Predigt über Römer 11, 33-36, Sonntag Trinitatis, 30. Mai 2010, Kirche Am Brandenbusch



...Ja, das – finde ich - ist ein gutes Bild für den dreieinigen Gott. Gott Vater: Der

Redakteur einer Zeitung. Jesus: Die Titelgeschichte. Der Heilige Geist: Die Wirkung, die die Mitteilungen über ihn auf uns ausüben. Wir brauchen Bilder für den unbeschreiblichen Gott – vor dem wir eigentlich ja nur anbetend schweigen können.


Meinen Konfirmanden habe ich gern dieses Bild vor Augen geführt: Gott: Das ist die Sonne selbst. Wir können nicht in sie hineinschauen, könnten uns ihr nicht nähern, ohne zu vergehen...Aber: Die Sonne sendet ihre Strahlen zur Erde. Gott wird Mensch, macht sein Licht für uns klein, schwach, wohltuend: Jesus - das Licht der Welt. Und die Wirkung der Sonne und ihrer Strahlen auf der Erde? Sie schaffen Fruchtbarkeit und Wachstum, Freude und Wärme, Licht und Leben. -: Gott der Heilige Geist, der Segen und Gedeihen schafft, ohne den es kein wahres Leben gibt, der unserm Leben Wärme und Freude, Helligkeit und Heiterkeit. schenkt. Die Sonne – ihre Strahlen – die Wirkung der Sonnenstrahlen: Drei und doch eins, eins und doch drei.


Und - könnte man hinzufügen -: War die Nuklearenerghie die Energieform der pubertierenden Menschheit, so ist die Solarenergie die Energie für die reife, erwachsene Menschheit:


Anhand dieses dreifältig-einfältigen Bildes von der Sonne wollen wir jetzt den Predigttext aus dem Römerbrief bedenken, der für den diesjährigen Sonntag Trinitatis vorgeschlagen ist. Nach 11 Kapiteln, von denen der Theologe Karl Barth einmal geschrieben hat, sie enthalten das Tiefste, was je ein Mensch von Gott gesagt hat, mündet Paulus in diese Verse:


O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!

Denn „wer hat des Herrn Sinn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ (Jesaja 40, 13).

Oder „wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?“

Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ewhre in ewigkeit! Amen


I Gott die Sonne


Die Sonne kann auch böse blicken, kann gnadenlos erscheinen, lebensfeindlich, zerstörerisch. Ein Freund hat mir mal erzählt, dass er sie so empfunden habe, als er in einer Wüste in Namibia unterwegs war: Gleissend und sengend und gnadenlos scheinend.


Auch Gott wird so erfahren: Menschen können unendlich unter ihm leiden, an ihm verzweifeln. Ich bin im Laufe meines Pfarrerdaseins einer ganzen Reihe von Gemeindegliedern begegnet,die mir sagten, sie hätten dermassen Schlimmes erlebt oder mit ansehen müssen, dass sie nicht mehr an einen Gott, jedenfalls nicht an einen Gott, dessen Wesen Liebe sei, glauben könnten. Vor solchen Menschen kann man oft nur große Hochachtung haben. Manche haben die Konsequenz gezogen, die Camus in

seinem Mythos von Sisyphos beschreibt: „Die Götter leugnen und die Steine wälzen“, d.h.

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in diesem absurden Leben trotz allem tapfer und – so gut es geht - hilfreich für andere

dasein. Es gibt aber auch andere – bei weitem die meisten - die kommen trotz allem

nicht von Gott los, denn „der Mensch ist unheilbar religiös“ (Berdjajew): Sie hängen an ihm, ja lieben ihn, obwohl er alles getan hat und tut, um sie in Verzweiflung zu stürzen. Bei ihnen ist das so,wie der Psalm 63 es sagt: „Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich

an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach...denn meine Seele hängt an dir“, wörtlich heisst es im Hebräischen: Meine Seele klebt an dir.


