Abendmahlsgottesdienst am Fest Christi Himmelfahrt, 25. Mai 2006

 

Lieder:

 

Wie groß ist des Allmächt'gen Güte...662, 1-3

Siegesfürste, Ehrenkönig...  EKG 95

Jesus Christus herrscht als König...123

Von Gott kommt mir ein  Freudenlicht...70, 4 (vor dem Abendmahl)

Wie lieblich ist der Maien...501

 

Psalm: Kolosser 1,  Nr. 774 S 1199f

 

Lesung: Lukas  24, 50 - 53

 

 

Predigt über Offenbarung 1, 4 - 8

 

Der für heute vorgeschlagene Predigttext ist der Anfang des Buches der Offenbarung. Der Seher Johannes schreibt an die sieben Gemeinden in Kleinasien, und  er beginnt mit dem sog. Kanzelgruss: Gnade sei mit euch und Friede von  dem, das da ist und der da war und  der da kommt. Und dann sagt er weiter:..

 

Jesus Christus ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Siehe, er kommt mit den Wolken, und  es werden ihn  sehen alle Augen und alle, die ihn  durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen.

Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Was ist Macht?

 

"Alle Macht kommt aus den Gewehrläufen" - so hat Mao tse Tung geschrieben. Das war seine Überzeugung. Alle Macht kommt aus den Gewehrläufen. Macht ist Gewalt, kriegerische Überlegenheit.

 

"Der Papst - wieviel Divisionen hat der Papst?" So soll Josef Stalin auf der Konferenz von Jalta 1944 gesagt haben, als man ihn darauf hinwies, man müsse die Macht des Papstes berücksichtigen. Wieviel Divisionen hat der Papst?? Auch er konnte sich Macht nur als Militärgewalt vorstellen.

 

Das verstehen die meisten  Menschen vor allem unter Macht: Sich durchsetzen können; wenn nötig, mit Gewalt. Andern den eigenen Willen aufzwingen. Menschen  in  Schach halten. Sie unterdrücken, sich gefügig machen., wenn  nötig, sie abschieben, beseitigen...

 

Macht in diesem Sinne wird in der großen Politik ausgeübt; aber auch in der Kirche, und auch  in  zahllosen Ehen und Familien, in denen Haustyrannen (meistens männlich, hin und  wieder auch weiblich), Despoten, Machos herrschen. 

 

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Und es geschieht überall  im menschlichen Zusammenleben, wenn wir irgendeine Form von Überlegenheit ausspielen: Fachwissen, Titel, Beziehungen...und dann  andere damit ausstechen, uns über sie erheben oder sie verdrängen wollen...Und nicht zuletzt: Wieviel verborgene Gewalt wird auch durch Propaganda, Werbung, Meinungsmache ausgeübt mit dem Ziel: Menschen zu manipulieren, sie abhängig und gefügig zu machen.

 

Macht als Durchsetzung  eigener Interessen.

 

                                                                       I

 

Und nun feiern wir Christi Himmelfahrt, ein  wahrhaft revolutionäres Fest. Eine Kampfansage gegen diese Art von Macht. Ja mehr: Himmelfahrt ist eigentlich ein einziger Jubelruf, weil uns gesagt wird: Es hat mit Jesus und durch Jesus eine Gegenbewegung gegen diese Art von Machtausübung begonnen, und  nicht nur das: Es ist von Gott her eine völlige Neuordnung und Umwertung der Machtverhältnisse geschehen: Alle Machthaber - die sichtbaren wie die unsichtbaren - unterstehen nun dem einen, dem von Gott alle Macht im Himmel und  auf Erden gegeben worden ist - und sie alle werden sich vor ihm verantworten und verbeugen müssen.  Denn, wie Johannes in unserem Text schreibt: "Jesus Christus ist Herr über die Könige auf Erden" ; er ist "Herr", er ist "der Allmächtige". Im griechischen Urtext stehen  hier die Worte kyrios und pantokrator: Beides Titel, die sich die römischen Kaiser  gaben. Johannes aber spricht ihnen ihre Herrschaft ab und sagt: Nur noch einem gebührt der Titel und die Anrede: Herr, und  nur noch einen bekennen wir als allmächtig: Jesus den Gekreuzigten. Und wo zeigt sich seine Allmacht? Da, wo wir nur größte Ohnmacht, Tiefpunkt, Niederlage sehen: Am Kreuz. Da kann man erkennen: Seine Liebe - und darin Gottes Liebe - ist mächtiger als die mächtigsten Mächte, nämlich Sünde, Tod und Teufel.  

 

Jesus Herr über alle sichtbaren und unsichtbaren Mächte. Das war und ist unfaßlich revolutionär und unerhört. Und es kommt natürlich alles darauf an, daß wir Menschen lernen, dementsprechend zu leben und miteinander umzugehen.  Wozu die tägliche Bitte gehört: Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an! 

 

                                                                       II

 

Eins ist klar: Wer diesem Glauben an den Herrn Jesus  entsprechend zu leben versucht, der muß fast automatisch in Konflikt mit den alten Herrschern und Herrschaftsstrukturen geraten, es kann ihm Anfeindung, Leiden, Märtyrertum vielleicht einbringen. 

