Gottesdienst am Sonntag Septuagesimae, 31. Januar 1999

( Abschied von  Frau Ingrid Urbasch aus dem Amt als Organistin und Kantorin)

 

Orgel: Sonata V, A – Dur, 3. Satz = Allegro maestoso (F. Mendelssohn-Bartholdy)

 

Begrüßung

 

Wir singen: All Morgen ist ganz frisch und neu ...(440)

 

Psalm  63 im Wechsel ( 729)

Eingangsliturgie

 

Schriftlesung aus dem Alten Testament: Jeremia 9, 22 und 23

Wir singen (vierstimmig): Zwingt die Saiten in Cythara...(70, 6)

 

Epistellesung: 1. Korinther 9, 24 – 27

Glaubensbekenntnis

 

Bläser: Hymnus (Edvard Grieg)

 

Abkündigungen

Dankesworte von Frau Isolde Eymann im Namen des Presbyteriums

 

Bläser: Sollt ich meinem Gott nicht singen...(Choralvorspiel von J.S.Bach)

Wir singen:                                                   (325, 1 – 4)

 

P r e d i g t über Lukas 17, 7 - 10

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Den für den heutigen Sonntag vorgesehenen Predigttext könnte man überschreiben: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Und wer Frau Urbasch gut kennt, wird sofort sagen: das verspricht ein für sie passender Predigttext zu sein.

 

Jesus ist mit den Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Er geht bewußt dem Leiden und dem Tod am Kreuz entgegen. Ich stelle mir vor, sie machen eine Rast auf ihrer Wanderung. Leute kommen zu ihm, darunter auch solche, die Sklaven haben. Und dann sagt Jesus (und damit beginnt der heutige Predigttext):

 

Wer unter euch hat einen Sklaven, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch?

 

Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken?

 

Dankt er etwa dem Sklaven, daß er getan hat, was befohlen war?

 

Ich stelle mir vor, Jesus macht hier eine Pause, gibt den Jüngern Zeit. Was mögen  sie gedacht und empfunden haben?

 

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Einer vielleicht dies: Ja – so geht‘s zu in der Welt. Die Herren herrschen. Die Sklaven schuften. Wie ungerecht ist es überall. Und Dank gibt’s kaum. Im Gegenteil: Undank ist der Welt Lohn.

 

Ein anderer mag gedacht haben: Was wird Jesus nun weiter sagen? Vielleicht dies:

Bei den Sklavenhaltern ist das so. Aber: Bei euch, meinen Jüngern, soll’s nicht so sein! Wenn schon einer dient und bis an die Grenze seiner Kraft arbeitet: Bei euch jedenfalls soll er dann  Dankbarkeit spüren!

 

Und wäre das nicht gut? Oft schon habe ich von hauptamtlichen – und vielleicht mit mehr Recht noch von ehrenamtlichen  - Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Klage gehört: In der Kirche wird zu wenig gedankt. Man nimmt die viele Arbeit für Andere viel zu selbstverständlich.

Und es gibt sicher Hauptamtliche, die spielen sich auf wie dieser herrisch arrogante Herr in Jesu Worten.

 

Ein dritter Jünger, einer mit großer Freiheitsliebe und starkem Sinn für Gerechtigkeit mag gedacht haben: Welche Konsequenz soll man nun daraus ziehen?  Vielleicht diese: Aufstand der Sklaven! Revolution. Die Sklaven befreien sich vom Joch. Zwingen die Herren vielleicht mal, sie ihrerseits als Sklaven zu bedienen. Damit die mal spüren, wie das ist.- Und dann: Abschaffung dieses ganzen Systems von Herrschaft und Knechtschaft. Stattdessen: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit unter allen Menschen.

 

Und was hat Jesus selbst nun weiter gesagt? Dies:

 

So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

 

 

Ich denke, das hat den Jüngern die Sprache verschlagen. Was sagst du da, Jesus? Wir, deine Jünger, sollen so handeln? Uns abschuften bis zum geht-nicht-mehr, uns anfahren lassen ohne aufzubegehren, kein Dankeschön bekommen oder erwarten, sondern stattdessen sagen:  Wir tun doch nur unsere Schuldigkeit! Jesus! Das klingt uns aber doch verdächtig nach verkorkster Unterwürfigkeit, freudlosem Kadavergehorsam, verbissener Pflichterfüllung, was du da forderst. Weißt du denn nicht, wie sehr die Menschen Anerkennung nötig haben? Die berühmten „Streicheleinheiten“? Wie manche geradezu aufblühen, wenn sie für ihren Einsatz Anerkennung und Lob ernten? Du verlangst hier Menschenunmögliches!

 

Sie sind dann weitergewandert. In Jerusalem angekommen. Sie haben von ferne mit angesehen, wie man Ihn ans Kreuz schlug.

 

Und dann ist er ihnen erschienen mit seinen Wunden, Striemen, Nägelmalen – und doch in ganz neuer göttlicher Lebendigkeit und umstrahlt von himmlischem Licht – und einigen mag’s wie Schuppen von den Augen gefallen sein:

 

Er selbst war also dieser Sklave, von dem er erzählt hatte. Er hatte sich abgemüht bis an die Grenzen der Kraft. Hatte die schier unerträgliche Last der Schuld und Bosheit der Menschen

 

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getragen. Hatte nach Lohn, Dank und Anerkennung nicht gefragt und sie ja auch nicht erhalten. Im Gegenteil. Er hatte sich in der Tat aufgeopfert. Wozu? Um uns höchstmögliche Freiheit zu ermöglichen: Freiheit von der Sorge allein um uns selbst. Freiheit von der Angst vor dem Gericht Gottes. Freiheit, die aus der Erfahrung, sehr geliebt zu werden,  erwächst. Freiheit, anderen Menschen dienen zu können: Selbst-los, beharrlich und ohne mit Dank zu rechnen oder nach  Anerkennung schielen zu müssen.

 

Diese Freiheit des Dienens ist allerdings meilenweit und klaftertief entfernt von dem derzeit gängigen Verständnis von „Freiheit“, das auf egoistischen Genuß, Konsum und Habenwollen gerichtet ist und Ansprüche stellt.

 

Frau Urbasch dagegen wußte und weiß etwas von der christlichen Freiheit, die Luther ja einmal in diesen zwei Sätzen benannt hat: Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. (Das Erstere kraft des Glaubens, das Letztere in der Liebe bzw. aus Dankbarkeit). Und wenn wir hier von ihrem Glauben sprechen, dann dient das ja der Ehre Gottes. Sie wußte und weiß: Solche Freiheit haben wir nicht, sie kann uns nur immer auf’s neue geschenkt werden. Wir empfangen sie, wann immer wir die befreiende und frohmachende Kraft des Evangeliums erfahren. Wir empfangen sie als Geschenk des Gottes, der uns durch den Mittler Jesus seine Liebe erweist und der (in Ihrem Konfirmationsspruch) auch zu Ihnen, Frau Urbasch, ganz  persönlich gesagt hat: Ich habe dich je und je geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jer. 31, 3).

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.

 

Bläser: Sicut locutus est...aus dem Magnificat von J.S. Bach

 

 

Wir singen: In allen meinen Taten...(368, 1 – 4)

 

Fürbitten – Vaterunser

 

Wir singen: Lobe den Herren, o meine Seele...(303, 3.4.8)

 

Segen

 

Bläser: Sonata Es-Dur, I Preludio (A. Vivaldi)

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.