Frühgottesdienst am Sonntag Reminiscere, 7. März 2004

 

Lieder:

 

Gott rufet noch...392, 1-5./6-8

Vergiss nicht zu danken dem ewigen Gott...644

Auf meinen lieben Gott...345

 

Psalm 10, 1-4. 12-14. 17+18

Eingangsgebet: Wir danken dir, Herr Jesu Christ...79

 

Lesung: Markus 12, 1-12

 

Predigt über Römer 5, 1 – 11

 

Liebe Gemeinde!

 

„Wie geht es Ihnen?“ 

 

Diese Frage wird uns ja öfters gestellt – mit mehr oder weniger echtem Interesse an unserem Ergehen - und wir antworten darauf: „Danke, ganz gut“, oder: „So einigermassen“, oder: „Könnte besser sein...“oder einfach: „Muss...“ Ich denke mir, der Apostel Paulus würde auf solch eine Antwort von uns  hin sagen: „Ich glaube, ihr wisst gar nicht, wie gut ihr’s habt...wie unverdient und  ungeahnt gut ihr dran seid...!“ Und dann würde er uns den  heutigen Predigttext in die Hand geben, und wir würden beginnen zu lesen:

 

„Da wir nun  gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus;

durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit, die Gott geben wird.

Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt,

Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,

Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist...“.

 

Bis hierher gekommen, halten wir erstmal inne, aus zwei Gründen.   Einmal, weil wir merken, dass diese Gedanken und Worte des Paulus ganz schön schwierig sind, eigentlich kaum zu verstehen, jedenfalls beim ersten Lesen nicht.  Und zum Andern, weil wir denken: Die herrlichsten Dinge haben wir, sagst du, Paulus, wir können uns rühmen, sagst du, also jubeln, stolz, dankbar und froh sein..? Aber wir fühlen uns gar nicht so...!

 

Frieden sollen wir haben? Aber wir sehen und spüren nichts davon, weder, wenn wir in die Völkerwelt blicken, noch auch, wenn wir die Christenheit ansehen – und auch in unserm Innern ist doch kein Frieden, sondern “unruhig ist unser Herz...“(Augustinus).

 

 

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Und: Der Hoffnung auf die kommende Herrlichkeit, die Gott uns geben wird, sollen wir uns rühmen, also voll froher Erwartung, erhobenen Hauptes und in Vorfreude der

Zukunft entgegenleben...? Ach, wir lassen doch eher den Kopf hängen, und die Aussicht auf die Zukunft scheint, je älter wir werden, desto trüber zu werden.

 

Aber du sagst: Sogar der Bedrängnisse, also der Anfechtungen sollen wir uns  rühmen? Das verstehe, wer kann.

 

Und vor allem: Unser Herz soll randvoll, ganz erfüllt sein von Liebe?  Ach, es ist doch stattdessen eher oft leer!

 

Und Paulus: Ihr habt noch nicht richtig gelesen. Nicht einfach von Frieden und Liebe habe ich gesprochen, sondern von der Liebe Gottes, die er über euer Leben ausgegossen hat, vom Frieden,  den Gott mit euch geschlossen hat.

 

Frieden mit Gott! Liebe Gottes, durch den heiligen Geist in uns ausgegossen...! Wir denken nach: Hier klingen Dinge an, die wir im Alltag ganz vergessen, Dimensionen unseres Lebens, an die wir im täglichen Einerlei wenig denken.

 

Frieden mit Gott: Wollen wir das überhaupt? Ist uns das überhaupt entscheidend wichtig?

 

Und Paulus, der unsere Gedanken errät, sagt: Ich weiss, wir Menschen sind so. Von Natur aus kreisen wir nur um uns, beschäftigen uns ständig nur mit unserem lieben Ich und vergessen Gott den Herrn. Wir wollen ihn nicht als Herrn und Richter über unser Leben. Im Grunde, so formuliert er dann, im Grunde sind wir „Feinde Gottes“.

 

Und eine Form unserer Feindschaft gegen ihn besteht darin, dass wir ihn  spüren lassen, wie wenig wichtig, wie gleichgültig er uns im Grunde ist. So wie man einem liebenden Menschen kaum Schlimmeres antun kann als dass man ihn spüren lässt, dass er einem gleichgültig ist.

 

Aber nun, sagt Paulus, nun  lest einmal, wie Gott auf eure Gleichgültigkeit, auf eure Feindschaft gegen ihn reagiert. Und wir lesen:

 

Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben.

Nun stirbt aber kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben.

Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.

Um wieviel werden wir nun  durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind!

Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wieviel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind.

 

 

 

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Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben.

