Gottesdienst am Sonntag Kantate, 2. Mai 2010, Kirche Am Brandenbusch Essen Bredeney


Lieder:


Die beste Zeit im Jahr ist mein...319

Dir dir o Höchster...328, 1 - 3

Ich freu mich in dem Herren...349

Hilf mir und segne meinen Geist...503, 13+14


Psalm 27 (Nr. 713, S. 1147 f.)


Lesung: Matthäus 11, 25 - 30


Predigt zu Kolosser 3, 12 - 17



Wir hören auf den Predigttext zum diesjährigen Sonntag Kantate, aus dem Kolosserbrief Kap 3, die Verse 12 bis 17. Ursprünglich sind diese Verse an Menschen gerichtet, die gerade getauft worden sind und nun also neu mit zur Gemeinschaft der christlichen Gemeinde gehören. Der Apostel spielt in seinen Worten indirekt auf die weissen festlichen Taufgewänder an, mit denen sie nach ihrer Taufe bekleidet wurden und sagt dann:


So zieht nun an

als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten

herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld;

und ertrage einer den andern

und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern;

wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!


Vor allem aber zieht an die Liebe,

die da ist das Band der Vollkommenheit.


Und der Friede, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe

regiere in euren Herzen;

und seid dankbar.


Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen;

lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit;

mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern

singt Gott dankbar in euren Herzen.

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken,

das tut alles im Namen des Herrn Jesus

und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.



Liebe Gemeinde!


Kleider machen Leute“ - manche von Euch kennen diese schöne Erzählung von Gottfried Keller. Da ist ein armes Schneiderlein - aber er hat einen eleganten mit Samt ausgeschlagenen Mantel und weiss ihn zu tragen. So hält man ihn aufgrund seines

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Äusseren und seines vornehm-bescheidenen Auftretens für einen Edelmann, einen Grafen, und behandelt ihn der größten Hochachtung und Ehrerbietung.


Und genauso ist es mit Euch! Ein kostbares Gewand tragt ihr alle und Ehrentitel, geradezu Kosenamen bekommt Ihr hier:


Ihr Geliebten Gottes! So nennt euch der Apostel und er fügt noch weitere ehrenvolle, geradezu zärtliche Anreden Gottes für euch hinzu: Ihr Erwählten! Und: Ihr Heiligen! Wir alle hier sind Heilige! Eine Gemeinschaft der Heiligen!


Und darum können wir einander gar nicht hochachtungsvoll genug behandeln! Gott jedenfalls schätzt uns sehr hoch ein. Wir sind seine Geliebten, ihm heilig.


Und dem entspricht auch unser Gewand, das wir tragen. Seht einander mal an! Und jetzt nicht auf die übliche Manier, indem man die Kleidung des andern taxiert, sondern wir wollen jetzt mal mit den Augen des Glaubens sehen. Was sehen wir dann? Wir alle tragen das gleiche Gewand. Ein schönes Gewand! So, wie wir's gleich in dem Lied nach der Predigt singen werden: „Ich bin ganz neu geschmücket mit einem schönen Kleid, gezieret und gesticket mit Heil und G'rechtigkeit“.


Die Farbe unseres Gewandes ist ein leuchtend-strahlendes Weiss: Weiss ist die Farbe der Sündlosigkeit und Festlichkeit. Denn gerade so sieht Gott uns um Jesu willen an: Als sündlos, und als Festgäste an seiner Festtafel. Geschnitten ist das Gewand in Kreuzesform – ähnlich wie mein Talar, nur müsste der nicht schwarz, sondern weiss sein. Wenn man die Arme einladend oder segnend ausbreitet, kommt die Kreuzesform zur Geltung. Und so – mit ausgebreiteten Armen – hat man ja im biblischen Israel gebetet, mit weit ausgebreiteten Armen, und man zeigte damit: Ich will mich ganz für Gott öffnen, seinen Geist, seine Kraft in mich hineinströmen lassen. Ich will offen sein für die Begegnung mit Gott - und dann auch offen wir überraschende und wohltuende Begegnungen mit Menschen.


Das Gewand, das wir tragen, ist bestickt mit kostbarem zeitlos schönem Schmuck. Fünf Edelsteine sind darauf, Schmuckstücke von Gottes eigenem Gewand. Der Apostel nennt diese Schmuckstücke: Herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Sie helfen zu zweierlei Dingen, die entscheidend wichtig in unserm Leben sein können: Vergeben – und: Ertragen.