Jörg Zink hat unter dem Titel „Sieh nach den Sternen, gib acht auf die Gassen“ Lebenserinnerungen aufgeschrieben.


Darin schreibt er:


Wenn ich Gott erfahren will, dann werde ich über lange Zeit hin mit meiner ganzen Sehnsucht und meiner ganzen Angst und Sorge erst einmal erfahren, dass Gott nicht zu fassen ist, nicht zu begreifen - dass er Hintergrund und unbegreifliche Ursache auch alles Bösen ist, auch des Bösen in mir selbst, mit dem ich mir selbst fremd werde oder gar mich selbst zerstöre...


Und weiter:


Ist Gott wirklich der Ursprung auch des Leides und des Bösen, Ursprung auch der Mächte der Zerstörung und des Todes, ist es denkbar, dass er uns wirklich verlässt und uns dem überlässt, was wir Gottverlassenheit nennen? Dann ist Gott für Menschen, die dies erfahren, wirklich der Gefährliche, der Zwiespältige, ja der Feindselige...Ob es sich um den Hiob der Bibel handelt, um Martin Luther, Reinhold Schneider, Johannes vom

Kreuz, Therese von Lisieux, Simone Weil oder Marie Noel - was sie berichten, ist die völlige Gottverlassenheit im Angesicht des finsteren Gottes, das Bewusstsein,

ausgestossen, verdammt, verloren zu sein, ohne Hoffnung auf Gegenliebe zu lieben - oder aber zur Liebe unfähig zu werden vor dem schrecklichen Gott“.


Der schreckliche Gott! Ja, so kann er begegnen. „Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“, so steht es im Neuen Testament, im Hebräerbrief. Denn Gott ist Gott, unergründlich und unfassbar, souverän in seinem Handeln, niemandem Rechenschaft schuldig, auch das Schwere, Dunkle, auch das für unser Urteil Entsetzliche kommt letzten Endes aus seiner Hand.


Auch Paulus sagt das in unserm Predigttext von Gott: Wer hat des Herrn Sinn erkannt oder wer ist sein Ratgeber gewesen? So zitiert er den Propheten Deuterojesaja. Und: Wer hat Gott jemals etwas gegeben, so dass er genötigt wäre, es ihm zu vergelten? So zitiert er, was im Buch Hiob steht.


Gott ist niemandem Rechenschaft schuldig – und doch kommt er zu uns,macht sich verständlich, und wohltuend spürbar, bittet um unser Vertrauen, wirbt um unsere Liebe zu

ihm.


Gott sendet – II seine Strahlen auf der Erde


Paulus bricht angesichts der Unbegreiflichkeit Gottes in Worte überströmenden Lobpreises aus:

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O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!.....Voller Staunen und mit einer unendlichen Dankbarkeit spricht er von der Unbegreiflichkeit Gottes. Die

Unerforschlichkeit der Gedanken und Wege Gottes führt ihn zu liebevoller Anbetung und

jubelndem Lobpreis!


Wie das?


Wir müssen uns klarmachen, was er bei seiner Berufung vor Damaskus erlebte. Lukas erzählt davon und Paulus selber schreibt im Galater- und Philipperbrief davon: Ein Licht, heller als 1000 Sonnen, explodiert lautlos über ihm, und dann hört er aus diesem Licht heraus eine Stimme, die Stimme Jesu: Scha'ul, Scha'ul, lama tir'depheni? Saul, Saul, was verfolgst du mich ? Und beim Hören dieser Stimme aus diesem Licht heraus verbrennt und vergeht ihm sein ganzes reiches Theologenwissen und von da an wollte er nichts mehr wissen als Christus den Gekreuzigten, alles andere ist ihm – so schreibt er wörtlich im Philipperbrief - “ein Dreck“ geworden: Die Offenbarung Gottes in Jesus wurde nun für ihn Anfang, Mitte und Vollendung aller Gotteserkenntnis - und soll es für alle Menschen werden.


