Gründonnerstag 2004

Orgelvorspiel

Begrüssung :Hinweis auf Hallel-Psalmen

Lied 213, 1 - 3: Kommt her, ihr seid geladen... 

Psalmen 113/116 (Nr. 749 – 750.1  S. 1178f.)

 

Ansprache über Markus 14, 12 – 26 mit Dias: Jesus mit seinen Jüngern

beim Abendmahl (Leonardo da Vinci)

 

Liebe Schwestern und  Brüder!

 

Bei Hausbesuchen wird mir manchmal gesagt: Sie werden mich zwar nicht – oder selten – in der Kirche gesehen haben, aber ich bin auch Christ. Ich lade dann natürlich auch immer freundlich zum Gottesdienst ein. Aber ich habe verlernt, solche Gemeindeglieder etwas von oben herab anzusehen. Ich nehme ihre Aussage ernst: Ich bin auch Christ. Das heisst doch, sie sagen: Ich gehöre auch zu Jesus Christus.

Wer ist das eigentlich, ein  Christ, also einer, der zu Jesus Christus gehört?

Uns allen ist es mehr oder weniger ähnlich ergangen wie den ersten Jüngern Jesu. Irgendwann ist uns Jesus zum ersten Mal begegnet: In der Familie zuhause - wir waren noch kleine Kinder – oder im Kindergottesdienst, im Religionsunterricht, im Konfirmandenunterricht...Wir hörten von seinen Worten , seinen Wundern, manches prägte sich tief ein, manches haben wir nicht verstanden. Dann ging uns später vielleicht einmal auch überwältigend auf: Hier geht es ja auch um mich, um mein Leben - das Geschehen damals hat mit mir heute zu tun! Wir fühlten uns wohl in Jesu Nähe, wir merkten, es lohnt sich für uns, wenn wir auf ihn  hören, ihm folgen.So ähnlich erging es den Jüngern auch damals.

Und  dann führt Jesu Weg ihn nach Jerusalem. Die Jünger denken: Jetzt wird er seine Herrschaft aufrichten, das Reich Davids wiederherstellen, uns befreien vom römischen Joch.

Aber er sagt ihnen stattdessen:  Ich muß leiden, werde verspottet und  verworfen w von den  Hohenpriestern und Theologen, ja man wird mich geisseln und töten...Und  die Jünger verstehen ihn ganz und gar nicht mehr, sie beginnen sich innerlich  und dann – als er gefangengenommen wird – auch äusserlich von  ihm zu trennen. Sie verlassen ihn.

Oder sind wir vielleicht doch mutiger als die meisten der Jünger? Sind wir eher so wie Petrus?

Petrus sagt kurz vor Jesu Gefangennahme zu ihm: Auf mich kannst du dich verlassen. Ich werde – komme, was kommen mag – zu dir halten. Dann kommen die Soldaten, und tatsächlich zieht Petrus sein Schwert – und schlägt einem ein Ohr ab. Und Jesus sagt nach der Überlieferung des Matthäus zu Petrus: Stecke dein Schwert zurück an seinen Ort. Jeder, der das Schwert nimmt , wird selber durchs Schwert umkommen. Im Johannesevangelium sagt er zu Petrus:  Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat? Und nach der Überlieferung des Lukas heilt Jesus sogar die Ohrwunde.

 

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Immerhin: Petrus bleibt noch in Jesu Nähe. Er schleicht dem Trupp nach bis in den Hof am Haus des Kajaphas. Er ist völlig fassungslos und  begreift nicht, dass dies das Ende sein soll, dass so das Ende des Weges mit Jesus ausehen soll.Und dann, als es für ihn gefährlich wird, sagt auch er sich von Jesus los, leugnet, zu ihm zu gehören, er schwört: Ich kenne den Menschen nicht.

Oder – geht es uns vielleicht eher wie dem Judas? Er war vermutlich ein glühender Anhänger Jesu. Aber dann ist er offenbar grenzenlos enttäuscht von Jesu Wehrlosigkeit, vielleicht will er ihn  durch  seinen Verrat zwingen, zu kämpfen, vielleicht schlägt seine Liebe in Verachtung, ja Hass um, vielleicht hängt er auch am Geld...Die Evangelien deuten nur an, lassen Deutungen offen...Jedenfalls: Er geht über zu Jesu Feinden..und dann, als Jesus sich widerstandslos festnehmen lässt und er von ferne miterlebt, dass sie ihn zur Hinrichtung abführen, gerät er in abgründige Verzweiflung und  Ausweglosigkeit.

 

Die Evangelien sagen deutlich: Alle Jünger haben Jesus früher oder später verlassen. In welchem erkennen wir uns am ehesten wieder?  

