Gottesdienst am Sonntag Oculi, 14. März 2004

 

Lieder:

 

Herr Jesu, Gnadensonne...404, 1-3.6-8

Du schöner Lebensbaum...96

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht...591 (als Kanon nach der Lesung)

O Gott, du frommer Gott...495, 1 - 5

Mein erst Gefühl sei Preis und Dank...451, 5.9.10

 

Psalm 123, 1 und 2

 

Lesung: 1. Könige 18, 41ff.; 19, 1 - 8

 

Die Lesung für den heutigen Sonntag Oculi („Meine Augen sehen stets auf den Herrn“) ist ein Abschnitt aus den gewaltigen Elia-Geschichten. Vorausgegangen ist die Erzählung vom Gottesurteil auf dem Karmel, wo Elia den Baalskult zerstört, den der israelitische König Ahab unter dem Einfluss seiner sidonitischen Gattin Isebel, die in dieser Ehe „die Hosen anhatte“, zugelassen hatte. Mit seinem Sieg über den Götzenkult hat Elia sein  Verdikt erfüllt, mit dem die Eliageschichten beginnen – übrigens auch das Oratorium  „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy beginnt:: „So wahr der Herr, der Gott Israels lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn!“

 

Und dann heisst es am Ende von 1. Könige 18: Und Elia sprach zu Ahab...(ab V.41)

 

 

Der heutige Predigttext ist ein  Abschnitt aus dem Epheserbrief. Dieser Brief ist im Grunde eine Predigt, eine schriftliche Predigt an kleine Christengemeinden in der und um die Hafenstadt Ephesus in der heutigen Türkei.

 

In diesen Gemeinden damals wurde der ganze Brief im Zusammenhang von Anfang bis Ende vorgelesen, die Hörer konnten darum den Sinn der einzelnen Verse im Gesamtzusammenhang des Briefes verstehen. Wir hören heute nur einen kleinen Abschnitt aus dem letzten Briefteil, in dem Paulus aus dem, was er vorher von Christus und dem Glauben gesagt hat, Folgerungen für das christliche Verhalten zieht.

 

Dazu müssen wir noch wissen: In Ephesus gab es damals einen  grossen und  berühmten Tempelbezirk, in dem u.a. ein Standbild der griechischen Göttin Artemis – lateinisch: Diana – der Göttin der Jagd, verehrt wurde. Um den Tempelbezirk herum  gab es jede Menge Händler – man machte ja zu allen Zeiten auch Geschäfte mit der Religion – und es gab die Tempelprostitution: unter religiösem Deckmäntelchen getarnte sexuelle Ausschweifungen.

 

Ich lese nun aus Epheser 5 die Verse 1 bis 8a:

 

Ahmt Gott nach! Ihr seid doch seine geliebten Kinder!  Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns dahingegeben als eine Opfergabe, Gott zu Gefallen.

 

Von Hurerei und Lastern aller Art oder Geiz soll bei euch nicht einmal die Rede sein – das passt nicht zu den Heiligen Gottes. Ebensowenig hässliches und dummes Geschwätz oder  schmutzige Witze, stattdessen Danksagung.

 

Dies nämlich sollt ihr wissen, dass niemand, der Hurerei treibt oder Lastern frönt oder habgierig und geizig ist – und all das sind Formen von Götzendienst – das Reich Christi und Gottes erben wird.

 

Lasst euch nicht durch leere Worte darüber hinwegtäuschen. Denn wer sich so verhält und also Gott ungehorsam ist, der zieht Gottes Zorn auf sich. Ihr jedenfalls sollt mit solchen Leuten nichts zu tun haben! Denn früher wart ihr Finsternis, doch jetzt , wo ihr zum Herrn gehört, seid ihr Licht! Lebt also als Kinder des Lichts!

 

 

 

Hu! könnte man denken, das klingt aber ganz schön nach Moralpredigt, man sieht förmlich den mahnend erhobenen Zeigefinger: Ihr Christen sollt anständige Menschen sein, nicht so unanständig wie Leute, die schlüpfrige Witzchen machen,  dumm daherschwätzen, geil und  geizig sind. Ein Konfirmand soll mal gesagt haben: Christentum – das ist das, was man nicht darf. Diesen Satz könnte man hier bestätigt finden.

