Frühgottesdienst am Letzten Sonntag nach Epiphanias, 5. Februar 2006

 

Lieder:

Du Glanz aus Gottes Herrlichkeiten...683

Herr Christ, der einig Gott's Sohn...67

Jesus Christus herrscht als König...123, 1-4+11

Morgenglanz der Ewigkeit...450, 4 und 5

 

Psalm 19 (Nr. 708, S. 1142f.)                       Morgengebet Nr. 866 S 1396 (D. Bonhoeffer)

Lesung: Matthäus 17, 1 - 9                 Fürbitten: Nr 838 S. 1285          

 

Predigt über Offenbarung 1, 9 - 19:

 

Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgefangener an der Bedrängnis und am Reich und

an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und  des Zeugnisses von Jesus.

Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von  einer Posaune,

die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira

und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.

Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter

und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn  gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.

Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme

und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen;

und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein

scharfes Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht.

Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Schreibe, was du gesehen hast und was ist und  was geschehen soll danach.

 

Schreibe! sagt er, der ihm erschien in  göttlichem Lichtglanz, in  überwältigender Macht und Hoheit, und  Johannes tut's. Er muß es tun, kann garnicht anders. Christus hat ihn sehen und hören lassen, "was ist und  was danach geschehen soll". Und dann setzt sich Johannes, vielleicht noch ganz betäubt von den ungeheuren Bildern, und schreibt  alles auf: Zuerst die Worte des erhöhten Christus an die sieben Gemeinden; einige von ihnen mögen wir kennen, zB : O daß du heiß oder kalt wärst! Weil du aber lau bist,will ich dich ausspucken  aus  meinem Munde (3,15f).-  Oder einer Gemeinde, die als überaus aktiv galt, sagt er: Ich kenne deine Werke. Du hast den Namen, daß du lebst, und  bist doch tot (3,1).-  Und denen, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, sagt er: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben (2,10).

 

Und dann sucht er die Visionen in Worte zu fassen, die Christus ihn hat schauen lassen:  Visionen über den Verlauf der gesamten Menschheitsgeschichte, mit Kampf und Bedrängnis, Bosheit und Verführung, Treue und Beharrlichkeit und vor allem dem unbesieglichen und alles überdauernden Gotteslob darin...bis alles in die herrliche Vision vom himmlischen Jerusalem mündet, die Vision von der Vollendung des Weltalls  und

unseres Lebens.

2

 

                                                                       I

 

Es ist an einem Sonntag, vielleicht gerade zur Gottesdienstzeit, als Christus dem Johannes  

so begegnet, wie er es in unserem Predigttext zu schildern versucht. Vielleicht war er gerade im Gebet; vielleicht denkt seine Heimatgemeinde auch gerade in der Fürbitte an ihn.  Denn Johannes war - es ist etwa das Jahr 90 nach Christus - aus seiner Gemeinde in

Kleinasien vertrieben worden  -  er war der römischen Besatzungsmacht mit der Entschiedenheit seines Glaubens zu gefährlich geworden. Er hatte offenbar dem Bild des römischen Kaisers Domitian die Huldigung und Anbetung  verweigert und  stattdessen gesagt und durch sein Verhalten bekräftigt: Anbetung und Ehre gebühren allein dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus, er und er allein ist der Kyrios, der Herr. Da hatte man ihn auf die einsame Insel Patmos vor der kleinasiatischen  Küste verbannt.

 

Übrigens: Ich denke oft: Wenn wir im  Gottesdienst das "Kyrie eleison" singen: Die meisten  wissen vielleicht garnicht, was für eine Brisanz  dieser Bittruf hatte und hat: Kyrie eleison - Herr, erbarme dich! Genau diese Worte wurden ja im  römischen Reich dem Kaiser zugerufen, er war der Herr, gottgleich, Herr über Leben und  Tod, der Allmächtige. Und dann kamen die Christen und sagten: Nein! Herr ist einzig und  allein Jesus am Kreuz, er ist Herr auch über den Kaiser, ihn  allein und niemanden sonst wollen wir um sein Erbarmen anrufen.

 

Und wenn wir heute das "Herr, erbarme dich..." singen, dann bekennen wir doch auch eben dies: Herr über alle Lebensbereiche ist allein Jesus, niemand sonst, niemand außer ihm darf und  soll sich mehr Herrschaft über unser Leben anmaßen, Herrscher über uns sein...! Ob wir auch nur entfernt ahnen, wie revolutionär der christliche Glaube ist?!  Der Theologe Ernst Käsemann hat es auf die klare Formel gebracht: "Bei Christen und  Kirchen zählt allein die Nachfolge des Gekreuzigten; alles andere ist religiöser Drogenhandel".

 

Er sagt damit also: Es geht im christlichen Glauben einzig und allein um die Nachfolge des Gekreuzigten; alles andere nennt er "religiösen Drogenhandel"!  Also: Kein religiöses Brimborium, dieses ganze esoterische Zeug, dieses Gefühlige und  Limonadige und ach so harmonisch-Kuschlige, das sich auf Samtpfoten auch in die Kirche einschleichen will; aber auch keine starre akademische Dogmatik, sondern Nachfolge des Jesus, dessen Weg ans Kreuz führt - das ist der ganze christliche Glaube. Oder, um es mit einem Satz Dietrich Bonhoeffers   zu sagen: "Christus hat keine neue Religion in die Welt gebracht, sondern neues Leben". Christlicher Glaube heißt: Jesus Christus entsprechend leben. Wie  anders wäre unsere Kirche, wenn sie dies bewahrheitete. Aber es gilt auch hier das Gebet: Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an!

 

                                                                       II

 

Und nun wird dieses - damals lebensgefährliche - Bekenntnis des Johannes zu Jesus als dem Herrn hier in seiner Berufungsvision ja aufs machtvollste bekräftigt.

 

Es sind Bilder aus römischer Zeit erhalten, da ist der römische Kaiser mit den sieben Gestirnen in seiner Hand zu sehen, zum Zeichen seiner Weltherschaft und Göttlichkeit. Hier aber hält Jesus die sieben Sterne in seiner Hand. Johannes sieht in seiner Vision: Er, Jesus Christus, ist der Herr über das Weltall, Herr auch über alle unsichtbaren Mächte und Gewalten, Herr über die Engel, die ihn schon lieben und ehren,  wie auch über die Dämonen, die ihm seine Herrschaft noch streitig machen.

 

Wie kommt Johannes zu solcher Klarheit des Erkennnens? Er wurde, sagt er, vom heiligen

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Geist ergriffen.

 

Wörtlich übersetzt steht hier im griechischen Urtext: "Er geriet in Geist". Er geriet in den Geist Gottes wie in  Wasserwogen hinein, er wurde sozusagen vom Heiligen Geist überschwemmt. Ob wir eine Ahnung davon haben, wie das sein kann, vom Heiligen Geist

ergriffen, erleuchtet, erfüllt, beschwingt zu werden? Immer dann geschieht das bei uns, wenn wir tiefe Freude am Evangelium gewinnen, Freude an Jesus, an seinen Worten und

Wundern, und vor allem seinem Leiden und seinem Sterben am Kreuz uns zugute, um uns

die Liebe Gottes in Zeit und Ewigkeit zu erwirken -  Freude daran und Staunen darüber, daß Gott ihm das letzte Wort über alle und alles gegeben hat und  geben wird, das letzte Urteil auch über alle derzeitigen Machthaber.

 

Das ist eigentlich der Sinn aller Gottesdienste und der Kirche überhaupt: Menschen zu solcher Freude an Jesus zu führen, zur lebendigen  Begegnung mit Jesus Christus - und zum Gehorsam gegen sein Wort, das - so sieht Johannes - wie ein  scharfes Schwert aus seinem Munde geht -  so wie es der Verfasser des Hebräerbriefs sagt: Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, dringt durch bis ins Innerste und ist ein Richter der Gedanken und Sinne (vgl. Hebr. 4,12).         

 

                                                                       III

 

Diesen Christus, dessen Gewalt die seines Wortes ist, sieht Johannes "inmitten von sieben goldenen Leuchtern".  Sieben goldene Leuchter: Sie  symbolisieren die Gesamtheit der vom Heiligen  Geist erleuchteten Gemeinden. Und das kleine Wörtchen "inmitten" sagt uns ja:  Er, Christus, ist die Mitte, das Zentrum der Gemeinden; er ist "inmitten" der Gemeinde, ist mitten unter uns als der Lebendige  - als der, der durch die Macht seines Wortes tötend und auferweckend wirkt - so wie er es hier bei Johannes tut.

 

Tötend und auferweckend: Diese Worte klingen nun sehr groß, sehr stark, uns vielleicht übertrieben erscheinend...aber geradeso handelt er an uns, manchmal wird uns das garnicht bewußt.

 

"Ertöt' uns durch dein Güte, erweck uns  durch dein Gnad..." so haben wir ja gerade selber gesungen und  das also von Jesus erbeten. Und wir haben das über einer Lesung oder einer Predigt oder einem Gebet oder auch einem Gespräch mit einem Menschen, der uns wohltuende Worte sagte, doch alle schon gespürt, wie durch die Zusage und  Erfahrung von Güte, Wohlwollen, Freundlichkeit, Verzeihung das sozusagen abgetötet wurde, abstarb, was  zu unserm Sündersein gehört: Kleinmut, Mißgunst, Eitelkeit, Aggressivität, hämische Gedanken, Überheblichkeit, Geiz - und zugleich wurden wir erweckt, geradezu aufgeweckt und ermuntert, wurde es uns leicht ums Herz, wurden wir fröhlich und wohlgemut dadurch, daß wir etwas von der segnenden, tröstenden, liebevollen Nähe und Kraft Jesus Christi spürten - vermittelt durch einen Menschen oder auch ganz unmittelbar und unvermittelt, während wir beteten oder Worte des Evangeliums hörten

 

                                                                       IV

 

 - des Evangeliums, das hier in der Zusage zusammengefaßt ist: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und  der Letzte und der Lebendige, und ich habe die Schlüssel des Todes und des Totenreichs (hier steht das  griechische Wort "Hades") .

 

Uns allen erscheint der Tod ja  wie eine letzte Verschlossenheit, ein undurchdringliches Ende. Wenn Christus aber hier sagt, er habe die Schlüssel des Todes und des

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Totenreiches, dann bedeutet das doch: Er kann diese letzte Verschlossenheit öffnen, und  zwar von außen (denn Gefängnistüren haben das ja so an sich, daß sie von innen nicht geöffnet werden können, nur von außen) und  zwar nicht nur bei uns persönlich, sondern es gilt für alle Menschen, deren Leben im Totenreich endete und endet: Er öffnet das Leben aller Menschen  hin zu Gott, alle Menschen gelangen mit ihrem Leben vor den Thron Gottes

und des Lammes - und wir, die Jesus Christus kennenlernen durften und  ihn  als den Herrn bekennen - als den Ersten auch in unserm Leben und als den Letzten hinter unserm Leben - wir sollen täglich und eifrig bemüht sein, ihm durch unser Verhalten auch Ehre zu machen. Dazu macht er auch uns hier Mut, indem er sagt: "Fürchte dich nicht!" Fürchte dich nicht vor Menschen, fürchte dich nicht vor der Zukunft, sondern vertraue meinem  Wort, verlaß dich auf meine Zusage:  "Ich lebe und du sollst auch leben"! (Joh. 14, 19). Amen.