 

Wir hören: Christus ist für uns gestorben,  als wir noch schwach waren, als wir noch Sünder waren! Christus hat sein Leben für uns hingeben, hat uns dadurch vor dem Zorn Gottes gerettet, hat uns durch seinen Tod versöhnt mit Gott! 

 

Schwere Worte! Wie finden wir Zugang zu diesen tiefen und schweren Gedanken?

 

Vielleicht so, indem wir überlegen: Gibt es eigentlich einen Menschen, der sein Leben für mich einsetzt? Und ich denke und  hoffe, wir alle haben einen oder auch mehrere solcher Menschen, die uns zu spüren geben: Du bist mir wichtig, ich sorge gern für dich, ich sorge mich um dich, ich habe dich lieb...Und, es kann sogar sein, dass etwa eine Mutter sogar sagen würde: Ich würde sogar mein Leben für mein Kind hingeben!

 

Und nun hören wir: Jesus hat dies getan, hat sein Leben hingegeben – und nun nicht   für einen  lieben, einen guten Menschen, sondern für Menschen, die ihm und  Gott gegenüber feindselig eingestellt sind, die ihn hässlich und böse behandelt haben, ihn gequält, verstossen, verachtet, verspottet, getötet  haben...! Die also so sind, wie die „bösen Weingärtner“ damals und wie wir bösen Weingärtner heute (vgl.

Schriftlesung Markus 12, 1-12)!

 

Und: Er hat durch sein Opfer bewirkt, dass Gott der Herr uns nun nicht mehr so ansieht, wie er es mit Grund tun müsste, nämlich zornig, dass er uns nicht mehr behandelt, wie er es mit Recht tun müsste, nämlich strafend -  sondern ganz ganz anders: Über uns Gottlose giesst er seine Liebe aus, uns Rebellen und  Feinden gegen ihn bietet er Frieden und Versöhnung an, uns, die so ungerecht gegen Gott und unsere Mitmenschen sind, uns sagt er: Und doch, trotz allem, was gegen dich spricht: Du bist in meinen Augen nun heilig, gerecht und gut..!

 

Ja, aber wenn das so ist, wenn Gott uns – seine Feinde – um Jesu willen als seine geliebten Freunde ansieht und dementsprechend behandelt, wenn er eben nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, sondern Böses mit Gutem, unsere Gleichgültigkeit ihm gegenüber mit brennender Liebe uns gegenüber vergilt...Ja dann hat sich doch alles grundlegend geändert. Dann können wir auch Geschehnisse in unserem Leben anders deuten, nämlich so, wie es Paulus zu Beginn seiner Verse in der sog. „güldenen Kette“ sagt: Wir preisen Gott, wenn wir im Glauben  bedrängt sind, denn das führt uns zur Geduld: Wir lernen, Schwieriges auszuhalten, zu tragen. Darüber  bewährt sich unser Glaube, und dies wiederum weckt in uns eine Hoffnung, die nicht enttäuscht, sondern uns gewiss sein lässt: Was auch geschieht, Gottes Liebe bleibt in unseren Herzen lebendig. Er hat seinen heiligen  Geist, den Geist der Liebe geradezu ausgeschüttet über uns. Unser Leben braucht keine ausgetrocknete Einöde, kein karges dürres Land mehr sein, sondern wir können aufblühen und Frucht bringen – nämlich immer dann, wenn Gottes Geist, Gottes Liebe in unseren Herzen lebendig wird. 

 

 

 

 

 

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Danke, Paulus, sagen wir nun. Du hast uns unsere Augen geöffnet, die so blind für für Gottes Wohltaten sind. Du hast uns  zumindest ahnen lassen, wie unerhört gut wir dran sind, aus welcher Verlorenheit wir gerettet sind, wie unverdient freundlich wir um Christi willen nun  von Gott angesehen werden - jetzt schon, und wenn wir einmal

in der Ewigkeit  mit unserem ganzen Leben vor Gott stehen werden. Hoffentlich, sagen wir, hoffentlich vergessen wir das nicht so schnell wieder..!

 

Und Paulus darauf: Doch, werdet ihr leider, denn noch bleiben wir ja Sünder, aber eben: geliebte Sünder! Und  weil ihr so vergesslich seid, kommt möglichst nächsten Sonntag wieder in die Kirche und  lest  möglichst täglich in der Bibel, in den Losungen...Ihr werdet merken: Die Liebe, die in  euren Herzen ausgegossen ist und  da schlummert, die wird euch dann aufs neue durchströmen, euch beleben, euer Reden und Handeln prägen. Ihr werdet den Frieden erfahren, den Gott euch schenkt.

 

Und er fasst alles zusammen in seinem Abschiedsgruss, dem Segenswunsch: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.