In allen können wir immer wieder etwas von uns erkennen. In seinem berühmten Abendmahlsbild hat Leonardo da Vinci das eindrücklich dargestellt. Er hat den Augenblick festgehalten, in dem Jesus sagt: Einer unter euch wird mich verraten.

 

Dia 1 (ff. Text nach einer Vorlage von Jörg Zink)

1495 hat Leonardo es gemalt und zwar für das Dominikanerkloster Santa Maria delle Gracie in Mailand. Das Bild ist in einer Grösse von ca. 4 x 9 m auf die Wand des Speisesaals aufgetragen, in dem die Mönche sich zu ihren Mahlzeiten versammelten. Sie hatten während ihrer Mahlzeiten also immer das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern vor Augen.

Das Bild ist sehr häufig übermalt und restauriert worden, zuletzt vor wenigen Jahren noch, so dass kaum ein ursprünglicher Pinselstrich erhalten ist.

 

Dia 2

Aber Anfang des 16. Jahrhunderts, noch vor der 1. Beschädigung durch Hochwasser, hat ein  Engländer namens Morgan nach dem Original einen Stich angefertigt. Die Gesichter, die Morgan kopierte, tragen den Stempel der Kunst Leonardos deutlicher als das übermalte Bild. Darum  zeige ich im Folgenden Ausschnitte aus diesem schwarz-weissen Kupferstich.

Man sieht einen geräumigen Saal, der sich in eine weite Landschaft hin öffnet. Eine lange Kassettendecke und Teppiche an der Wand führen den Blick auf die Fenster  bzw. auf Christus zu.

Am Tisch von links nach rechts: Bartholomäus, Jakobus der Sohn d Zebedäus, Andreas, Judas, Petrus, Johannes. - Rechts: Thomas, Jakobus der Sohn des Alphäus, Philippus, Matthäus, Thaddäus, Simon Zelotes.

 

 

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Jesus hat den Jüngern gerade gesagt: Einer unter euch wird mich verraten. Da fährt es wie ein Wirbelwind durch die Jüngerschar: Bin ich’s? Ich doch nicht! Ich jedenfalls nicht. Aber wer dann? Wer ist’s?

Also wer ist es, der Christus verrät? Und wer gehört zu Ihm? Wer gehört an seinen Tisch?

Dia 3

Jakobus der Ältere, der Sohn des Alphäus, unmittelbar neben Jesus sitzend, fährt entsetzt zurück! Ich nicht! Ich bestimmt nicht! Als ob er sich möglichst weit distanzieren wollte von der Stelle, auf die Jesus hinsieht, wirft er die Arme auseinander, prallt förmlich zurück.

 

Dia 4

Dicht hinter ihm Thomas, der von seinem Sitz aufgesprungen ist, er fährt auf Christus zu. Mit fast bösem Blick, den Zeigefinger steil und drohend erhoben, scheint er zu sagen: Das soll dir nicht einfallen zu sagen, ich könnte ein Verräter sein.

 

Philippus, als sensibler junger Mann dargestellt, ist tief getroffen. Er beugt sich weit über den Tisch herüber, um den Blick Jesu zu erreichen, er zeigt mit den Händen auf seine Brust, als ob er sagen wollte: Du weißt doch, dass ich dich nie verraten würde. Glaube mir: Ich habe nur Liebe und Vertrauen zu dir.

Dia 5

Simon Zelotes, rechts aussen, meint nicht richtig gehört zu haben: Es ist doch absurd, in unserm Kreis einen Verräter zu haben! Das kann er doch nicht gesagt haben! Und  als ob er zeigen wollte, wie abwegig ein solcher Verdacht ist, hält er seine beiden Hände flach vor sich hin.

 

Aber die beiden andere wissen es besser: Thaddäus, in der Mitte der drei, mit der Hand über die Schulter weisend, hat es gehört. Er hat es gesagt: Einer wird mich veraten! Einer. Wenn ich’s nicht bin – wer ist es dann?

Und Matthäus, mit markantem Römerkopf, bestätigt: Bitte, die anderen haben es auch gehört. Er hat es gesagt.

Dia 6

Am linken Tischende geht es nicht weniger dramatisch zu. Bartholomäus, ein kräftiger massiger Mann, beugt sich über den Tisch, schwer auf die Hände aufgestützt, und scheint finster entschlossen, den Verräter, wenn er entlarvt werden kann, zu fassen und zu packen. Neben ihm, ein wenig im  Hintergrund, schaut Jakobus, der Sohn des Zebedäus, auf Christus, als warte er auf den nächsten Satz,

in dem Christus sagen wird, wer es ist. – Rechts von ihm, breit, sicher, aufrecht, wie ein Patriarch, Andreas. Er hält beide Hände abwehrend vor die Brust, als sage er: dafür garantiere ich: Ich bin’s nicht.

