderschön aussieht.

 

Jesus sagt uns: Trau‘ dem anscheinend Geringen, Schwachen, Winzigen viel zu, es kann Wertvolles und Wesentliches bewirken. Ein Wort. Ein  Gruß. Ein Brief. Ein Geldbetrag etwa für die Ausbildung eines Menschen.

 

                                                                       III

 

Und das Andere, was Jesus uns in den beiden  Bildworten vom Salz und  Licht sagt,  ist dies: Ihr Christen, sagt er, ihr seid entscheidend wichtig für die Erde, ihr seid absolut unersetzlich für die Welt.

 

Stellen wir uns vor, es gäbe kein Licht: Es gäbe dann auch kein Leben. Alles wäre finster, tot. Und  stellen wir uns  vor, es gäbe kein Salz. Ohne Salz schmecken die meisten Lebensmittel fade, sind viel weniger genießbar, genußvoll – und: schnell verderblich, wenig haltbar, wenig dauerhaft und  beständig.

 

Und beim Salz sollten wir auch noch hieran denken: Wir sehen  Salz als etwas Selbstverständliches an, und es kostet wenig, aber frühere Zeiten wußten, wie kostbar Salz ist. Und in  manchen Weltgegenden weiß man das auch heute.

 

Wir Christen mit unserem Glauben –  kostbar? Unersetzlich? Entscheidend wichtig?

Ja! Allerdings nur dann, wenn dies Sprichwort in unserer Kirche Gültigkeit behält: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Kirche, bleib unbeirrbar bei dem Auftrag, den der Herr der Kirche, der zugleich der Herr der Welt ist, dir gegeben hat: Das Evangelium

in Wort und Tat mitzuteilen! Vertraue allein auf die Macht des Wortes Gottes, traue seiner Macht alles zu!

 

Also: Entscheidend wichtig und unersetzlich für die Welt sind wir Christen  darin, daß wir Glauben wecken: Vertrauen auf dieses im Grunde ganz unfaßliche Wunder: Daß nämlich Gott, der Ewige, der Schöpfer des Weltalls, unfaßlich groß und

unerkennbar,  zugleich der ist, dem du mit deinem Leben sehr wichtig bist, und dem es alles andere als gleichgültig ist, wie es dir geht. Zu dem du also mit all deinen  Anliegen, auch dem scheinbar geringfügigsten, kommen kannst.

 

Entscheidend wichtig sind wir darin, daß wir Hoffnung wecken in einer Welt, in der die Medien mit ihren überwiegend negativen und das Schlimme genüßlich

 

4

 

auswalzenden Bildern echte Lebensfreude und Zuversicht schleichend zerstören –  und  daß wir selbst eine lebendige Hoffnung sind: Hoffnung nicht auf Menschen, wohl aber Hoffnung auf die Macht Gottes, seine Liebe zum Leben, seine Treue zur Schöpfung.

 

Und unersetzlich sind wir vor allem darin, daß wir liebevoll sind, indem wir von Jesus, der Quelle der Liebe, Kraft empfangen, den Anderen, wer immer er ist und wo immer er mir begegnet , als Kind Gottes, als liebens-würdig anzusehen.

 

Und, weil das Salz eben auch konservierende Kraft hat: Entscheidend wichtig und unersetzlich sind wir Christen darin, daß wir das  Wissen davon bewahren, was wesentlich für‘s Leben ist. Manches davon klingt scheinbar ganz selbstverständlich, droht aber über verführerischen und verderblichen Einflüssen in Vergessenheit zu geraten oder wird der Lächerlichkeit preisgegeben, zum  Beispiel:

 

-          Daß es gut ist, wenn man geduldig sein und warten kann

 

-           Daß das Leben verdirbt, wenn es nicht mehr in  Ehrfurcht vor Gott geführt wird.

So wie der frühere Präses Beier immer wieder betonte: Eine Gesellschaft, die keine Ehrfurcht vor Gott mehr hat, hat auch keine Zukunft mehr.

 

-           Daß Scham nichts Verklemmtes, sondern im Gegenteil etwas dem Leben und seiner Kostbarkeit Dienendes ist,

 

-           Daß jeder Mensch unabhängig von seiner Leistung, seinen Gaben oder seinem Aussehen von  Beginn seines Lebens im Mutterleib an bis zu seinem letzten Atemzug in Gottes Augen unendlich wertvoll und von ihm geliebt ist. 

Ich las vor einigen Wochen die furchtbare Zahl: Über 6 Millionen Kinder sind in Deutschland seit Ende des 2. Weltkriegs im  Mutterleib getötet worden.

 

-           Daß in Wirtschaft, Politik und Medienarbeit der Satz gültig bleibt: Ehrlich währt am längsten

 

-                     Daß die Vergebung von Schuld wesentlich zur Lebensqualität  im persönlichem wie im öffentlichen Leben gehört

 

-           Daß die Stille ein herrliches Lebenselixier ist

 

-                     Daß es gut ist, über einen  Menschen nachzusinnen, was etwa über dem Schreiben eines Briefs schöner geschieht als etwa einem Telefonat

 

-           Daß kein Gedanke, keine Empfindung, kein Wort und  keine Tat einfach verlorengehen, sondern daß wir für alles Gott einmal Rechenschaft zu geben haben.

 

 

 

5

 

IV

 

Ihr mögt, sagt Jesus uns, Wenige sein, schwach in eurem Glauben manchmal,  und ohne großen öffentlichen  Einfluß (so wie Paulus die Gemeinde in 1. Korinther 1, 26 – 31  beschreibt), aber ihr seid, wenn ihr in meiner Nachfolge bleibt, unersetzlich wichtig.

 

Wenn  ihr aber die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat vernachlässigt und  stattdessen alle möglichen Künste sucht und aus der Kirche einen Limonadenstand oder Supermarkt macht – dann seid ihr unnütz, unbrauchbar, taugt nur noch dazu, daß die Leute euch verachten, übergehen, zertreten.

 

Stellt also euer Licht nicht unter den Scheffel. Stolz könnt ihr sein auf die euch anvertraute, einzigartige Botschaft. „Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit  sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“.

 

Dazu also sind wir Christen da. Nicht dazu, das Ansehen der Kirche zu verteidigen oder irgendwelche Strukturen  oder auch manche Dogmen der Kirche bewahren zu wollen, auch nicht dazu, alles zu tun, damit wir und unsere Gemeinde in  den  Augen Anderer erfolgreich dastehen, sondern einzig und allein dazu sind wir da, Licht von Jesus, dem Licht der Welt, zu empfangen und mitzuteilen, so daß Menschen darüber  dankbar werden und Gott  loben. Das ist alles? Ja. Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen. 

 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.