Predigt am Toten- und Ewigkeitssonntag, 22. November 1998

über Offenbarung 21, 1 – 5a

(Pfarrer Martin Quaas)

 

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht  mehr.

 

Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

 

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;

 

und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

 

Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

 

 

„Siehe, ich mache alles neu!“

                                                                       I

Noch, liebe Gemeinde, leben wir ja in der alten Welt, dem „ ersten Himmel und der ersten Erde“ . Noch ist das  alles ja da, manchmal im Übermaß:

-         Leid. Körperliches oder seelisches Leid.

-         Geschrei. Höhnisches  oder herrisches  Anschreien. Schmerzensschreie. Schreien zu Gott. Klagegeschrei von Menschen und Tieren.

-         Der Schmerz. Abschiedsschmerz.

-         Der Tod.

Gewiß :Es gibt Gott sei Dank auch einen „sanften Tod“. Und manche Menschen sterben „alt und lebenssatt“, sie waren bereit zu sterben.  Aber es gibt eben  auch den Unfalltod.  Oder auch den Tod in der Seele eines Kindes nach der Scheidung der Eltern. Oder den Tod, gepaart mit satanischem Einfluß, in den Herzen von Männern, die Kinder mißbrauchen und töten.

Noch ist all das in bedrückender, bedrängender  Weise da. All das wird einmal nicht mehr sein.

                                                                       II

Johannes sieht einen neuen Himmel  Uns scheint der Himmel  oft ganz verschlossen. Öfter schon hörte ich  von Gemeindegliedern: Man betet, bittet und fleht: Und Gott scheint nicht zu hören. Es ist, als rufe man gegen einen zugemauerten Himmel an. Aber der neue Himmel: Das ist der offene Himmel. Gott selbst, so hören wir hier, wird bei uns Menschen wohnen. Wir werden einmal Gott sehen, wie er ist. Alle Menschen -  längst gestorben, längst vermodert -  werden einmal auferweckt werden, werden  mitsamt ihrer Lebensgeschichte vor Gott stehen und  - so heißt es hier -  Gott wird die von ihnen geweinten Tränen aus ihren Augen wischen und  die verhärmten,  von Leid geprägten  Gesichter werden anfangen vor Freude zu strahlen.

 

Johannes sieht eine neue Erde. Das Leben in der Ewigkeit ist also alles Andere als etwas Blasses, Abstraktes oder gar Langweiliges. Wenige Verse nach unserem

2

 

Predigttext spricht Johannes zum Beispiel von Bäumen dort,  saft- und kraftstrotzenden Bäumen.

 

Nur eins ist nicht mehr da: das Meer. Also nichts Ängstigendes, nichts, was Schwermut  in uns auslöst, nichts, was mit Urgewalt über uns zusammenschlägt und bewirkt, daß wir zu versinken meinen.

                                                                       III

 

 

Aber wer sagt denn, daß dies alles so sein wird?

 

Johannes hört eine „große Stimme“ von einem Thron her: Eine Stimme,  der Stimme Gottes gleich, als er das Weltall ins Dasein rief. Und kurz vor dieser Vision hier hat Johannes den gesehen, der hier spricht. Er hat ihn  als Lamm auf einem Thron gesehen.

 

Jesus, das Lamm Gottes .  Der Mensch, der all das erlebt und ertragen hat, was unser irdisches Leben verdunkelt und verletzt . Er hat Leid erduldet. Er hat Geschrei ertragen. Giftig-geiferndes Geschrei: Kreuzige! Und Hohngeschrei der geistlichen Amtsträger: Steig doch runter vom Kreuz! Hilf dir doch mal selber! Er hat gegen den scheinbar verschlossenen Himmel angeschrien: Mein Gott, mein Gott, warum?? Er hat Schmerzen aller Art ausgehalten, denken wir an Gethsemane und Geißelung. Er hat den Tod auf sich genommen.

 

All das, um uns davon zu befreien und  uns Gottes Vergebung, ewiges Leben und Seligkeit zu schenken. So wie wir es vom Chor gesungen gehört haben. (Der Chor sang im Gottesdienst die Auferstehungs – Kantate von J.S. Bach: „Christ lag in Todesbanden“ – EG 101)

                                                                      

IV

 

Er sagt: Siehe, ich mache alles neu!

 

Nicht wahr, wir Menschen können immer nur ein bißchen reparieren. Wir können nicht wirklich „Neues“ schaffen. Weil alles, was wir denken und tun, mit Sünde durchsetzt ist.  Aber er: Er wird alles neu machen. Und er will auch jetzt neues  Leben in uns schaffen.

 

Er kann Vergebung der Schuld zusprechen und uns im Heiligen Mahl mitteilen.

Es gibt ja Menschen, die können von einem Verstorbenen nicht Abschied nehmen, weil da etwas Unbereinigtes zwischen ihnen geblieben ist: Man leidet unter einem Versäumnis, einem Versagen, einer unvergebenen Schuld und wird darüber seelisch krank. Aber wer dies vor Jesus trägt – und sei’s vermittelt durch einen Menschen – der kann das Wunder der Vergebung erfahren und Frieden finden.

 

Er kann uns von jedem Moralismus befreien, aus dem heraus wir sagen: Na, was der oder die sich so leistet: Wie kann man nur!  Unter seinem Kreuz erkennen wir: Keiner

 

 

 

3

 

 

von uns hat auch nur den geringsten Grund, sich über irgendeinen Anderen zu überheben.

 

Er kann auch von Habsucht befreien,  so daß man nicht nötig hat,  sich etwa um ein Erbe zu streiten. 

 

Er befreit von dem Wahn, als seien Erfolg oder möglichst viele Vergnügungen  wesentlich für’s Leben. Stattdessen läßt er uns erkennen: In seiner Nähe zu leben, seinen Lebensstil wenigstens ein wenig nachzuahmen: Das macht das Leben glücklich.

 

Er sagt: Ja, du sollst um einen lieben Menschen trauern und der Seele ihre Zeit lassen. Aber Du kannst dann auch deinerseits ein Mensch sein, der andere trösten kann, in dessen Nähe Andere sich trauen, ihr Leid zu klagen. Du kannst dazu beitragen, daß ein verschlossenes Gesicht vor Freude zu strahlen beginnt. Du kannst täglich etwas tun, damit Leid und Geschrei, Schmerz und Beziehungslosigkeit weniger werden und stattdessen Freude und Lachen, Vertrauen und Gemeinschaft zunehmen – hier und irgendwo in der weiten Welt.  Wie es auf einer Spruchkarte heißt: Die Welt besteht aus vielen Gelegenheiten zur Liebe.

 

Gott sei Dank: Manch ein verwitweter Mensch hat auch in unserer Gemeinde während oder nach der Zeit der Trauer einen neuen Lebensauftrag gefunden.  

 

Jesus sorgt dafür, daß das Öl des Glaubens und der Liebe in unseren Lampen brennt –  im Leben hier und einmal am Jüngsten Tage. Er soll doch dann nicht zu uns sagen müssen: Ich kenne dich nicht (Mt. 25, 12)

 

Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als all unser Begreifen, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen




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