 

Wo bleibt in diesen Versen die Freude und die Freiheit? Wo bleibt die Glaubensheiterkeit, die nach dem Theologen Karl Barth ein Hauptkennzeichen eines Christen ist?

 

Immerhin – im letzten Vers werden wir aus scheinbar spiessig - muffiger Enge in die Weite geführt: Ihr wart früher Finsternis – jetzt aber, wo ihr zu Christus gehört, seid ihr Licht! Menschen  könnt ihr sein, deren Leben Christus hell und strahlend gemacht hat, Menschen, die klarsichtig sind und von denen ein Leuchten ausgeht. Denn das meint Paulus schon: Christen unterscheiden sich von Menschen, die von Christus nichts wissen, wie Licht von Finsternis!

 

                                                                       I

 

Machen wir uns dazu klar: Paulus schreibt diesen Brief an Menschen, die kurz vorher – meist als Erwachsene – getauft worden waren. Vorher hatten sie allen möglichen Götzen gedient, sich an allen möglichen finsteren Machenschaften beteiligt, sexuellen Ausschweifungen gefrönt, sich wortwörtlich „durchs Leben geschlagen“ – ein Menschenleben galt damals ja kaum etwas.

 

Aber jetzt, sagt Paulus, jetzt hat euer Leben einen Herrn, und das ist der Herr Christus. Und in ihm sollt und könnt ihr Gott selbst finden. Nicht einen Gott, den man fürchten  muss, der Opfer fordert, sondern einen Gott, der euch zu seinen Kindern gemacht hat! Ihr, die ihr vorher als Sklaven oder Prostituierte überhaupt keinen Wert in den Augen anderer Menschen hattet -  für Gott habt ihr einen unendlich hohen Wert! Heilig seid ihr ihm! Heilige seid ihr für ihn! Göttliche Liebe wendet er durch Jesus jedem von  euch zu! Wie hell ist euer Leben nun geworden! Und nun  ahmt Gott nach! So wie Kinder ihre Eltern nachahmen, so könnt ihr Gott, könnt ihr Jesus nachahmen, ihm entsprechen, liebevoll zu Andern sein.

 

Kann es eine höhere Ehrung für uns Menschen geben? Du kannst gar nicht hoch genug von Dir denken! Eine Tochter Gottes bist du! Ein Sohn Gottes bist du! Mit allen Rechten und Pflichen eines Gottessohnes, einer Tochter Gottes. Zu Deinen Rechten gehört: Du bist Erbe Gottes! Es wartet ein Erbe, ein unvergängliches und unfasslich schönes Erbe (1. Petr. 1,4) im Himmel auf dich! Und Pflichten? Eigentlich nur diese: Lerne von deinem erstgeborenen Bruder, wie Du solch ein Leben als Kind Gottes gestalten kannst! Ahme ihn nach! - Nachahmer Christi:  das griechische Wort „mimetai“ steht hier – seid Mimen Christi!

 

Und nun können wir  uns gar nicht radikal genug vorstellen, was das damals bedeutete, wie sehr sich damals die Christen in ihrem Umgang miteinander von den Menschen um sie herum unterschieden. In der Tat wie Licht von der Finsternis! Der Kirchenvater Tertullian, der im 4. Jahrhundert lebte, hat davon in einem seiner Bücher geschrieben: „Seht, wie sie sich lieben“ – das sei der immer wiederkehrende von geradezu ungläubigem Staunen geprägte Ausruf angesichts der Gemeinschaft der Christen gewesen: „Seht, wie sie sich lieben!“

 

Gott, wie er in Christus Gestalt annimmt, nachahmen, so zueinander sein, wie Christus zu Menschen war:  Es gibt in der Tat nur ein Wort, das Christi Verhalten zusammenfassend benennt, und das ist das Wort „Liebe“, Liebe im Sinne von Hochachtung vor anderen Menschen, vor ihrer Würde, vor ihrem Recht auf Leben.

 

                                                                       II

 

Und  nun nennt der Apostel drei Bereiche, in denen wir sie üben sollen, drei Bereiche, die offenbar besondere Schwachstellen bei uns sind, besondere Einfallstore für verführerische Einflüsse, und das sind die Bereiche der Sexualität, des Geldes, und der Sprache.