 

Derzeit  erscheinen eine ganze Reihe von Büchern über evangelische Märtyrer und Widerständler. Zum Beispiel Das Buch "Ihr Ende schaut an...": In diesem Buch werden 499 evangelische Christen  vorgestellt, die unter den Nazis oder den  Sowjets um ihres Glaubens willen starben - vom rheinischen Theologen bis zu volksdeutschen Predigern in  Kasachstan. Und das Buch: "Sie schwammen gegen den Strom", in  dem 62 Märtyrer und Widerständler aus dem rheinischen Protestantismus zwischen 1933 und 1945 vorgestellt werden. 

 

Und der Seher Johannes schreibt sein  Buch ja an Christengemeinden in der heutigen

Türkei, die ebenfalls blutig verfolgt wurden, er schreibt um das Jahr 90, unter der Regierung des römischen Kaisers Domitian. Sie wurden verfolgt und zu Märtyrern, weil sie dem Kaiser  die Huldigung als Gott und Herr verweigerten; auch Johannes selbst schreibt sein Buch, während er um seines Glaubenszeugnisses willen  auf die Insel Patmos verbannt ist. Er stärkt und tröstet die verfolgten und in ihrem Glauben bedrängten Gemeinden, indem er

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ihnen in  großartigen, gewaltigen visionären Bildern, Worten und  Hymnen  den Kampf und endgültigen Sieg Jesu Christi über alle widergöttlichen Mächte vor Augen führt

und ihnen Worte des erhöhten  Christus mitteilt, von denen manche  auch "Goldene Worte", beliebte Konfirmationssprüche geworden sind, z.B.: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Oder: Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme.

 

Die Krone: also das Zeichen der Ehre und des Sieges, der Ehrenkranz, den Jesus      

am Ziel denen geben wird, die trotz Anfeindungen und Anfechtungen sich im Glauben bewährt haben.

 

                                                                       III

 

Auf dieses Ziel richtet auch Johannes hier unseren Blick, wenn  er sagt:

Siehe, er kommt mit den Wolken und es werden ihn  sehen alle Augen und  alle, die ihn  durchbohrt haben und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter auf Erden.

 

Einmal also, da werden ihn alle sehen in einer Glorie, Herrlichkeit und  Majestät, wie wir sie eben in dem Gerhard-Tersteegen-Lied "Siegesfürste,  Ehrenkönig..." besungen haben - und dann, so sagt Johannes hier, werden den Gewalttätigen und Peinigern, und genauso jedem von uns  hier die Augen dafür geöffnet werden, wie wir alle durch unsere großen und  kleinen Sünden ihn mit durchbohrt haben, an seinem Leiden, Sterben und  Kreuzestod also mitbeteiligt sind. Ein  großes Wehklagen wird dann  anheben, ein  großes Weinen und  sich Schämen darüber, wie wenig wir die Wohltaten des Evangeliums in unserem Leben umgesetzt haben. Ein  sich Schämen darüber, wie schlimm wir etwa auch mit unseren Mitgeschöpfen umgegangen sind. Im  Kino "Eulenspiegel" in Steele läuft derzeit der Film "We feed the World" ("Wir ernähren die Welt"), in  dem erschreckend gezeigt wird, wie abscheulich Pflanzen  und Tiere, Geschöpfe Gottes also, für die menschliche Ernährung produziert werden. Auch das alles werden wir vor Gott verantworten müssen. Und dann endlich wird jeder klar sehen, wie sehr wir alle das brauchten und  brauchen, was das kostbarste und unverdienteste Geschenk des Evangeliums  ist: Die Sündenvergebung. Dass Gott uns um Jesu willen all unsere erkannte und unerkannte Sünde verzeihen und vergeben will.

 

                                                                       IV

 

Denn darin  besteht ja die Allmacht Jesu Christi:  In seiner grundlosen Liebe zu uns und  jedem Menschen - einer Liebe, die uns Sünder ehrt, wie es schöner nicht geht, indem sie - wie Johannes hier schreibt - jeden und  jede von  uns  zu Königen  und  Priestern  macht.

 

Jeder von uns ein König, eine Königin - alle in gleicher Weise! Keiner also mehr höher oder niedriger als der andere. Und das wird ja gleich beim  Heiligen  Mahl ganz deutlich: Da 

sind wir eine Gemeinschaft von lauter Königskindern, Geschwister des einen Königs Christus. Jeder wird dazu gestärkt und beauftragt, das zu sein, was die eigentliche Würde und Aufgabe der Könige im alten Orient war: Der Fürsorge und dem Schutz von Menschen  und  Mitgeschöpfen zu dienen!

 

Und:  Jeder ein Priester, eine Priesterin! Alle gleich darin, daß jeder von uns  unmittelbaren Zugang zu Gott hat, mit allen priesterlichen Gaben und  Würden gesegnet ist - auch und vor allem mit dem Auftrag zur Absolution, zur Sündenvergebung im  Namen und in der Vollmacht Jesu! Wie herrlich und hoch ehrt Gott uns durch das Evangelium, wie abseitig und falsch ist also jedes kleinlaute Gebaren.  Sondern wir werden immer aufs neue befreit dazu einander zu dienen in  der Liebe, mit der Jesus uns täglich beschenkt und im Kleinen - und

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manchmal von uns selbst  unbemerkt - am großen  Werk der Ausbreitung der Weltherrschaft Jesu mitzuarbeiten.

 

Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und  Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.