Gottesdienst am 6. Sonntag nach Trinitatis, 18. Juli 2004

 

Lieder:

 

Nun  jauchzt dem Herren, alle Welt...288, 1 – 4

Herr Christ, dein bin ich eigen...204

In allen meinen Taten...368, 1 – 4

Ich lobe meinen Gott...272

 

Psalm 34 (Nr. 717)

 

Lesung: Matthäus 28, 16 - 20

 

 

Predigt über Jesaja 43, 1. 2. 4:

 

Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn  ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und  die Flamme soll dich nicht versengen...

Denn du bist in  meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich und ich habe dich lieb.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

 

es gibt Zeiten im Leben, da denkt man: Gott kennt mich nicht, er sieht mich nicht, er lässt mich allein in  meiner Not.

 

Aber dann kann es unvermutet geschehen, dass Gott gerade in solchen  Situationen zu uns spricht.

 

So auch hier.

 

                                                                        I

 

Was sind das für liebevolle Worte - Worte, die trösten, die neues Vertrauen und Liebe zu Gott wecken wollen.

 

Sie gelten den Angehörigen des Volkes Israel, die aus ihrer Heimat nach Babylon verschleppt worden sind und dort Sklavenarbeit verrichten müssen. Sie gelten Menschen, die überzeugt sind: Gott hat uns verlassen und vergessen.

 

Denen sagt Gott durch seinen Boten: Aber erinnert euch doch an früher! Erinnert euch daran, wie ich euch früher befreit, beschützt, gesegnet habe.

 

Damals: Am Schilfmeer, die ägyptischen Soldaten hinter euch...die Wassermassen konnten euch nichts anhaben! Aus der Sklaverei habe ich euch befreit! Und, dann, am Sinai, da habe ich einen Bund mit euch geschlossen, habe euch erwählt, ich habe dich, das von mir erwählte Volk, bei deinem Namen gerufen, d.h. ich habe eine

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ganz besondere Beziehung des Vertrauens und der Liebe zu dir begonnen. Du bist mein eigen, und wer dich antastet, der tastet mich selbst an...

 

                                                                        II

 

Erwählung, Liebe...Das bedeutet nicht, dass dieses Volk damit zugleich auch bewahrt würde vor schlimmen, ja schrecklichen Erfahrungen. Rätselhafterweise ist eher das Gegenteil der Fall. Der Theologe Helmut Gollwitzer schreibt einmal: Erwählung – das bedeutet für Israel: Zur Schlachtbank geführt werden. Gott bewahrt offenbar nicht vor Schrecklichem. Sondern er sagt hier: In allem Schweren, Dunklen, Leidvollen werde ich bei dir sein. „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen“.

 

Wasser, Feuer – das sind Lebensgefährdungen, Lebensbedrohungen im wörtlichen Sinne. Man kann ertrinken. Man kann verbrennen. Bei dem Wort Wasser denken die gläubigen Juden bis heute an die Wasserwogen am Schilfmeer, aber auch an die Urflut, die Chaosmächte, die die Schöpfung bedrohen. Bei dem Wort Feuer – da werden viele bis heute vor allem an die Gaskammern, die Feueröfen und Leichenverbrennungsanlagen im  Dritten Reich denken, auch an Häuser- und  Synagogenbrände.

 

Aber, sagen wir, da hat Gott doch gerade nicht bewahrt! Sondern  das Entsetzliche geschehen lassen.

 

Hier merken wir: Man kann diese Worte, diese Zusagen Gottes nur sozusagen von innen her hören. Sie entfalten ihre Wahrheit nur für den, der drin ist in Feuers- und  Wassersnöten. Wasser: Das bedeutet hier ja viel mehr als das Element Wasser. Es ist ein Bildwort für Ängste, in denen  man versinken kann, für dunkle Mächte und

schreckliche Ereignise, die mit der elementaren Wucht von Wogen über einem zusammenschlagen können. Und  Feuer: Das ist ein Bildwort für brennenden Schmerz, etwa den Schmerz, für immer und endgültig von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen. Es gibt im Buch Daniel die Geschichte von drei jungen Männern, die mitten drin waren in den  Feueröfen – und denen die Flammen nichts antun konnten (Daniel 3)... Das gibt es offenbar, dass man mitten im Feuer von Gottes Schutz umgeben und bewahrt  bleiben kann.

