Gottesdienst am 1. Sonntag nach Epiphanias, 11. Januar 2004

 

Lieder:

Der Morgenstern ist aufgedrungen...69, 1-4

O lieber Herre Jesu Christ...68 (bzw. Frühgottesdienst: Auf, Seele, auf und säume nicht...73, 1-7)

Lass mich, o Herr, in allen Dingen...414, 1+2

Wie schön leuchtet der Morgenstern...70,1

 

Psalm:

Lobgesang des Zacharias Lk.1 (Nr. 768)

 

Lesung:

Matthäus 2, 1-12 (Die Weisen aus dem Morgenland)

 

 

Predigt über Römer 12 Vers 1:

 

Ich ermahne euch nun, ihr Geliebten, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

 

Liebe Gemeinde,

 

christliches Leben, sagt Paulus hier, ist ein Leben in Hingabe für Andere. Wir sollen hilfreich für andere Menschen dasein, dem Leben Anderer dienen.

 

Nicht wahr, das ist eine hohe Freiheit, die Paulus uns da zumutet. Aber wir haben wahrscheinlich auch schön öfter erfahren: Welch eine Wohltat und  welch  ein  Lichtblick ist ein Mensch, der wirklich echt am Ergehen Anderer interessiert ist. Meist sind wir Menschen ja anders: Entweder wir kreisen voller Selbstmitleid um uns selbst und unsere Wehwehchen  oder wir tanzen selbstverliebt um‘s  eigene Ich herum wie ums goldene Kalb, sind auf dem Egotrip und gönnen vor allem uns selber Gutes – eine Lebenshaltung, zu der dann oft auch eine gehörige Portion Geiz gehört. Und der scheint ja laut einer Umfrage, über die man kürzlich in der Zeitung lesen konnte, unter den Deutschen zuzunehmen. (Anwesende allerdings ausgeschlossen, denn – das muss man auch mal sagen - über die Ergebnisse der Gottesdienstkollekten, besonders auch in den vergangenen Wochen, können wir nur froh sein).

 

Zum christlichen Glauben gehört Grosszügigkeit, Freigebigkeit, Hingabefähigkeit. Darum sagt Paulus ganz betont: Gebt eure Leiber hin! Leiber, sagt er, und  er meint damit: Euer gesamtes Leben, in jeder Hinsicht.

 

Offenbar war es schon damals so, daß man den christlichen Glauben gern auf Teilbereiche des Lebens beschränkte, etwa auf den sog. „seelischen Bereich“. Daß man Gott also in seinen seelischen  Nöten um Hilfe anrief, ihn aber etwa ans Portemonnaie weniger heranließ. Aber der Glaube an Christus will uns sozusagen in alle Glieder fahren, in Ohren und Herzen, Mund und Hände und Füße hinein. Zum Beispiel soll er schon darin zum  Ausdruck kommen, dass ich die Hände falte und Fürbitte übe für einen Menschen, der krank ist oder dem bange ist vor einer bevorstehenden Operation. Aber unser Glaube soll auch darin zum Ausdruck

 

2

 

kommen, daß ich – statt eines schnellen und  bequemen Telefonanrufs – mir auch mal die Mühe mache und hingehe zu einem Menschen, um ihn zu Hause oder im Krankenhaus zu besuchen. Oder mir Zeit nehme und  meine Hände gebrauche, um einem Menschen  einen Geburtstagsbrief zu schreiben. Das ist ja eine schlimme Unsitte geworden, auch am Geburtstag nur mal eben schnell anzurufen. Ich komme bei meinen Geburtstagsbesuchen oft - nach Absprache – extra früher, etwa kurz nach 10, um mit dem Geburtagskind in Ruhe eine kleine  Andacht zu halten. Aber auch dann schrillt das Telefon oft schon ins Gebet hinein und später stört es dann vollends die Gespräche. Also sollte man das Telefon am Geburtstagsvormittag abstellen, um die Schreibfaulpelze zu erziehen.

 

Gebt eure Leiber hin, setzt Herz und Ohr, Hand und  Fuß für Andere ein – das, sagt Paulus, sind Opfer, die lebendig und heilig sind und die Gott wohlgefallen. Opfer sind es! Nicht im  Sinne einer grämlich-verkrampften Selbstaufopferung – Gott will ja, daß wir in Lebensfreude leben -  sondern Opfer im Sinne eines Dankopfers.