 

 

Dia 7

Am dichtesten Ballen sich die Gedanken, Worte, Gestalten in der inneren Gruppe links: Judas; Petrus, Johannes.

 

Was Johannes, der zarte, feinfühlige Mensch denkt und empfindet, tritt nicht nach aussen, es bleibt verborgen. Lediglich die gefalteten Hände und der gesammelte

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Gesichtsausdruck scheinen anzudeuten, auf welch stille Weise er mit dem Meister verbunden bleiben wolle.

Nicht verborgen, sondern sehr deutlich ist es bei den beiden Männern links von ihm. Petrus will es genau wissen. Er fährt über Judas  herüber zu Johannes, fasst ihm, der ihm viel zu still ist, an die Schulter: Frag ihn! Er soll sagen, wer ihn verrät!

Judas weicht zum Tisch hin zurück, sucht mit seinem rechten Ellenbogen Halt auf der Tischplatte, stösst dabei das Salzfass um und hält den Beutel mit dem Geld fest umklammert. Mit der anderen Hand geht er zögernd nach rechts herüber, dorthin, wo die Hand Jesu auf der Tischdecke aufliegt.

 

Dia 8

Petrus mit dem Messer in der Hand.

 

Dia 9

Judas‘ Gesicht ist dunkel, es ist das einzige Gesicht in der Tafelrunde, auf das kein Licht fällt.

 

Dia 10

Während seines Wirkens hatte Christus erlebt, wie alle Gemeinschaften, zu denen er gehörte, zerbrachen und auseinanderfielen: Seine Familie verstand ihn nicht: Sie sagten – Markus 6 ist das überliefert  - „der ist von Sinnen“. Seine Feinde in seinem Volk verstiessen ihn voll Hass, Hohn und Verachtung. Zum Zeichen dafür, dass er aus der Volksgemeinschaft ausgestossen wurde, fand die Hinrichtung ja ausdrücklich ausserhalb der Stadt Jerusalem, draussen vor dem Tor statt. Seine Jünger schliefen, verleugneten und verrieten ihn, verliessen ihn alle. Und zuletzt schien es, als habe auch Gott jede Beziehung zu ihm abgebrochen; ihn verstossen und verlassen.

 

Und der Christus, um den her alle Gemeinschaften zerbrachen, stiftete durch das Opfer seines Lebens für alle Zeiten, alle Völker, alle Menschen das Mahl einer grenzenlosen, allumfassenden Gemeinschaft.

Alle lädt er ein, niemanden, der dazugehören will, schliesst er aus: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid - und das ist jeder Mensch – ich will euch erquicken (Mt.11, 28).        

Niemanden schliesst er von der Gemeinschaft mit ihm aus – mit welcher Schuld auch immer er beladen ist. Und die Jünger, wie Leonardo sie dargestellt hat, repräsentieren jede nur mögliche Art von Schuld: Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit, sich aus allem heraushalten wollen, Eitelkeit und Eigenliebe, die Versuchung von  Christen, eine reine Gemeinde von Rechtgläubigen sein zu wollen, oder die Versuchung, zur Gewalt – in welcher Form auch immer – zu greifen, oder die Versuchung, den selbstgerechten Zorn an Anderen auszulassen...ja selbst die in auswegloser Schuld Festgefahrenen verstösst er nicht, die, die sich das Leben nehmen.

Welchen der Jünger ähneln wir eher? Wo und wie und wann waren und sind wir: gewalttätig  - rechthaberisch – überheblich – uns aus allem heraushaltenwollend – lieblos – auf Andere mit Fingern zeigend...?

 

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Dia 11

Nehmt und esst: Mein Leib, für euch gebrochen.

Nehmt und trinkt: Mein Blut, für dich vergossen, zur Vergebung deiner Sünde.

 

Die Gemeinschaft der Christen, die am Abendmahlstisch mit Christus und um ihn herum versammelt sind, das ist keine Gemeinschaft von Glaubenshelden, sondern eine Gemeinschaft der Sünder – aber eben: der begnadigten, der von Gott geliebten – Sünder, es ist eine Gemeinschaft  der Ihm Heiligen.  Amen.

Wir singen: Warum willst du draussen stehen...(EKG 439)

Gebet: EG 224  - Einsetzungsworte - Vaterunser – Christe, du Lamm Gottes...

Austeilung

 

Wir singen: Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all...293 (Psalm 117)

Psalm 118 (Nr. 751.1)

Wir singen: Du hast uns Leib und  Seel gespeist...216

Segen

Orgelnachspiel

 

 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.