 

Also, noch einmal: Diese Trostworte, diese Zusagen Gottes sind nicht so etwas wie eine Schallplatte oder CD, die man jederzeit und nach  Belieben auflegen kann. Sondern sie sprechen in konkrete Lebenssituationen hinein. Der, der vielleicht Angst hat vor einer Operation, der soll sie hören. Oder einer, der in brennender Sorge um einen Menschen  ist, der soll sie sich vorsagen. Einem, der Angst hat vor der ungewissen Zukunft, oder einem, die in  quälender Sorge ist um einen Menschen, dem sagt Gott das: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!  Ich bewahre dich.

 

                                                                        III

 

Und er begründet, warum wir nicht in  Furcht, sondern in Vertrauen, nicht in  Sorge, sondern in  Geborgenheit leben können, in doppelter Weise.

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Erstens sagt er: Ich bin ja der, der dich geschaffen hat. Gott hat mein und dein Leben  geschaffen, von seinem Anfang bis zu seinem Ende, er kennt auch schon unsere Zukunft. Und das heisst doch: Wir können alles, was uns begegnet und geschieht, als seine Führung deuten. So wie es die Liedstrophe sagt, die wir gleich singen 

werden: „Es kann  mir nichts geschehen, als was er hat ersehen und was mir selig ist...!“ Sicher, das sind grosse Worte. Wir wollen ruhig zugeben, dass uns solches

Vertrauen  in seine Führung oft schwerfällt – weil wir den Sinn nicht erkennen, weil wir eben nichts durchschauen.

 

Und doch: Wir können getrost und tapfer in all dem Undurchschaubaren leben, wenn wir uns  nur geliebt wissen!

 

Und  darum sagt Gott nicht nur: Ich habe dein Leben geschaffen, sondern er fügt hinzu: Du bist in meinen Augen wertgeachtet und  auch herrlich und ich habe dich lieb!  Diese Liebe Gottes empfangen wir durch Jesus. Und eines der tiefen Zeichen dieser Liebe ist die Taufe.

 

                                                                        IV

 

Und nun  ist im  Grunde alles in dem einen Satz zusammengefasst: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.    

 

Die frühere ZEIT-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: Namen, die keiner mehr nennt. Darin beschreibt sie masurische Orte, Orte, deren Namen keiner mehr nennt, seit sie polnisch geworden sind. Namen, die

vergessen sind, versunken im  Strom der Geschichte.

 

Manche denken so auch von ihrem Leben: Wir sind  da, um zu arbeiten, ein  bisschen  Spass zu haben – und dann,  nach dem Tode, kehren wir zurück in den Kreislauf der Natur und werden allmählich vergessen. Der Wunsch nach anynomer Bestattung nimmt ja zu, der Wunsch : Nach meinem Tod soll man meine Asche  anonym beisetzen oder ins  Meer streuen. Aber die Bibel sagt es anders: Gott hat jeden von uns  bei seinem Namen gerufen. Und Jesus sagt: Freut euch, dass eure Namen im  Himmel angeschrieben sind (Lukas 10, 20). Das heisst: Bei Gott sind wir nie vergessen. Unser Leben vergeht und verweht nicht so einfach, es bleibt aufbewahrt, es vollendet sich in Gottes Licht. Und  darum ist der Name, auch der Name auf den Grabsteinen, so wichtig.

 

Der Name sagt: Gott kennt auch dich und hat dich lieb. Er hat ein persönliches Liebesverhältnis zu dir. Du bist und bleibst sein eigen.  

 

Darum: Fürchte dich nicht!

 

Amen.