Predigt über Römer 8, 26 (Sonntag Exaudi, 12. Mai 2002)

 

Lieder: 328, 1-5/ 128/ 133, 5-7 (Str. 8-13 als Fürbitten/  330,5-7

Psalm 27 (Nr. 713)

Lesung: Jer. 31, 31-34

 

Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.

 

 

Liebe Gemeinde,

 

Martin Buber erzählt in seinen „Chassidischen Geschichten“ von einem jungen Rabbischüler. Der kommt zu seinem Rabbi mit der Bitte, ihn in seiner Sorge zu trösten. „Sorge nicht“, sagt ihm der Rabbi, „bete mit deinem ganzen Herzen zu Gott, und der  Gott des Erbarmens wird sich deiner erbarmen!“

 

„Ich weiß aber nicht“, entgegnet der Schüler, „wie ich beten soll.“ Mit großem Mitleid sieht ihn der Rabbi an und sagt: „Da hast du freilich eine große Sorge“.

 

Das verstehen wir, denn im Gebet geht es doch um das Zentrale unseres Glaubens. Wer nicht weiß, wie er beten soll – ist der nicht wirklich arm dran?

 

Paulus aber sagt das ganz anders. Er sagt: Wir alle wissen es nicht, wir alle wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt. Erstaunlich, er macht hier überhaupt keinen Unterschied zwischen – sagen wir – erfahrenen und regelmäßigen Betern und solchen, die kaum jemals beten. Wir alle wissen nicht richtig, nicht angemessen zu beten, sagt er. Darin sind wir alle gleich, der Papst wie der Atheist, jeder Mensch, gleich welcher Religion oder Konfession.

 

Aber das heißt doch nicht weniger als: Wir alle haben keinen angemessenen Zugang zu Gott, kein angemessenes Verhältnis zu ihm, können eigentlich gar nicht zu ihm finden. Ja – das müssen wir sicher zugeben. Weil wir Egoisten sind, weil wir – wie es die Bibel nennt – Sünder sind, Menschen, die eigentlich ständig um sich selbst kreisen, und jedenfalls sich selbst wichtiger nehmen als Gott.

 

„O, unsere egoistischen Gebete“! Diesen Seufzer stößt Helmut Gollwitzer einmal in einer Andacht über das Gebet aus. Wir bitten um Gesundheit, schönes Wetter, um Bewahrung auf Reisen, wir danken vielleicht für gutes Essen, vielleicht, wenns weitgeht, bitten wir für unsere Angehörigen, aber sicher schon viel weniger für Menschen, die wir nicht leiden können...

 

Beten, wie sich’s gebührt? Machen wir nicht stattdessen aus Gott allzuoft einen „Weihnachtsmann“, jemanden, der uns nach Wunsch beschenken soll? Oder, ein Wort, das hinduistische Weise geprägt haben, eine „Wunschkuh“? Sie meinten damit einen Gott, der „immer  nur zum Melken und zu nichts anderem bestimmt ist“. „Herr,gib...Herr,mach...Herr, schenke uns...“

 

 

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Egoistisches Beten. Aber Paulus sagt uns Tröstliches. Er sagt: Der Geist Gottes selbst hilft uns hier weiter, er hilft unserer Schwachheit auf, er hilft uns zu angemessenerem Beten. Wie das aussieht, davon erzählt der Philosoph Sören

Kierkegaard. Er erzählt von einem Beter, „dem lag es am Herzen, sich vor Gott recht verständlich zu machen. Aber als er nach und nach innerlicher wurde im Gebet, hatte er weniger und weniger zu sagen, und zuletzt wurde er ganz still...Ja, was vielleicht mehr noch als Schweigen dem Reden entgegengesetzt ist: Er wurde ein Hörender“.

 

Er wurde ein Hörender. Das finde ich ganz entscheidend – nicht nur in der Beziehung von uns Menschen zueinander, sondern auch in unserer Beziehung zu Gott: Vor dem Reden hören. Sich den Namen Gottes vor Augen stellen, dann In die Stille hinein hören, fragen, was wohl in Gottes Sinne zu beten  wäre... Und übrigens denke ich, wir kommen dann wie von selbst zuerst aufs Danken, wir beginnen mit

dem Danken und es fallen uns sicher so viele Dinge zu danken ein, daß wir manchmal danach garnicht mehr bitten wollen...

 

Aber wäre das denn nun ein Beten, wie es Gott gefällt? Paulus sagt etwas anderes, er sagt etwas ganz Wohltuendes, über die Maßen Tröstliches und über die Maßen Geheimnisvolles, etwas, von dem ich mir nicht einbilde, ich würde es verstehen. Er sagt nicht nur: Der Geist selbst hilft unserer Schwachheit auf...Sondern: Der Geist selbst vertritt uns bei Gott mit unaussprechlichem Seufzem....Und nun weiß ich das nicht besser zu erklären als Helmut Gollwitzer es in einer Predigt  tut. Er sagt: Mehr als die ersten Schritte werden es nie sein, die wir im Gespräch mit Gott fertigbringen, zaghafte, oft genug unterbrochene Schritte...Zu ihnen hilft der Geist unserer Schwachheit auf – und läßt es dabei doch nicht bewenden! Während hier unten diese ersten Versuche mit Gott zu reden, geschehen, erste, stotternde, vielleicht staunende, immer aber auch egoistische Sprechversuche – tönt vor Gottes Thron schon ein klarer fester Lobgesang. Was hier unten noch armseliges, ungenügendes Gestammel ist, kommt volltönend in fließender Himmelssprache dort droben an. Wie ist dies Wunder möglich? Wie können wir, dieser schwache unwissende Erdenmensch hier unten zugleich im Himmel schon eine so klare Sprache haben? Das Geheimnis ist groß, das der Apostel nur andeutend uns enthüllt: Der gleiche Gottesgeist, der hier unten unserer Schwachheit aufhilft, „vertritt“ uns dort droben mit unausprechlichem Seufzen, d.h. mit all dem, was wir nicht sagen können, wozu wir noch zu schwach, zu dumm, zu engherzig, zu blind sind. An unserer Statt d.h. genau an unserem Platz vor Gott werden also schon jetzt die besten Anbetungen und Lobgesänge und Gespräche mit Gott laut - jetzt schon, wo es hier unten bei uns noch so kümmerlich steht. Und eben dies gibt uns die Gewißheit, daß die gegenwärtige Kümmerlichkeit eben nicht das Endstadium, nicht das letzte Wort ist. Aus unserem Stammeln wird noch eine freudige Antwort werden, wie sie dem Evangelium entspricht, aus unserem engen Herzen wird noch ein weites, ganz geöffnetes und bewegtes Herz werden...

 

Aber das heißt doch: Wir können wirklich um alles beten, auch ruhig das, was egoistisch scheint: Gutes Wetter, Erfüllung unserer Wünsche und sehnsüchte...Warum soll zum Beispiel der Schüler nicht um eine gute Note für die Klassenarbeit beten, oder der Pfarrer stellvertretend für den Schüler,  und auf jeden Fall sollen wir um Gesundheit für andere bitten, auch bei scheinbar unheilbaren

 

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Krebskrankheiten - in der verwegenen Hoffnung, daß Gott unwahrscheinliche Wunder tun  kann. Aber alles soll in der Gewißheit geschehen: Der unsere Herzen erforscht und kennt, der weiß am besten, was wir brauchen, bei dem kommt alles richtig an, er wird auch die richtige Antwort geben. Vielleicht ist das wichtigste Gebet: Dein Wille geschehe.

 

Mit unseren Gebeten geschieht also, wenn wir sie in Gedanken oder Worten gesprochen haben – etwas Merkwürdiges. Der Geist Gottes – d.h. Gott selbst in uns -  nimmt die Art, die Not, die Kümmerlichkeit unseres Betens auf, übersetzt sie und macht unsere Worte zu einem rechten Gebet. Er verwandelt und korrigiert unser Beten und formt es so, daß Gott es zu unserem Wohl und unserem Heil erhören kann.

 

Darum kann Martin Luther – in einer Predigt über diesen Text – einmal die erstaunliche Aussage machen:“Es ist kein schlechtes, sondern das allerbeste Zeichen, wenn auf unser Bitten hin scheinbar gerade das Gegenteil eintrifft. So wie es kein gutes Zeichen ist, wenn unseren Bitten alles ganz nach Wunsch widerfährt.“

 

Letzten Endes geht es um ein inniges, im besten Sinne kindliches Vertrauen zu Gott:

 

Du, lieber Vater, du weißt, was gut für mich und uns alle ist und du wirst für mich, dein Kind sorgen,  ganz großzügig, ganz liebevoll – und bitte tu das für den kranken Nachbarn auch. Laß ihn glücklich werden. Und laß doch die Gerechtigkeit wachsen und den Frieden blühen, besonders im Land Israel, wo dein Sohn lebte.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrrn. Amen.

 

 

 

 




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