Vergebt einander, wenn jemand Klage hat gegen den Andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr“. Das hat jeder von uns schon erfahren, dass er von einem Menschen gekränkt, verletzt worden ist. Das kommt so oft vor: Ein abfälliges Wort, eine ungerechte Behandlung, ein boshaftes Verhalten einem Menschen gegenüber. Wenn uns das trifft: Wie gehen wir damit um? Alles in sich hineinfressen? Dann wird man leicht bitter, bekommt nach unten hängende Mundwinkel. Dem Andern mit gleicher Münze heimzahlen? Dann vermehrt sich das Böse noch.


Die Lösung heisst: Ver-geben. Vergeben bedeutet: Das Böse, das zwischen Menschen steht und sie trennt, sie ent-zweit, weggeben. Wohin? Es Jesus geben, es dem anhängen, in dem sich uns und jedem Menschen Gottes herzliches Erbarmen zuwendet. Es Jesus am Kreuz aufladen. Dann ist es dort und nicht mehr zwischen uns. Man kann sich dann

aussprechen, auch klar das böse Verhalten beim Andern benennen, ohne ihn noch als

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Menschen bei seiner Schuld zu behaften, ihn darauf festzunageln. Ich habe stattdessen herzliches Erbarmen mit dem Andern, weil der im Gefängnis seiner Schuld ist und von selber nicht da herauskann. Wie bei Gefängnistüren, die kann man auch nur von aussen öffnen.


Ihr Geliebten Gottes: Ver-geben, das ist eine wunderbare Möglichkeit, die es so nur im christlichen Glauben gibt. Sie ist wichtig in jeder Ehe, jeder Familie, jeder Gemeinde. Sie kann zu einem Neuanfang helfen. Dazu, dass Menschen sich einander – zweites Schmuckstück – wieder Freundlichkeit zuwenden.


Und nun strahlen noch drei weitere Schmuckstücke auf unserem weissen Gewand: Demut - Sanftmut – Geduld. Und die helfen zum Ertragen.


Ertragt einander, schreibt der Apostel. Das finde ich herrlich realistisch. Wir Menschen müssen uns oft schlichtweg ertragen. Wir sind ja wahrhaftig von Natur aus nicht immer wohltuend, sympathisch, freundlich. Eher im Gegenteil. Darum: Ertragt einander – und zwar, wie Paulus sagt, in Demut.


Dieses Wort, Ihr Geliebten Gottes, ist höchst missverständlich. Wir verbinden damit eher so etwas wie kuschen oder gar vor andern dienern.


In einem Kreuzworträtsel, das ich gerade löste, wurde es mit „unterwürfig, devot“ umschrieben. Aber christlicher Glaube, richtig verstanden, schafft ja gerade freie, selbstbewusste Menschen, Menschen mit Selbstvertrauen und Gottvertrauen, Menschen, die mutig sind, die gerade nicht alles hinnehmen, sondern um der Wahrheit willen auch Widerstand leisten! Und gerade wer innerlich so stark und frei ist, gerade der kann de-mütig, nämlich dien-mütig sein, so mutig, andern Menschen zu dienen. Mein Konfirmationsspruch aus Galater 5 Vers 13 sagt's sehr klar: Ihr seid zu höchstmöglicher Freiheit berufen. Dese Freiheit äussert sich darin, dass ihr Anderen in Liebe dient.


Welch ein Lichtblick sind Menschen in unserer Gesellschaft, von der Soziologen sagen, sie sei am treffendsten als „egoistische Gesellschaft“ zu kennzeichnen – welch ein Lichtblick sind Menschen, die ihre Zeit und Kraft darein setzen, dem Leben anderer zu dienen – und dies - viertes Schmuckstück – in Geduld.


Auch hier lohnt es sich, den biblischen Sinn dieses Wortes zu erklären.


Es gibt nämlich im griechischen Urtext des Neuen Testamentes zwei ganz verschiedene Worte , die Luther beide mit „Geduld“ übersetzt: Das eine - makrothymia – bedeutet wörtlich: einen langen Atem und großen Mut haben, also beharrlich sein, dranbleiben an hohen Zielen, beharrlich für sie arbeiten und sich für sie einsetzen, auch wenn es lange dauert. Und das andere Wort: hypotomé, das bedeutet wörtlich: Drunterbleiben unter Lasten, nicht ausweichen, nicht verdrängen, sondern drunterbleiben, standhaft, belastbar sein. Dieses Wort hypotomé steht hier. Drunterbleiben unter Lasten. Berlastbar sein. Die Kraft dazu bekommen wir durch das Gebet. Und durch das Vertrauen in Gottes Führung und Fürsorge. Und diese Kraft brauchen wir alle sehr, denn ist es nicht so, dass im Grunde jeder von Euch auch belastet und trostbedürftig ist?