 

Dankbarkeit kann und  soll uns  so sehr erfüllen, daß sie einfach überströmt auf Andere – und solch ein hingabefähiges Leben bezeichnet Paulus als „vernünftigen Gottesdienst“, im Griechichen steht hier das Wort „logike“, also als „logischen“, als einen sich mit innerer Logik aus dem Evangelium ergebenden Gottesdienst.

 

Und damit, liebe Gemeinde, sind wir bei der Mitte dieses so gewichtigen Satzes. Es geht Paulus nicht um irgendwelche Forderungen oder Leistungen, sondern darum, daß wir aus der befreienden Kraft des Evangeliums heraus leben.

 

Darauf kommt alles an, daß wir durch das Evangelium wirklich erfreut und  befreit werden, daß unser Herz erleichtert und erfüllt wird – so daß wir „aus vollem Herzen“ gut sein  können zu Anderen.

 

Und dazu sind vor allem auch unsere Gottesdienstes da: Sie wollen eine Quelle der Freude für uns  sein, eine wirkliche Feier, wo man aufatmen kann, wo man neue Kraft bekommt und das Herz erfüllt wird mit Trost und Dankbarkeit, wo man - mit einem Wort -  mit dem Evangelium in all seiner Schönheit beschenkt wird. Das wird nicht immer in unseren Gottesdiensten so spürbar sein – aber, auch wenn er menschlich noch so unzulänglich ist: – Segen empfangen wir in  jedem Fall im Gottesdienst! 

 

Paulus faßt in unserem Vers das Evangelium zusammen in einem einzigen Wort: In  dem Wort „Barmherzigkeit Gottes“.

 

Barmherzigkeit! Bei diesem Wort soll man nicht an so eine etwas herablassende Mildtätigkeit denken. Das hebräische Wort für „Erbarmen, Barmherzigket“ bedeutet wörtlich ein sich Zusammenkrampfen der Eingeweide vor lauter Mitleid und Mitgefühl – also ein  ganz intensives Mitfühlen mit der Not oder der Angst oder der Belastung eines andern Menschen. Ich kenne keine schönere Veranschaulichung für Gottes Barmherzigkeit als die Stelle in Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15) , wo es in Luthers Übersetzungheißt: „Als er aber noch ferne war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn und er lief ihm entgegen...“

 

 

3

 

Diesem Vater krampfte sich alles zusammen vor lauter Mitleid und  Liebe.

 

Das ist Gottes Barmherzigkeit, so sehr hängt er an uns, sehnt er sich nach uns, wartet er auf uns, sucht er die Gemeinschaft mit uns! Das ist ganz unbegreiflich – und nur der kann das richtig erkennem,der sich klar macht, dass wir gerechtweise von Gott das Gegenteil verdient hätten: Ungnade, Zorn, Gericht...Aber das hat Jesus für uns ertragen!

 

Wer das weiß, der lebt in der Grundhaltung der Dankbarkeit, der kann frei werden von Selbstanklagen oder gar Selbsthaß, auch frei von Gefühlen der Minderwertigkeit, der sollte dann auch nicht mehr Selbstbeweihräucherung nötig haben und das Buhlen um Lob und  Anerkennung.

 

Sicher werden wir auch dann – oder gerade dann – immer wieder auch in  tiefe Fragen und Anfechtungen gestürzt werden, denn dieser so liebevolle Gott läßt ja auch zu, daß Menschen jung und manche nach schwerem Leiden sterben – aber wir werden eben auch immer wieder die Freude erfahren, das Glück, das darin liegt, daß wir als Sünder so ohne jedes Scheltwort von Gott in die Arme genommen werden. Wir werden dann immer aufs neue das können, was in jenem schlichten Spruch ausgedrückt ist:“...daß ich die Liebe, von der ich leb‘, liebend an andere weitergeb“.

 

Das, sagt Paulus, ist euer vernünftiger Gottesdienst. Das ist euer Gottesdienst im  Alltag, während der Woche, daß ihr von der Herzlichkeit Gottes zu euch, die ihr im  Gottesdienst am Sonntag empfangen habt, etwas mitteilt und ausstrahlt, dass ihr etwas von der Hingabe Gottes weitergebt den Menschen, denen ihr im Alltag begegnet. Darum. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen uind Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.