Von dem her, was er an Jesus erkannt hat, sagt er staunend: O welch eine Tiefe

des Reichtums – nämlich des Reichtums der Gnade, des Erbarmens Gottes mit uns, seinen Menschenkindern, die gern so so hochnäsig sind und dann wieder so kleinlaut – wenn wir Unheil anrichten wie jetzt wieder im volgetankten Golf vor der Haustür der USA, oder wenn dieser Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Asche spuckt und unseren Fluggverkehr lahmlegt.


Und welch eine Tiefe der Gedanken Gottes! Wie konnte Gott nur auf den Gedanken kommen, in einem Judenkind zur Welt zu kommen und dann solch einen Lebensweg zu gehen: angefangen damit, dass er in Windeln gewickt in einer Futterkrippe liegt und endend in einem Foltertod am Kreuz, zwischen zwei Terroristen hängend, nackt hämischen Blicken preisgegeben.


Welch eine Tiefe der Weisheit Gottes! Wie völlig anders ist sie als Menschenweisheit! Menschen in ihrer Weisheit wollen hoch hinaus und werden tiefsinnig. Aber Gott in seiner Weisheit wird ein schlichter Wanderprediger, verbirgt und offenbart seine Allmacht in der Ohnmacht einer unerwiderten Liebe, gibt sich uns Menschen in die Hände und sagt: Da bin ich, und nun könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt, ich werde euch, was ihr mir auch antut, dennoch liebbehalten.


Wie unbegreiflich sind seine Gerichte: Statt uns – was gerecht wäre – mit Tod, Vergeltung und Verdammnis zu strafen, nimmt er das Gericht, das wir verdient hätten, auf sich selbst – und erkennt für uns auf Freispruch.


Und darum: Welch eine Tiefe der Erkenntnis Gottes. Die Erkenntnis, mit der Gott u n s erkennt, meint Paulus vor allem. Und das Wort erkennen bedeutet in der Bibel ja: lieben. Denn nur die Liebe erkennt die Wahrheit. Wie sehr kennt Gott uns Menschen, er hat, wie wir sind, ja am eigenen Leibe zur Genüge zu spüren bekommen und bekommt es tagtäglich neu zu spüren - und hört trotz allem nicht auf, uns zu lieben. Die Strahlen der Sonne auf der Erde - das sind die Strahlen der Gnadensonne Gottes, Strahlen der Liebe,

die uns liebkosen und wärmend und heilend in unsere kalten, trostbedürftigen Herzen

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dringen.


III Die Wirkung der Sonne(nstrahlen)


Aber nun die Frage: W ie soll man das alles, was ich gerade gesagt habe, denn glauben? Das muss nun Gott selber bewirken, Gott der Heilige Geist. Er macht aus Zweiflern, Rechtgläubigen, uninteressierten Menschen Christen, die stolz sind auf ihren Glauben, begeistert von Jesus, Menschen mit brennenden Herzen. Dass das geschieht, dass

schaffen wir Menschen nicht, weder durch eindrucksvolle Worte noch durch beeindruckende showelemente. Das schafft allein Gott der Heilige Geist, dass Menschen in Vertrauen auf Gottes Führung leben leben, in Treue bei einer Gemeinde bleiben, ihr Leben so gestalten, dass es dem Leben dient und Gott – dem Gott der Bibel uind nicht z.B. einem Fussballgott - die Ewhre gibt.


Denn: Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.


Von ihm ist alles geschaffen, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer, das Sichtbare und das Unsichtbare, das in unsern Augen Böse und das nach unserem Urteil Gute – und d u r c h ihn, den menschgewordenen Gott, wird alles erlöst – und zu ihm führt alles hin, zur großen Ernte, zur Vollendung des All, wo Gottes Geist alles erfüllt und Gott alles in allem sein wird. Amen.