Und das letzte der schönen Schmuckstücke auf unserem Gewand: Sanftmut. Das

biblische Wort hat wiederum nichts mit schwächlicher Nachgiebigkeit und langweilig-süsslichem Gehabe zu tun, sondern bedeutet wörtlich: In Einklang mit sich selbst sein, im

Frieden mit sich sein. Es also nicht mehr nötig haben, aggressiv zu sein - weder gegen

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Andere noch gegen sich selbst.


Wir haben eben in der Lesung aus Matthäus 11 gehört: Jesus selbst hat von sich gesagt: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“. Und in der Bergpredigt preist er die Sanftmütigen selig. Sie, sagt er, und nicht die Aggressiven, werden das Erdreich besitzen (Mt. 5). . Wie sehr ersehne ich eine Zeit, in der die Menschheit ihre Pubertät hinter sich und es also nicht mehr nötig hat, aggressiv mit anderen Menschen oder mit der Natur umzugehen. Was für verheerende Auswirkungen hat das immer wieder. Stattdessen: Schonender Umgang mit ihnen und mit der Natur! Wir leben glücklicher, wenn wir relativ einfach leben, uns nicht alles leisten, immer Wünsche offen haben.


Das also, ihr Geliebten, ist der Schmuck auf unserm Gewand.


Zusammengehalten wird es durch einen vollkommen schönen Gürtel: „Über alles aber zieht an die Liebe, das Band der Vollkommenheit“. Denn: Jeder Mensch ist in Gottes Augen liebens-würdig!


Wenn wir einmal abends ausgehen zu einem festlichen Ereignis, in die Oper, ins Theater,

zu einem festlichen Abendessen, dann machen wir uns im allgemeinen vorher fein, wählen schöne Kleidung aus und schmücken uns ...und werden bei all dieser Vorbereitung schon festlich gestimmt, werden innerlich fröhlich, erwartungsvoll und zufrieden. Dementsprechend sagt der Apostel nun: Der Friede Christi – zu dem ihr berufen seid in einem Leibe – das heisst: in der einen Christenheit – regiere in euren Herzen. Und weiter: Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, singt Gott dankbar in euren Herzen.


Warum bin ich immer wieder ein überwiegend fröhlicher Mensch? Weil ich mich viel mit der Bibel beschäftige. Ich werde darüber manchmal so froh, dass ich anfange zu singen, zu summen, zu trälllern.Das ist schon wichtig, und sehr hilfreich für unser Leben, dass wir möglichst keinen Tag ohne Geleit durch biblische Worte, etwa die Losungen, vergehen lassen. Anders gesagt: Dass wir täglich in bewusster Hinwendung zu Christus unserm Herrn leben.


Im Grunde - so meint es der Apostel – ist es Christus selbst, den wir Christen mit der Taufe anziehen wie ein Gewand. Darum münden seine Verse in den Satz: Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu.


Und das ist nun nicht eine Ermahnung oder Aufforderung an uns, die wir ja garnicht erfüllen könnten. Sondern es ist eine herzliche Einladung, den Namen dessen ernst zu nehmen, der „über alle Namen ist“ (Phil.2). Alle anderen Namen vergehen, nur dieser Name bleibt. Und von uns wird eben nicht bleiben, was wir geleistet oder angeschafft haben, sondern nur das, was wir in seinem Namen gesagt, getan, vollbracht haben. Was also aus Glaube, Hoffnung und Liebe heraus geschah und bei andern Menschen Glauben, Hoffnung und Liebe bewirkt hat.


Darum die Einladung an uns: Zieht Christus an! Tragt ganz bewusst das festliche Gewand, das Gott jedem von euch mit der Taufe gegeben hat. Unsere Kleider und Anzüge, die wir tragen, kommen aus der Mode, verschleissen und veralten. Das Gewand, das Gott uns gegeben hat, das passt und schmückt uns unser Leben lang· Unsere Anzüge und Kleider haben mehr oder weniger viel gekostet. Gottes Kleidung für uns bekommen wir gratis, Jesus hat für sie bezahlt. Wir können und sollen sie sonntags wie werktags tragen, sie ist

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für alle Gelegenheiten passend.·


Wunderschön siehnst du darin aus! Du Geliebter , du Geliebte Gottes, du Erwählter und du Heilige! So schön, dass Gott selbst dich voller Anerkennung und Freude mustert. Und auch Menschen werden wir mit dieser Kleidung, mit unserem von freier Liebe, liebevoller Freiheit geprägtem Verhalten, Freude machen.


Der Friede Christi also, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen