Gottesdienst am 3. Adventssonntag, 12. Dezember 2004

 

Lieder:

 

Mit Ernst, o Menschenkinder...10

Wir wollen singn ein‘ Lobgesang...141

Nun jauchzet all, ihr Frommen...9

Tochter Zion, freue dich...13

 

Psalm: Lobgesang des Zacharias (Nr. 768)

 

Schriftlesung: Jesaja 40, 1 - 11

 

 

Predigt über Lukas 3, 1 – 14:

 

Im  fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene,

als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren,

da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.

Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,

wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40, 3 – 5):

„Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste:

Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!

Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.

Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“

Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiß gemacht, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?

Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn  ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.

Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun?

Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.

Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen wir denn  tun?

Er sprach: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!

Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen wir denn tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und laßt euch genügen an eurem Sold!

 

2

 

Liebe Gemeinde!

 

                                                                        I

 

Tief im Jordangraben, mindestens zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel, an der tiefsten Stelle der Erde, steht Johannes der Täufer. Hier unten predigt er, hier ganz unten wird er auch Jesus taufen.

 

Um wieviel höher in jeder Hinsicht steht die Prominenz der damaligen Welt! Lukas nennt sie – mitsamt ihren hochtrabenden Titeln – allesamt mit Namen: Der Kaiser Tiberius. Der Statthalter Pilatus. Die Landesfürsten Herodes, Philippus, Lysanias. Die

Oberpriester Hannas und Kaiphas. Warum nennt er sie? Sie müssen dazu herhalten, als Datumsangabe zu dienen für das wirklich wichtige Geschehen. Sie bilden nichts als die Einleitung für das Wesentliche: Das Geschehen des Wortes Gottes. Sie sind samt und sonders nur der Nebensatz. Der Hauptsatz lautet: „...da geschah das Wort Gottes zu Johannes.“ Lukas sagt uns: Bei „denen da oben“ passiert das Entscheidende gerade nicht. Die wirklich wichtigen Ereignisse laufen an den  hohen  Herren vorbei. Das weltgeschichtlich Bedeutsame geschieht stattdessen unten, in der Niedrigkeit, am Jordanufer.

 

Wie tief sind diese Denkmuster doch in uns drin: Wir meinen immer: „Die da oben“ seien die großen Macher, und manche von uns meinen  gar, man müsse vor den vermeintlich Mächtigen und Einflußreichen dienern und katzbuckeln, um sie herumscharwenzeln und ihnen schmeicheln – und immer wiede höre ich: Ach, was können wir schon groß verändern...! Der berühmt-berüchtigte „Tropfen auf den heißen Stein“. Lukas erinnert uns daran, daß bei Gott völlig andere Maßstäbe gelten

 

Die Götter der Religionen und die Götzen der Gegenwart (in der Predigt meiner Frau am letzten Sonntag sind einige genannt worden): Die dienten und dienen in der Tat meist zur Bestätigung oder Verstärkung der Macht der Starken. Der Gott der Bibel aber hat von Anfang an eine Schwäche für die Schwachen und schätzt die, die unten sind, besonders hoch. Dem in unseren Augen ganz unscheinbaren Tun kann er eine ganz unübersehbare Wirkung verschaffen und besonders gern wählt er sich Menschen  aus, die in moralischer Hinsicht eher anrüchig und fragwürdig sind und die von Geburt, Ansehen, gesellschaftlicher Stellung her unbedeutend sind  - so wie hier den Jochanan, den Johannes,  mit seinem struppigen Mantel und seiner merkwürdigen Nahrung. Zu ihm kommt Gottes Wort. Und dann zieht dieses Wort Gottes , das er dann weitersagt, Kreise: Hin zu den Leuten aus dem  Volk, die ihn hören – hin zu Jesus – und  durch Jesus dann bis zu uns jetzt hier in Rellinghausen.

 

                                                                        II

 

Die Predigt, die Johannes hält, ist – gelinde gesagt – recht rüde im Ton. Er fängt nicht an mit: Liebe Gemeinde! Sondern mit: Ihr Schlangenbrut! Und wir müssen uns  klarmachen: Das ist eine äußerst ernste und erschreckende Anrede! Es ist, als würde ich Euch anreden:Ihr Ausgeburt des Satans! Ihr, die Ihr samt und sonders dem Satan und seinen Verführungskünsten verfallen seid! Und wenn ich den Inhalt seiner Predigt auf uns heute übertragen würde, müßte ich Euch jetzt sagen: Wo nehmt ihr eigentlich die Sicherheit her zu glauben,  Gott könnte euch freundlich

3

 

gesonnen sein. Was für eine Unverfrorenheit von Euch zu meinen, Gott sehe euch gnädig an und werde euch, weil er ja ach so geduldig und nachsichtig ist, schon Euer gottloses Verhalten vergeben. Nein, das Gegenteil wird geschehen: Gottes Zorn wird sich über Dir entladen. Unausweichlich wird er Dich strafen und richten – es sei denn, Du änderst dich so,  daß man deutlich an Deinem Verhalten spürt, daß Du des Ehrennamens „Christ“ auch würdig bist. 

 

Es ist leider so, daß in unserer Kirche die Gnade Gottes manchmal geradezu zu Schleuderpreisen angeboten wird. „Gott liebt uns bedingungslos“, „Gott nimmt uns an, wie wir sind“. Wem die Liebe Gottes so billig angeboten wird, der will vermutlich von diesem in Wahrheit doch Unfaßlichsten und nach menschlichen Maßstäben Ungerechtesten, das es gibt – denn hat einer von uns die Liebe Gottes etwa verdient? – schließlich garnichts mehr hören, es regt ihn nicht mehr auf, wird ihm geradezu belanglos. Und das wäre dann unsere Schuld, weil wir von Gottes Liebe so leichthin und seicht dahergeredet, sie so billig und wohlfeil angeboten haben. Nein, das Neue Testament redet keinen Deut weniger ernst als das Alte auch vom Zorn Gottes – vom Zorn Gottes über unser in vielem so gotteslästerliches Verhalten – etwa wenn Menschen,  die sich Christen nennen, Völker mit Kriegen überziehen, die Bodenschätze von Ländern plündern oder millionenfach Pornographie verbreiten und unzählig viele Frauen – etwa aus osteuropäischen Ländern oder den Philippinen - mißbrauchen und entehren.  Und das Neue Testament spricht keinen Deut weniger ernst als das Alte auch vom Gericht Gottes: „Irrt euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten -  was der Mensch sät, das wird er ernten“, schreibt Paulus (Gal. 6, 7). „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“, heißt es im Hebräerbrief (10, 31) und im 1. Petrusbrief (4, 17): „Denn die Zeit ist da, daß das Gericht anfängt an dem Hause Gottes, (also an uns,  der Gemeinde)! 

 

Gott kann uns und unsere Kirche auch verwerfen, kann seinen Geist von uns        wegnehmen und uns der Verblendung und Verführung, die unser Leben ins Verderben führt, einfach überlassen. Und manchmal denke ich: Es könnte ja wirklich so sein, daß unser ganzer kirchlicher Betrieb nichts ist als das lautstarke Rotieren eines Motors im Leerlauf ist, mit gewaltigem - immer noch zunehmendem - Papierausstoß, aber ohne jede geistliche Kraft und Wirksamkeit. Nein, nur wenn wir Gott von ganzem Herzen suchen,  wird er sich von uns  finden lassen. Und nur  wenn wir uns in der Adventszeit durch Buße, Gebet und  Bibellese innerlich vorbereiten, wird uns dann  zu Weihnachten auch wirklich Staunen, Verwunderung und  Freude erfüllen über das Wunder aller Wunder, daß der Herr und Schöpfer des Weltalls als runzliger Winzling in einer Futterkrippe liegt und sagt: Da bin ich, nehmt euch meiner an!

 

 

Darum ist die Botschaft des Advent: Bereitet dem Herrn den Weg! Die Berge      sollen erniedrigt und die Täler erhöht werden. Das heißt: Wer hochmütig ist – und wer von uns ist das eigentlich nicht? – der soll  ‘runter vom hohen Roß und

demütig werden und sich von Gott sagen lassen: Du hast nicht den geringsten Grund, dich über irgendeinen Menschen zu überheben und auf ihn herabzusehen. Stattdessen: Die Erniedrigten – die hebt Gott hoch zu Ehren! Und ihr sollt diesem Verhalten Gottes entsprechen! Also bringt rechtschaffene Früchte der Buße!

 

 

4

 

                                                III

 

Aber was sollen wir denn tun? fragen sie den Johannes. Und er gibt ihnen konkreteHinweise. Er verlangt weder Unmögliches noch predigt er zum Fenster hinaus. Hätte er den Großkopfeten zu predigen, die Lukas eingangs aufzählt, dann würde er ihnen das Entsprechende sagen. Und er hat‘s ja auch getan: Den König Herodes hat er öffentlich wegen Übertretung des sechsten Gebots, wegen Ehebruchs, angeklagt (und dafür sein Leben gegeben).

 

Aber hier sagt er denen, die ihn fragen, das ihnen Entsprechende – und das, was ihnen zu tun auch möglich ist. Er sagt nicht: Ihr Soldaten sollt desertieren oder den Kriegsdienst verweigern. Sondern er sagt: Keine Rohheiten! Keine Plünderungen und  keine Gewalttaten. Unter keinen Umständen eine Folterung oder eine Vergewaltigung! Sonst – wehe euch!

 

Den Zöllnern sagt er nicht: Hängt euren Beruf an den Nagel. Wohl aber sagt er: Übt euren Beruf ehrlich aus. Kein Druck, kein Machtmißbrauch, keine Bestechung!

 

Denen, die mehr haben, als sie brauchen, sagt er: Gebt von eurem Überfluß ab, damit ihr glücklicher werdet. Wieviel ihr abgebt, steht in eurem Ermessen.

Ein  Maßstab könnten die Pharisäer sein, die jeden Monat den Zehnten, also 10 % ihres Einkommens abgaben. 

 

Also: Wir können und brauchen die Welt nicht zu erlösen. Wir sind nicht Christus. Wir können das Meer des Elends in der Welt nicht trockenlegen. Gott muß all die „tausend Plagen und große Jammerlast“ aushalten und verantworten, nicht wir. Aber wir können wie Johannes der Täufer sein: Wegbereiter für Jesu Kommen zu den Menschen, lebendiger Hinweis auf ihn, den Erlöser – indem wir großzügig sind und freigebig, indem wir deutlich machen, daß unser Gott  fremdenfreundlich ist – ohne daß wir damit zugleich kulturelle oder religiöse Unterschiede oder Gegensätze verwischen. Indem wir demütig sind, das heißt, in dem Wissen leben: Wir als Einzelne, wir als Gemeinde und Kirche, wir alle kochen immer nur mit Wasser, das Feuer des Geistes: Das ist und das bringt Er! Aber auch indem wir eine im christlichen Sinne sehr selbstbewußte Haltung an den Tag legen, die aus dem Wissen kommt: Gerade ich bin ihm wichtig! Gerade auf meine Gaben, meine Worte, mein Tun und Lassen will und  kann Christus auf keinen Fall verzichten!

 

Darum: Der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.