 

Sexualität. Da gibt es eine unchristliche Tradition verklemmter Prüderie und kleinbürgerlicher Moral, die das Gegenteil christlicher Freiheit war und ist, ein  Verurteilen von Menschen, die in ihrem sexuellen Verhalten der sog. bürgerlichen  Moral nicht entsprachen.

 

Wie gut, dass wir in der Bibel Anderes lesen können. Einmal:  Wie oft  wird da Sexualität als eine köstliche Gabe des Schöpfers gepriesen! Und: Wie gut ist es auch, dass wir in  der Bibel lesen: Jesus hat die Samariterin am Brunnen (Joh. 4) nicht verurteilt oder verachtet, obwohl er wusste, dass sie mit einer ganzen Reihe von Männern intim gewesen war und  mit dem derzeitigen unverheiratet zusammenlebte. Im Gegenteil, er hat sie als Gesprächspartnerin geehrt und bejaht und  darüber änderte sich aber dann auch ihre Einstellung von Grund auf, sie lebte nun Jesus, dem Herrn ihres Lebens,  entsprechend. Und: Jesus hat auch die Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte (Joh. 8), nicht verdammt, sondern sie  barmherzig und  liebevoll angesprochen - und  darüber änderte sich  ihr Leben von Grund auf.

 

Heute ist das Problem nicht Prüderie und Verklemmtheit, sondern das Pendel ist ins andere Extrem ausgeschlagen: Hemmungslose Vermarktung der Sexualität,  Erniedrigung von vielen huntertausenden Frauen, Mädchen, Kindern besonders aus osteuropäischen  aber auch fernöstlichen Ländern in  Bordellen, im Internet, in Videos...Und zu all dem muss man allerdings so deutlich wie in unserem Text sagen:  Damit darf und soll ein  Christ  nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Im Gegenteil: Wir müssen solch ein menschenverachtendes skrupelloses Verhalten bekämpfen, wo es nur geht! Stattdessen sollen Christen Vorbilder für eheliche Liebe und Treue sein.

 

Zweitens, die Habsucht. Ich las vor einigen Monaten in der Zeitung das Ergebnis einer soziologischen Untersuchung,  wonach die Habgier unter den Deutschen rapide zunehme. Wie kommt das? Die Antwort, denke ich,  kann nur sein: Weil die Menschen seelisch arm und erbärmlich dran sind. Es fehlt ihnen die Lebensfülle, die aus der Erfahrung, geliebt zu werden, kommt. Es fehlt ihnen das Vertrauen in die Liebe und Führung Gottes. Wer dagegen „in der Liebe lebt“, wie es hier heisst -  welch ein  schöner Ausdruck übrigens: In der Liebe leben wie ein  Fisch im Wasser -  der kann garnicht anders: Er wird wie von selbst grosszügig. Er vergisst nämlich nicht: Wir sind nicht Herren des Geldes, es gehört uns nicht, es ist uns von Gott geschenkt, anvertraut. Und er weiss: Wenn wir uns zu Herren des Geldes machen, wird das Geld zum Herrn über uns. Kennzeichen eines Christen dagegen ist die Freigebigkeit, die Grosszügigkeit.

 

Und der dritte Bereich: Die Sprache, der Umgang mit Worten. Paulus warnt vor leerem Gerede, er weiss: Worte haben Machtcharakter, Worte sind ungeheuer wirkungsvoll, können wunderbar trösten, aber auch tief verletzen. Auch hier wieder: Wer in der Liebe lebt, und das heisst auch immer: im  Gespräch mit Gott, dessen Worte werden aufbauende, tröstende. mutmachende Kraft haben. Wie heisst es von Jesus immer wieder? „Und er redete mit Vollmacht!“

 

Sollte man uns nicht – auch gerade in den Bereichen der Sexualität, des Umgangs mit Geld und des Umgangs mit Worten – anmerken können, wer der Herr unseres Lebens ist? „Früher wart ihr Finsternis, nun  aber, seit ihr zu Christus gehört, seid ihr Licht. Lebt als Kinder des Lichtes!“  Amen. 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.